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GP2 Series: Hungaroring

Zu Besuch bei Lazarus Racing

motorline.cc zu Gast bei Venezuela Lazarus Racing, dem GP2-Team des Tirolers Rene Binder. Über das Leben im Vorhof der Formel 1…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Enik, GP2, Photo4

motorline.cc auf Besuch im Venezuela Lazarus Racing Team – wir nehmen Platz im Motorhome, wo uns bereits Teamchef Tancredi Pagiaro erwartet. Der Italiener hat bereits mehrjährige Erfahrung in der GP2, dem Vorhof zur Formel 1 machen können. Gute und schlechte Erfahrungen. Da waren Erfolge mit Piquet Sports, das Pagiaro übernommen hat, da waren Erfolge mit dem Team Rapax, das er mit einem Partner aufgebaut hat, man hatte Pastor Maldonado im Team – da war aber auch das Zerwürfnis mit diesem Partner und ein Neubeginn in der AutoGP und das GP2-Comeback im Vorjahr.

Ein Freund aus Venezuela tritt bei dem Team als Sponsor und Investor auf, trotzdem müssen die Piloten eine Mitgift dabei haben, das ist in der GP2 üblich, ein Jahr kostet ein GP2-Team mit zwei Piloten bis zu vier Millionen Euro.

Im Vorjahr ergab es sich, dass Rene Binder, der damals den deutschen Formel 3-Cup fuhr, in der laufenden Saison in Spa bei Lazarus einsteigen konnte. Ein großer Sprung – zudem musste Binder bei Regen bestehen, ein äußerst schwieriger Umstieg für den Tiroler.

„Das war beinhart, einen solchen Sprung von der deutschen Formel 3 in die GP2 haben noch wenige gewagt, in Spa waren die Bedingungen wirklich schwer – aber wir haben sofort gemerkt, dass Rene mit diesen Pirelli-Reifen gut umgehen kann“, erklärt Tancredi Pagiaro.

Binder konnte den Rest der Saison absolvieren - Pagiaro entschloss sich dazu, gemeinsam mit dem Piloten zu wachsen. Denn auch das Team, das er im Vorjahr neu aufgebaut hat, befindet sich in einem Lernprozess. Und so fährt Rene Binder heuer seine erste volle GP2-Saison und betrachtet diese als Lehrjahr.

Gemeinsam lernen

Pagiaro sagt: „Mir ist es lieber, wenn ich gemeinsam mit einem Piloten lernen kann. Wir beide sind wie in den Siebzigerjahren Enzo Ferrari und der junge Niki Lauda. Der Vergleich ist gar nicht abwegig, denn auch Rene fährt für sein Alter mit viel Intelligenz. Er kann ein Rennen lesen und er kann mit den Reifen haushalten, denn darauf kommt es mittlerweile auch in der GP2 an.“

Auch in der gemeinsam mit der World Series zweithöchsten Formel hinter der Königsklasse werden Pirelli-Reifen verwendet und Boxenstopps absolviert. Pagiaro ist überzeigt: „Du musst hier auch erst einmal lernen – wenn du dann die Erfahrung hast, wenn du auf das im Vorjahr erarbeitete Setup zurückgreifen kannst, ist das ein großer Vorteil. Viele der erfolgreichen Piloten fahren bereits ihre zweite volle Saison oder sind noch länger dabei. Ich habe bei Rene gesehen, dass es eine Entwicklung gibt, 2013 ist sein Lernjahr, aber im nächsten Jahr wird er von der Erfahrung profitieren.“

Während vor wenigen Jahren in der GP2 noch ein Wettrüsten stattgefunden hat – ein Seven Post Rig, ein Prüfstand für Fahrwerkseinstellungen, durfte unbegrenzt verwendet werden, so ergaben sich auch in der Einheitsserie GP2 immense Unterschiede zwischen den Teams – wurde zuletzt darauf geachtet, dass die Kräfteverhältnisse ausgeglichen sind.

Pagiaro erzählt: „Die Mechaniker sind zum Beispiel limitiert, jedes Team darf maximal 13 Mechaniker dabei haben. Pro Auto hast du zwei Mechaniker, dazu einen Chefmechaniker und einen Helfer, der einspringt, wenn Not am Mann ist. So hast du, wenn es zum Beispiel etwas zu reparieren gibt, bis zu vier Mechanikern an einem Auto.“ An der Kommandobrücke dürfen nur vier Personen Platz nehmen…

Pagiaro sagt: „Es ist nicht so einfach, dass du zwei Autos kaufst, die Mechaniker einstellst und schon gewinnst du Rennen. Okay, manchmal ist so etwas möglich, aber wenn das passiert, dann handelt es sich um Glück. Es ist wie in einem Orchester – wenn du zum ersten Mal zusammentriffst, ist jeder ein guter Musiker, aber wenn sie dann gemeinsam Musik machen, wissen sie nicht, was los ist. Dann wird geprobt und geprobt, bis es schließlich gut klingt.“

Simulatoren werden lediglich zu dem Zweck eingesetzt, um den Fahrer zu verbessern – ein solcher steht in der Lazarus-Fabrik im italienischen Padova. Doch Pagiaro legt Wert auf die Feststellung: „Dieser Simulator hat nichts gemeinsam mit den Simulatoren der Formel 1-Teams. Das geht es nur darum, dem Piloten ein Basisgefühl für eine neue Strecke zu vermitteln.“

Tacredi Pagiaro wünscht sich, mit Rene Binder auch im kommenden Jahr zu arbeiten. Und er macht einen Vergleich; „Wenn du eine Frau hast und es gibt Probleme, dann solltest du auch nicht gleich die Frau austauschen. Da ist es doch besser, du setzt dich mit ihr zusammen und analysierst, wo das Problem liegt und kommst so zu einem Ziel. Einfach austauschen ist wie ein großes Casino, denn die nächste könnte ja auch nicht besser sein. Mir ist es lieber, dass wir gemeinsam in die gleiche Richtung gehen, das ist meine Meinung dazu.“

„Wenn der Pilot etwas fragt, ist es besser, sehr genau zuzuhören – wenn das Team dann dem Fahrer helfen kann, ist es ein Champions-Team. Da gibt es auch Teams, da wird nicht rumdiskutiert, da müssen die Fahrer einfach tun, was ihnen gesagt wird. Oft werden Fahrer einfach ausgetauscht, von heute auf morgen – ich möchte nicht den Fahrer oder die Mechaniker wechseln, ich möchte gemeinsam die Philosophie verbessern, mit den bestehenden Menschen.“

Der nächste Österreicher in der Formel 1?

Rene Binder selbst hat schon am Beginn des Jahres erklärt, er wolle nach dem Lehrjahr 2013 im Jahr darauf in die Top 3 gelangen – doch Pagiaro schränkt ein: „Solche Zielsetzungen sind gut, aber man sollte sich nicht allzu sehr daran klammern. Wenn ich sage: ‚Ich will im kommenden Jahr Meister werden!‘ - dann kann es sein, dass verschiedene Umstände eintreten, es können erfahrene Piloten am Start sein. Und es ist auch keine Schande, wenn man im dritten Jahr Meister wird.“

Rene Binder nickt: „Es ist schwierig, wenn man gegen Leute fährt, die schon seit drei oder sogar seit fünf Jahren in der Serie dabei sind. Und man hat natürlich auch gesehen, dass es im fünften Jahr dann nicht mehr wirklich hilft, wenn man Meister wird. Aber ich sehe es nicht so, dass ich schon im kommenden Jahr zwingend Meister werden muss – ich denke schon, dass wir 2014 in die Top 3 fahren können, aber wenn man den Titel dann im dritten Jahr einfährt, ist das sicher auch kein Problem.“

Derzeit jedenfalls verspüre er keinen Druck, versichert Binder: „Überhaupt nicht. Ich bin nach wie vor in einer Lernphase und kann mit meinen Fortschritten ziemlich zufrieden sein. Wenn wir unsere Boxenstopps wieder in den Griff kriegen und auch bei der Reifenstrategie nicht mehr so daneben liegen, wie zuletzt am Nürburgring, sollten Punkte möglich sein.“

Die Formel 1 ist natürlich das Ziel, sagt der Neffe des früheren F1-Piloten Hans Binder: „Klar, sonst würde man nicht in der GP2 fahren.“ Dass die Formel 1 wieder nach Österreich zurückkehrt, begeistert auch Binder: „Für mich war es die vielleicht beste Nachricht des Jahres, wobei ich hoffe, dass man jetzt nicht gleich wieder über die zusätzliche Lärmbelästigung und über zu viele Zuschauer an drei Tagen im Jahr diskutiert. Ich glaube, es gibt in Österreich jetzt sehr viele Leute, die Red Bull und Didi Mateschitz sehr dankbar sind. Und zwar nicht nur wir Motorsportler.“

Im kommenden Jahr, beim Grand Prix von Österreich, wäre eine heimischer Pilot in Formel 1 die absolute Krönung. Binder sagt dazu: „Das mag sein , aber den gibt es im Moment noch nicht. Im Grunde ist die Situation ja vergleichbar mit dem Comeback von Spielberg. Es bringt nichts, viel darüber zu reden, wenn die Zeit noch nicht reif ist. Der Red Bull Ring ist Formel 1 tauglich und wenn sich einer von uns in der GP2 oder in der Renault World Series ganz vorne behaupten kann, wird derjenige vielleicht auch seine Chance bekommen.“

Am heutigen Samstag wird Rene Binder quasi zu den Fans kommen, wenn diese schon keinen Zugang zum GP2-Fahrerkager haben - der Tiroler erklärt: „Wir haben am Samstag, ab 18.00 Uhr am Zelt vor der Mol-Tankstelle in der Nähe des Haupteingangs ein kleines Fan-Treffen organisiert, weil die Leute ja nicht zu uns ins GP2 Fahrerlager kommen können.“

Mit wie vielen Leuten rechnet Rene Binder bei diesem ungewöhnlichen Treffen? Der 21-Jährige lacht, und sagt: „Ich habe wirklich keine Ahnung, aber ich lasse mich einfach überraschen.“

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