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Die Elektronik unter der Lupe

Welche Rolle Batterie und Steuerungselektronik in der Formel 1 spielen, und warum die aktuellen Boliden ohne Lichtmaschine auskommen

Mit bloßem Auge ist sie von außen nicht zu erkennen, aber die komplexen Energierückgewinnungssysteme der diesjährigen Formel-1-Boliden könnten schon bald für Schlagzeilen sorgen – und zwar dann, wenn sich ihr Versagen in Form von Rückversetzungen bemerkbar macht. Nachfolgend eine Erklärung, wie die Elektronik im Detail funktioniert.

Seit der Einführung von KERS in der Saison 2009 sind zum einen die Batterien, zum anderen die für die Übertragung der elektrischen Energie von den Motorgeneratoren (Motor Generator Units, kurz: MGUs) verantwortliche Elektronik diejenigen Bereiche, über die vielleicht am wenigsten gesprochen und geschrieben wird.

Doch seitdem das zur Saison 2014 eingeführte ERS deutlich mehr Leistung entwickelt, sind diese Systeme inzwischen deutlich wichtiger geworden. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, weil ab sofort pro Fahrer und Saison ein Limit von jeweils fünf Exemplaren des Energiespeichers und der Steuerelektronik greift. Das bedeutet, dass der Zuverlässigkeit höchste Bedeutung zukommt, wollen Teams Rückversetzungen in der Startaufstellung für ein Überschreiten des Limits vermeiden.

Energiespeicher als Kernelement

Der Energiespeicher (kurz: ES) ist – ganz einfach erklärt – die Batterie. Dieses Bauteil spielt die Schlüsselrolle, wenn es darum geht, sowohl die vom kinetischen Energierückgewinnungssystem (ERS-K) als auch die vom Energierückgewinnungssystem der Motorwärme (ERS-H) bereitgestellte Energie zu speichern. Beim ERS-K ist die vom Reglement festgesetzte Speicherkapazität von im Vorjahr 0,5 Megajoule auf nunmehr vier Megajoule angehoben worden. Was das ERS-H betrifft, gibt es kein Limit.

Das bedeutet: Die Spannung bewegt sich im dreistelligen Volt-Bereich und ist auf 1.000 Volt limitiert. Elektrischer Strom liegt im zweistelligen Ampere-Bereich an. Wir sprechen hier also von einem Hochleistungssystem. Folglich muss die Batterie entsprechend groß konzipiert sein, um beide Energierückgewinnungssysteme gleichzeitig abdecken zu können.

Innerhalb des Energiespeichers findet sich eine Vielzahl von Lithium-Ionen-Zellen. Diese sollen den Batterien in Mobiltelefonen sehr ähnlich sein, sind aber deutlich ausgeklügelter aufgebaut. Um die dutzenden Zellen innerhalb des ES unterbringen zu können, kann man sich sowohl einer zylindrischen als auch einer beutelförmigen Anordnung bedienen.

Die große Herausforderung für die Konstrukteure besteht darin, die Batterie einerseits groß genug zu gestalten, um die Ziele bezüglich Leistung und Energie zu erreichen, anderseits aber klein genug, um sie unterhalb des Benzintanks unterbringen zu können und sie dem Reglement entsprechend nicht weniger als 20 und nicht mehr als 25 Kilogramm wiegen zu lassen.

Neben der Tatsache, dass der Energiespeicher die Batteriezellen beherbergen muss, findet sich in seinem Inneren auch die Elektronik, die die Steuerung der einzelnen Zellen übernimmt. So werden hunderte von Parametern – z.B. Temperatur, Spannung und Strom – ständig überwacht. Einige Hersteller haben sogar die Möglichkeit, einzelne Zellen im Falle eines Defekts gezielt abzuschalten.

"AC/DC" in der Königsklasse

Aufgrund der Tatsache, dass der Energiespeicher seine Energie als Gleichstrom (DC) speichert, die MGUs aber mit Wechselstrom (AC) laufen, bedarf es zwischen den beiden Systemen einer elektrischen Wandlung. Dies wird von der Steuerungselektronik (Control Electronics, kurz: CE) übernommen. Üblicherweise gibt es nur eine Kontrolleinheit, die sowohl ERS-K als auch ERS-H abdeckt. Der Wechselstrom wird dabei über drei Kabel von der jeweiligen MGU an die CE geschickt.

Im Inneren nimmt eine Phalanx von Hochstromelementen – sogenannte IGBTs (Insulated Gate Bipolar Transistors) – den Strom auf und wandelt ihn mittels Kondensatoren in Gleichstrom um. Von dort aus wird er über zwei Kabel zum Energiespeicher geleitet. Die Übertragung von Strom vom Energiespeicher zu einem der beiden Motorgeneratoren ist die Umkehrung davon.

Lichtmaschine nicht mehr gebraucht

Genau diese Elektronikbauteile sind es auch, die das Auto für Zündung, Benzineinspritzung und sonstige Elektronik mit einer Spannung im Bereich von 12 bis 24 Volt versorgen. Dies bedeutet, dass in den aktuellen Autos weder eine Lichtmaschine noch eine separate Batterie notwendig ist.

Wie und wo diese beiden Kontrolleinheiten im Auto platziert werden, ist von Antriebshersteller zu Antriebshersteller und sogar von Team zu Team unterschiedlich. Sie können entweder innerhalb des Energiespeichers liegen oder aber in die Seitenkästen ausgelagert werden. Im letztgenannten Fall stehen den Konstrukteuren mehr Freiheiten zur Verfügung. Allerdings wirkt sich eine solche Lösung aufgrund der zusätzlichen Kabel und Kühlelemente nachteilig auf das Gewicht aus.

Knackpunkte: Kühlung und Ladezustand

Sowohl die Umwandlungsprozesse von Wechselstrom in Gleichstrom und umgekehrt als auch das Laden und Entladen der Batteriezellen im Energiespeicher setzt Wärme frei, somit müssen beide Systeme gekühlt werden. Dies geschieht üblicherweise über einen eigenen Wasserkreislauf. Für diesen wiederum braucht es einen im Seitenkasten platzierten Kühler von angemessener Größe.

Wenngleich das Thema Kühlung wichtig ist, müssen die Batterien ihrerseits in einem engen Temperaturfenster betrieben werden. Diese Temperatur ist höher als die Lufttemperatur. Das durch die Kühlkreisläufe laufende Wasser muss somit vor jeder Session vorgewärmt werden. Gleichzeitig muss der Motor selbst vorgewärmt werden, bevor er angelassen werden kann.

Neben dem richtigen Temperaturfenster muss bei den Batterien auf den korrekten Ladezustand geachtet werden. Dieser beschreibt die Menge an Energie, die zu einem bestimmten Zeitpunkt von den Batterien gespeichert wird. Dem Ladezustand gilt die besondere Aufmerksamkeit der Teams, wobei auch hier ein enges Betriebsfenster eingehalten werden muss. So dürfen die Batterien laut Reglement zwar vor einer Session extern geladen werden, nicht aber während einer Session.

Neben dem Vorladen kann der Energiespeicher aber auch während der Runde aus der Box oder im Verlauf der ersten Runden einer Session in den richtigen Ladezustand gebracht werden. Weil es nicht im Interesse der FIA liegt, diesen Prozess im Sinne eines Leistungsvorteils ausarten zu lassen, besitzen die Teams keine speziellen Vorladegeräte.

Wen erwischt es zuerst?

Aus dem aktuellen Formel-1-Regelwerk geht hervor, dass es bezüglich der neuen Antriebseinheiten sechs Module gibt, von denen im Verlauf einer Saison jeweils fünf Exemplare verwendet werden dürfen. Der Energiespeicher und die Steuerungselektronik sind zwei dieser Module. Renault-Technikchef Rob White hat schon jetzt ein mulmiges Gefühl: "Wenn in diesem Gesamtgefüge etwas schiefgeht, hat das einen sofortigen Ausfall der Elektronik zur Folge – und dann gibt es kein Zurück."

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