Formel 1: Analyse | 12.02.2014
Entwicklung in die falsche Richtung?
Komplizierte Technik, leise Motoren, schwere Autos, höhere Rundenzeiten: Droht die "Königsklasse" ihren Goldstatus zu verlieren?
Die erste Testwoche des Jahres hat viele Fragen aufgeworfen, aber auch einige Antworten gegeben. Der Sound der Formel 1 ist neu und war im Rahmen der Probefahrten erstmals in realer Umgebung hörbar. 2014 werden die Boliden nicht mehr kreischen, sondern den typischen Turbosound eines kleinen 1,6-Liter-Triebwerks bei einer Höchstdrehzahl von 15.000 Touren absondern. Über die neue Klangfarbe wird viel diskutiert, fast immer mit einem Schlusswort – "Geschmackssache".
Die Formel 1 hat jedoch weitere Baustellen. Die auffälligste ist – neben der zunächst noch mangelnden Standfestigkeit einiger Antriebe – das verminderte Tempo. Die Rundenzeiten beim Aufgalopp in Jerez waren über fünf Sekunden langsamer als im Vorjahr, beim ersten Test des Jahres an gleicher Stelle – also nur noch etwas schneller als jene der wesentlich günstigeren Einheits- und Nachwuchsserie GP2. Wenn die Langstrecken-WM oder die japanische Super Formula (ehemals Formel Nippon) mit ihren neuen Autos fahren, dürfte die neue Formel 1 nach aktuellem Stand eher alt aussehen.
"Wir haben beim Jerez-Test gesehen, dass die Autos rund sechs Sekunden langsamer waren als im Vorjahr. Die Formel 1 war nur noch knapp schneller als die GP2. Das darf natürlich nicht so sein", übt auch Ex-Formel-1-Pilot Nick Heidfeld Kritik. Der Deutsche sieht allerdings noch etwas Luft nach oben. "Ich hoffe, dass sich das bald in die richtige Richtung entwickeln wird. Die Formel 1 muss die schnellste Formelserie [auf Straßenkursen; Anm.] bleiben", so Heidfeld.
"Die Formel 1 war in meiner Zeit immer das Nonplusultra. Aber: In den 1970er und 1980er Jahren hatten die Sportwagen schon einmal einen enormen Stellenwert", erinnert Heidfeld an die erfolgreichen Zeiten der Gruppe C. "Es wäre schön, wenn es sich noch einmal in diese Richtung entwickeln würde. Es sieht derzeit so aus, als würde die WEC weiter erheblich aufgewertet. Für mich ist die Formel 1 immer noch klar an der Spitze, aber es kann sich alles ändern", so der Deutsche, der auch 2014 mit dem Privatteam Rebellion in der Langstrecken-WM starten wird.
Heidfeld sieht die Formel 1 in Sachen Antrieb zwar technologisch auf dem richtigen Weg, aber es gibt aus seiner Sicht einige Begleiterscheinungen, die nicht dem Trend entsprechen. "Was ich in der Formel 1 etwas unschön finde, ist die Tatsache, dass das Gewicht der Fahrzeuge immer höher wird", schildert Heidfeld. Während seiner aktiven Zeit stieg das Mindestgewicht der Formel-1-Autos von 605 Kilogramm zunächst auf 620 kg (2010) und dann auf 640 kg (2011) an. In der in einem Monat beginnenden Saison sind die Boliden bereits mindestens 691 Kilogramm schwer!
"Seit ich eingestiegen bin, sind die Autos immer schwerer geworden. Das ist aus meiner Sicht eine Entwicklung in die falsche Richtung. Als ich in der Formel 1 angefangen habe, war das Minimalgewicht bei knapp über 600 Kilogramm. Seither wird es mehr und mehr und mehr", sagt Heidfeld. "Im Grunde wird heutzutage durch die intensive Entwicklung alles immer kleiner und leichter. Okay, durch die neuen Batterien kommt etwas Gewicht hinzu. Aber der Trend geht seit Jahren zu Gewichtserhöhung."
Schwerere Fahrzeuge seien, wenn sie auch dem Trend im Kfz-Bereich entsprechen, nicht nur wenig zeitgemäß, sondern auch in anderer Hinsicht nicht angebracht. "Ich finde das Thema auch relevant für die Sicherheit. Wenn die Autos leichter sind, dann wird die Gefahr in gewissen Bereichen geringer", erklärt Heidfeld. "Man muss sich nur mal anschauen, dass die Fahrzeuge trotz des steigenden Gewichts in den vergangenen Jahren in den Kurven immer schneller geworden sind. Ich hoffe, dass man das in Zukunft wieder etwas herunterfahren kann."