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Motorsport/Rallye: Kommentar

Führt Polit-Umschwung zum längst fälligen BSO-Beitritt?

Helmut Schöpf erinnerte im TV an das ewige Grundübel: Racing gilt in Österreich nicht als Sport, daher keine BSO-Förderungen! Gibt es Hoffnung?

Kommentar von Michael Noir Trawniczek
Grafik: BSO
Foto: Racingshow

Ausgerechnet vor seiner letzten Waldviertel-Rallye wurde Veranstalter Helmut Schöpf in der ORF--Sendung „Niederösterreich heute“ die Rubrik „Ganz persönlich“ gewidmet. Schöpf hat bei diesem Gespräch erklärt, warum er die Waldviertel-Rallye künftig nicht mehr abhalten kann. Sachlich und nicht verbittert. Es würden schlicht die finanziellen Mittel fehlen, um die Rallye künftig ordentlich abhalten zu können, blieb Schöpf diplomatisch.

Um schließlich sachlich und unaufgeregt den Finger tief in die Wunde des heimischen Motorsports zu legen - denn Schöpf erklärte: „Motorsport gilt bei uns nicht als Sport. In allen umliegenden Ländern sind die Motorsportbehörden in der Sportunion vertreten und erhalten daher auch öffentliche Sportförderung - in Österreich ist das eben nicht so und damit haben wir gewisse Handicaps, von Anfang an.“

Bislang wurde die Waldviertel-Rallye von der von der niederösterreichischen Landesregierung betriebenen Plattform „Sportland Niederösterreich“ finanziell unterstützt, diese großartige Initiative musste die Unterstützung jedoch zurückschrauben und schließlich einstellen. Wer jetzt dem „Sportland Niederösterreich“ den „schwarzen Peter“ in die Schuhe schiebt, irrt gewaltig! Denn das Land Niederösterreich hat diese für die Region wichtige Veranstaltung viele Jahre lang unterstützt, obwohl der Motorsport bei uns noch immer nicht offiziell als Sport akzeptiert wird. Dass er seinen Abschieds-Auftritt als langjähriger Veranstalter der Waldviertel-Rallye genutzt hat, um vor einem breiten Publikum an dieses grundlegende Handicap des heimischen Motorsports zu erinnern, ist Helmut Schöpf hoch anzurechnen.

BSO-Förderungen in Millionenhöhe

Nur ganz wenige Sportarten können völlig ohne Fördermittel überleben - in nahezu jedem Land gibt es daher Sportförderungen. In Österreich gibt es die BSO (Österreichische Bundes-Sportorganisation), aus dieser erhalten die verschiedenen Sport-Disziplinen jährlich vergebene Fördermittel. Absurd ist dabei, dass auch relativ kostengünstige Sportarten wie Tischtennis in den Genuss dieser Fördergelder kommen, während der vergleichsweise teure Motorsport ohne diese Unterstützung auskommen muss. So gesehen ist jeder Veranstalter und auch jeder Aktive, der sich mit privaten oder nicht öffentlichen Sponsorgeldern über Wasser halten kann, eine Art „Überlebenskünstler“, dem Applaus gebührt.

Denn es geht bei den BSO-Förderungen nicht um „Peanuts“: So erhielt beispielsweise der Bob- und Skeletonverband im Vorjahr 754.973 Euro, der Judoverband durfte sich sogar über eine runde Million Euro freuen, der Rodelverband erhielt 1.178.840 Euro. Ja, sogar Schach gilt als Sport - der heimische Schachbund erhält immmerhin fast eine Viertelmillion jährlich. Insgesamt wurden im Vorjahr 87 Millionen Euro vergeben. Der Statusbericht des Bundessportförderungsfonds kann über diesen Link eingesehen werden.

Man stelle sich einmal vor, welche Möglichkeiten sich den heimischen Motorsportverbänden als BSO-Mitglied erstellen würden. Denn diese Förderungen sind auch aufwandorientiert. Und: In jeder dieser von der BSO unterstützten Sportarten sind gezielte Nachwuchsförderungen inkludiert. Wäre also der Motorsport ein reguläres BSO-Mitglied, würden auch dem Aufwand entsprechende Förderbeträge festgelegt werden - kein Wunder also, wenn man innnerhalb der BSO alles andere als begeistert reagiert, wenn es darum geht, den Motorsport mit ins Boot zu holen...

Industrie unterstützt

Selbst nach einer großartigen Saison wie wir sie heuer im Rallyesport erleben durften und dürfen, muss man das Ende der Waldviertel-Rallye hinnehmen und um einige weitere Rallyes fürchten. Dazu kommt: Schnelle Nachwuchspiloten wie ein Simon Wagner „flüchten“ in die Tschechische Rallye-Staatsmeisterschaft, weil dort selbst Ausländer zumindest ein wenig Unterstützung erhalten. Im Rundstreckensport fuhr Mirko Bortolotti sogar einige Jahre mit italienischer Lizenz, weil dort schnelle Jungpiloten vom Verband unterstützt werden, über die nationale Sportförderung. Da geht es nicht um private Sponsoren. Der heimischen Industrie kann man eigentlich nicht vorwerfen, den Rennsport zu ignorieren. Freilich wäre noch „Luft nach oben“. Doch: Die Autos von Julian und Simon Wagner beispielsweise, jenes von Niki Mayr-Melnhof, jenes von Raimund Baumschlager und einige mehr offenbaren mit ihren Sponsoraufklebern, dass die heimische Industrie sehr wohl ein Interesse daran hat, Talente zu unterstützen, ihren finanziellen Möglichkeiten entsprechend. Skoda und Opel haben gezeigt, dass sie sehr wohl Veranstalter und auch Aktive als attraktive Werbepartner betrachten, bei Baumschlager Rallye Racing wurde jeder der privaten Skoda-Piloten teilunterstützt.

Pattstellung seit Jahrzehnten

Was Helmut Schöpf in der Sendung „Ganz persönlich“ angesprochen hat, ist quasi die „Mutter aller Probleme“ im heimischen Motorsport, denn viele dieser optimierungsbedürftigen „Baustellen“ scheitern nicht am Willen, sondern vielmehr an der Finanzierung. Dass der Motorsport in Österreich noch immer nicht als Sport anerkannt wird; dass es dabei nicht nur darum geht, dass diese Ignoranz im athletischen Sinn unrichtig und unfair gegenüber den Sportlern ist; dass hier einer gesamten Sportart Millionenbeträge verwehrt werden.

Ein Problem, das seit Jahrzehnten bekannt ist und das auch immer wieder kurz zum öffentlichen Thema wird, nur um angesichts der komplexen Problematik wieder zu verschwinden. Da heißt es auch heute noch, dass die BSO nur jene Verbände als Vollmitglied akzeptiere, deren Vorstände demokratisch gewählt werden und dass die AMF (Austrian Motorsport Federation, vormals OSK) - in dieser Frage nicht entsprechen würde - das haben AMF-Präsident Univ. Prof. Dr. Harald Hertz und AMF-Generalskretär Kurt Wagner bereits im Februar 2015 in einem motorline.cc-Exklusivinterview zurückgewiesen und erklärt, dass der AMF-Vorstand sehr wohl gewählt werde. Hingegen müsse der BSO-Vorstand einstimmig über neue Vollmitglieder entscheiden - weil dann der Teil des Kuchens für die bestehenden Mitglieder geringer ausfallen würde, sei man in der Bundessportorganisation nicht durch die Bank erfreut über ein neues Mitglied, demzufolge reicht eine einzige Gegenstimme zur Verhinderung eines neuen Vollmitlgieds. Zudem würde man argumentieren, dass Mortorsportler „ein Gerät benötigen, um ihren Sport auszuüben“. Dr. Hertz bezeichnete die Frage einer BSO-Vollmitlgiedschaft als ein „Politikum“...

Perfektes Timing für ein „Sesam öffne dich“?

Dass Helmut Schöpf an dieses Handicap erinnerte, passt vom Timing her perfekt. Schließlich wird in Österreich gerade an einer neuen Regierung gearbeitet - velleicht besteht ja die Chance, dass man jene PolitikerInnen, welche künftig die Hebel in ihren Händen halten werden, davon überzeugen kann, dass Motorsport sehr wohl ein Sport ist wie Bob, Rodeln oder Fußball - oder Schach.

Eine der Parteien, die nach dem Abschluss der Verhandlungen Regierungsverantwortung übernehmen könnten, sprach sich im Wahlkampf für Fairness aus. Ist es fair, dass Motorsport im Jahr 2017 noch immer nicht als Sport anerkannt wird? Und dass eine von Staatsgeldern finanzierte BSO dermaßen einfach ein neues Mitglied blockieren kann? Dass hier quasi auf immer und ewig abgeblockt werden kann - nur weil man nicht bereit ist, den Kuchen weiter aufzuteilen? Ist es nicht vielmehr in höchstem Maße undemokratisch, wenn jene, die den jährlich 87 Millionen Euro schweren Kuchen zum Kaffee serviert bekommen, selbst darüber bestimmen dürfen, ob sich ein neues Mitglied zur illustren Runde gesellen darf? Jene Partei, welche Platz eins belegen konnte, sprach sich mit ihrem jungen Spitzenkandidaten für Erneuerung und Bürokratieabbau aus: Wäre es nicht ein großes Signal an eine ganz und gar nicht kleine Community, hier diese offensichtliche Blockade unbürokratisch zu beenden und einer Sportart diese wichtige Türe in den Budessportförderungsfonds zu öffnen?

Immerhin eine Sportart, in der Österreicher wie Rindt, Lauda, Berger, Wolff, Stohl, Wittmann und viele, viele andere seit einem halben Jahrhundert beste Werbung für dieses Land machen. Und die mit ihren Veranstaltungen in ganz Österreich Jahr für Jahr die Regionen wirtschaftlich belebt. Die Formel 1 braucht keine BSO-Förderung - aber jene Sportler und Veranstalter, die ihr Herzblut investieren...

ORM braucht Promotor

Allein im Rallyesport wäre mit BSO-Fördermitteln manches möglich, was derzeit einfach nicht finanzierbar ist: Der heimichen Rallye-Staatsmeisterschaft (ORM) fehlt ein Promotor, der die Serie auf professionelle Art und Weise vermarktet. Etwas, das bei erfolgreichen Rennserien längst Usus ist. Immer wieder ziehen die ORM-Veranstalter in unterschiedliche Richtungen, sodass zuletzt nicht einmal eine kontinuierliche TV-Berichterstattung möglich war. Ein Promotor scheint nur dann die Akzeptanz aller zu finden, wenn er einen Seriensponsor bringt. Daher gibt es keinen. Zugleich gibt es einen Kampf zwischen Spitzen- und Breitensport...

Ideal wären: Eine ihre Spitze bestmöglich präsentierende ORM und eine dem Breitensport verpflichete zweite Liga (Austrian Rallye Challenge/ARC) - dazu eine Nachwuchsförderung, die verhindert, dass einer unserer besten Piloten irgendwann als „Tscheche“, „Italiener“ oder „Zypriot“ Weltmeister wird. Dazu kommen schon jetzt, ohne Subventionen, zahlreiche heimische Motorsportfirmen, im Rallyesport beispielweise Baumschlager Rallye Racing oder Stohl Racing, die Arbeitsplätze schaffen und zwar ganz im Sinne der kommenden Regierung: Hier wird auf höchstem Wettkampf- und Entwicklungs-Niveau gearbeitet, für junge Ambitionierte die optimale Schule fürs Techniker-Leben.

Und: Eben erst hat der von Stohl Racing entwickelte elektrische Stard Hiper Peugeot im PS Racing Center Greinbach den Streckenrekord unterboten. Hinter diesem Erfolg steckt Knowhow, das auch der Industrie zugutekommt. In der Rallycross-WM starten mit Stohl Racing und MJ Pucher Racing gleich zwei Teams aus Österreich. Max J. Pucher hat für die Entwicklung seiner Autos junge Studenten ins Team geholt und auf neue, innovative Entwicklungsmöglichkeiten gesetzt, der Erfolg gibt ihm Recht. Solche Teams können jungen heimischen Piloten in konkurrenzfähigen Autos letztendlich sogar zu einem Antritt auf der Weltbühne verhelfen. Der Kreis schließt sich...

Motorsport ist Hochleistungssport

Doch um diesen Schwung zu ermöglichen, aber auch um die bislang ohne Fördermittel erreichten Leistungen aufrechterhalten zu können, bräuchte der heimische Motorsport endlich die Akzeptanz als Sport und die Volllmitgliedschaft in der Bundes-Sportorganisation.

Motorsport ist Hochleistungssport! Dass Rennfahrer nur in ihren Autos „herumsitzen“, wie manche Blockierer dreist zu behaupten pflegen, wird heute jeder seriöse Mediziner mit entsprechenden Fakten widerlegen. Die heimische Racing-Community könnte mit dem, was ihr im Sinne der Fairness eigentlich schon seit Jahrzehnten zustehen würde, wahrlich Großes erreichen. Zudem gibt es zurzeit mehr als nur eine Handvoll förderungswürdiger Jungpiloten, die eine Unterstützung ebenso verdient hätten wie junge Rodler, Leichtathleten oder Schachspieler.

Genau jetzt - nicht irgendwann

Der vorliegende Kommentar mag für manche „blauäugig“ und naiv wirken,in gewisser Weise ist er es auch - schließlich scheitert die ersehnte BSO-Vollmitgliedschaft seit Jahrzehnten an den von Dr. Hertz und Kurt Wagner vor zwei Jahren erläuterten Gründen. Nur: Wenn die kommende Regierung tatsächlich eine Erneuerung inklusive dem Abbau von verkrusteten Systemen in Angriff nehmen will, wäre das jahrzehntelange Ausschließen einer attraktiven und spektakulären Sportart durch die Geförderten selbst ein Paradebeispiel für ein Proporzsystem und eine gute Gelegenheit, um zeigen zu können, dass man es mit der Erneuerung ernst meint. Vielleicht also sind die Chancen viel größer, als man angesichts der langen und aussichtslos anmutenden Blockade vermutet? In der Motorsportszene gibt es Drähte zur Politik, sogar direkt zum künftigen jüngsten Kanzler der Republik Österreich. Man sollte es versuchen. Jetzt, nicht irgendwann.

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