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Warum Niki Lauda als Teamchef entlassen wurde

Niki Lauda machte keine Fehler, muss aber dennoch gehen - ein weiterer Rauswurf in einer äußerst fragwürdigen Personalpolitik bei Jaguar.

Die Ford Motor Company hat am Dienstagmittag auf einer Pressekonferenz in London die Entlassung von Niki Lauda bekannt gegeben. Erst am 6. Februar 2001 hatte Lauda seinen Posten als Teamchef von Jaguar angetreten, nun muss der Österreicher seinen Hut, respektive seine Kappe nehmen. In den letzten Monaten waren immer wieder Gerüchte um eine mögliche Ablösung des 53-Jährigen aufgetaucht waren, der eigentlich noch über einen Vertrag bis 2005 verfügte, welcher ihm jährlich geschätzte 2,6 Millionen Euro eingebracht hatte.

"Lockvogel" Reitzle sprang vorher bei Jaguar ab

Lauda war einst von Jaguar-Chef Dr. Wolfgang Reitzle nach London geholt worden, der aber im April von seinem Posten als Chef der 'Premiere Automotive Group' von Jaguar zurückgetreten war. Damit verlor Lauda seine "Narrenfreiheit" und soll Gerüchten zu Folge wenige Wochen später von Ford ein Ultimatum gestellt bekommen haben. Lauda hatte geglaubt, nach seinem Verkauf der 'Lauda Air' bei den Grünen eine gute neue Herausforderung gefunden zu haben. Doch nach Jackie Stewart und Alain Prost ist Lauda nun der nächste ehemalige Formel-1-Pilot, der als Teamchef vorzeitig abtreten muss.

Entscheidung kam für Lauda "überraschend"

"Ich bin von dieser Entscheidung schon überrascht, das ist über Nacht entschieden worden. In England arbeiten die Mühlen eben anders. Da wird so lange am Sessel gesägt, bis es durchgesetzt ist. Ich soll nichts falsch gemacht haben, aber man will ein anderes Niveau mit technischer Führung", so Lauda in einem 'Ö3'-Interview, unter dessen Führung Jaguar in 34 Rennen 17 WM-Punkte einfuhr. Die Entlassung Laudas wurde am Montag beschlossen, am Abend verschickte Jaguar Racing eiligst eine Einladung zur Pressekonferenz im Landmark Hotel, wo Lauda übrigens nicht anwesend war.

Lauda nur eine von vielen Entlassungen

Stattdessen schickte man den Ford-Vizepräsidenten Richard Parry-Jones vor die Medien, der im Mai damit beauftragt worden war, innerhalb von drei Monaten das Formel-1-Projekt genau zu untersuchen und einen Plan auszuarbeiten, wie man das Team nach vorne bringen kann. Erst am vergangenen Freitag kündigte man als Folge der Untersuchung an, dass 30 bis 60 der insgesamt 370 Mitarbeiter angesichts der schwierigen Lage bei Jaguar Racing ihren Hut nehmen müssen – Niki Lauda, Formel-1-Weltmeister 1975, 1977 und 1984, ist einer der Mitarbeiter.

Lauda-Entlassung für Experten nicht überraschend

Die Entlassung Laudas kam keinesfalls überraschend. Mitte des Jahres soll ihm Ford-Chef Nick Scheele eine Frist gesetzt haben, bis zu der es aufwärts gehen soll. Scheele selbst hatte seinen Job erst am 30. Oktober 2001 angetreten, nachdem Jack Nasser vier Tage zuvor von Bill Ford Junior höchstpersönlich entlassen worden war. Lauda gab den Bau eines neuen Aerodynamik-Pakets in Auftrag, das aber nicht so einschlug, wie man sich das bei Ford ausgemalt hatte. Und immer wieder wurde Kritik am Österreicher laut, da er auch als TV-Experte für 'RTL' an den Rennwochenenden arbeitete.

Purnell wird Laudas Interims-Nachfolger

Nun übernimmt Tony Purnell die Führung der 'Premier Performance Group' (PPG), es soll eine bessere "Ingenieurbasis" als Teamführung geben, heißt es. Da Lauda weder Techniker noch Engländer war, fehlte Ford die Basis für eine weitere Zusammenarbeit. Purnell ist Gründer und Geschäftsführer von 'Pi Research', dem Elektronik-Spezialisten: "Er ist vielleicht nicht sehr bekannt, aber er hat eine interessante Vergangenheit", so Parry Jones. "Er ist kein richtiger Neuzugang, denn er kennt das Team ganz genau, was uns Kontinuität bringen wird."

Purnell soll eine Interimslösung sein, man wird sobald wie möglich einen neuen Teamchef verpflichten, damit es nicht erneut zu einer Doppelbelastung kommt, wie sie Lauda als Jaguar-Teamchef und PPG-Chef aushalten musste: "Wir wissen, wie wichtig diese Position ist und werden uns auf diesem Fall mit der Bekanntgabe nicht zu viel Zeit lassen". Jedenfalls hat Jaguar schon jetzt innerhalb von vier Jahren den fünften Teamchef.

"Ich würde nicht sagen, dass Niki in irgendeiner Weise versagt hat", so Parry-Jones. "Das wichtigste in der Formel 1 ist mit Abstand die technische Tiefe und Niki Lauda – vor dem ich enormen Respekt habe – hat diese technische Tiefe nicht. Wenn man die Technik nicht auf die Reihe bekommt, dann ist es egal, ob man alles andere hinbekommt. Der Schlüssel zum Erfolg wird mehr und mehr die technische Kompetenz und das ruft nach Veränderungen in der Management-Struktur."

Lauda bekam keine zweite Chance

Dass man das Roll-Out des neuen Jaguar R4 nicht abgewartet hat, ist unverständlich, denn erst dieses Auto stammt komplett aus der von Niki Lauda zusammengestellten Designer-Struktur und wird im gerade erst fertig gestellten eigenen Windkanal entworfen. Sollte das neue Auto die Vorstellungen des Teams erfüllen, so wäre es ein Hohn, dass man Lauda eine Rolle als Berater des Teams angeboten hat, wie sie im Moment auch Teamgründer Jackie Stewart innehat: "Ich habe Niki gebeten, die Rolle als besonderer Berater einzunehmen und ich hoffe sehr, dass er dieses Angebot annimmt", so Parry-Jones. Lauda will sich ein paar Wochen Bedenkzeit geben.

Zweite drastische Umstrukturierung nach zwei Jahren

Erst vor rund zwei Jahren hatte Jaguar mit der Kündigung von Bobby Rahal eine drastische Personalumstrukturierung vorgenommen. Mit sofortiger Wirkung hatte die Führungsriege kurz zuvor, damals bestehend aus Neil Ressler und Bobby Rahal, Anfang Dezember 2000 eine ganze Reihe von Angestellten der Technik-Abteilung des Jaguar-Werks in Milton Keynes entlassen. Auf der Liste standen der Technische Direktor Gary Anderson, die Renningenieure Andy le Fleming, Rob Gearing und Gerry Hughes, Elektrikspezialist Andy Rice und Designer Dave Rendall. Jetzt sind weder Neil Ressler noch Bobby Rahal an Bord.

Neben Lauda verstärkte sich das Team vor 16 Monaten mit einem neuen Technischen Direktor (Steve Nichols, ehemals McLaren), einem Chefdesigner (John Russell, ehemals Williams) und einem Aerodynamikspezialisten (Mark Handford, ehemals Lola). Steve Nichols wurde mittlerweile ebenfalls entlassen, stattdessen holte man Günther Steiner. Nun steht erneut die nächste Personalumstrukturierung auf dem Programm, die viele Experten kritisieren, da Stabilität in der Formel 1 extrem wichtig ist. Für die Saison 2003 verpflichtete das Team mit Mark Webber und Antonio Pizzonia zwei neue Fahrer, die heute mit den Testfahrten in Spanien beginnen.

Steiniger Anfang

Als Jaguar am 23. August 2001 Bobby Rahal entließ, stiegt Niki Lauda zum einzigen Teamchef auf. Zuvor gab es zusammen mit Rahal ein paar haarige Momente. Da wäre zum Beispiel der geplatzte Transfer von McLaren-Designer Adrian Newey oder der Cosworth-Motorendeal mit Arrows, den Rahal ablehnte aber Lauda durchsetzte. Heute sitzt Cosworth auf offenen Rechnungen in Höhe von zwei Millionen Euro, die Lauda als Ex-Chef der 'Premier Performance Division' mit den Unterfirmen 'Jaguar Racing', 'Cosworth Racing' und 'Pi Research' mit zu verantworten hat. Und als Krönung wollte Rahal mit Jordan ohne Laudas Wissen ein Tauschgeschäft eingehen und Irvine gegen Frentzen austauschen.

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