Formel 1: News | 01.07.2003
Coulthard im Qualifying: Zu viel Denken, zu wenig Instinkt!
Nachdem sogar bei McLaren über David Coulthard’s Formtief gegrübelt wird, könnte man doch Alex Wurz ein paar Renneinsätze gönnen...
Michael Noir Trawniczek
David Coulthard – ein sehr sympathischer Pilot, seit 1994 in der Formel 1. In 150 absolvierten GP holte er 13 Siege. 2001 wurde er Vizemeister. Prinzipiell also ganz sicher alles andere als ein schlechter Fahrer. Man könnte aber auch sagen, dass Coulthard eigentlich immer im Schatten seiner Teamkollegen stand. 1994 und 1995 bei Williams war es Damon Hill. Und bei McLaren-Mercedes ist ein Vergleich zwischen dem Schotten und seinem damaligen Teamkollegen, dem zweimaligen Weltmeister Mika Hakkinen, besonders auffällig: In den beiden Weltmeisterjahren Hakkinens liest sich das folgendermaßen: 1998 feierte der smarte Finne acht Siege, David Coulthard einen. 1999 stand Mika immerhin fünfmal ganz oben auf dem Podest, David zweimal. Sicher musste oder durfte Coulthard ab einem gewissen Zeitpunkt seinem Stallkollegen beim WM-Gewinn helfen. 2002 macht Häkkinen Platz, kein Schatten mehr über Coulthard. Doch was passiert? Es kommt Kimi Raikkonen – und spätestens wenn man den aktuellen WM-Stand begutachtet, könnte man zu dem Schluss kommen, Coulthard sei eigentlich eine Art Vorzeige-„Nr.1b“...
Dabei nimmt sich der Schotte in jedem Winter vor, den WM-Titel zu erobern, nahezu jedes vor ihm liegende Jahr ist dann „sein Jahr“. Leider kam bislang immer etwas dazwischen. In diesem Jahr aber kam ein wesentliches Element hinzu – der neue Qualifying-Modus. Coulthard kommt damit nicht zurecht, in einer schnellen Runde das Maximum an Performance zu leisten. Coulthard fuhr nun fast ein Jahrzehnt lang in siegfähigen Autos und junge Talente wie beispielsweise Nick Heidfeld warten seit 1999 auf ein freies Cockpit im Silberpfeil. Die Treue zu dem schottischen Piloten macht einerseits McLaren-Mercedes sympathisch, andererseits kam mit dem Qualifying-Mangel nun ein echtes Problem für die langjährige Partnerschaft hinzu. Gute Startplätze sind nun mal, gerade in der heutigen Formel 1, ein wesentlicher Faktor, um gewinnen zu können. Mit neunten Startplätzen schafft man es vielleicht bei einer Lotterie, ganz oben auf dem Podest zu landen, im Normalfall sind aber lediglich ein paar Pünktchen drinnen...
Auch am Nürburgring sah man das übliche Bild: Während Kimi Raikkonen die Pole eroberte, stellte Coulthard seinen MP4-17D auf Startplatz 9. Dem nicht genug, lieferte Coulthard im Rennen eine mehr als schräg aussehende Aktion, als er Alonso zu nahe kam und nur durch einen Ausritt einen katastrophalen Unfall vermeiden konnte. Dass Coulthard danach zumindest andeutete, dass Alonso ihn mit Absicht auffahren hätte lassen – „Ich hoffe nur, er hat es nicht absichtlich getan“ – macht zudem auch alles andere als einen guten Eindruck. Denn hätte Alonso wirklich den „Bremstest für Anfänger“ bei Coulthard durchgeführt, wie dies ein Fernsehreporter vermutete, wäre er bei diesem quasi durchgerasselt, und das nach fast einem Jahrzehnt Königsklasse. Zudem ist eine solche Vermutung sehr verwegen und drückt eigentlich nur die verzweifelte Lage Coulthards aus.
Martin Whitmarsh: Coulthard muss mit dem Qualifying klarkommen!
Auch das McLaren-Team beginnt langsam über Coulthard’s Performance nachzudenken. McLaren-Manager Martin Whitmarsh sagte gegenüber unseren britischen Kollegen: “Ich denke, wir würden es gerne sehen, wenn David mit seiner Form klarkommen würde. Er fährt gute Rennen, aber es gibt generell einen hohen Standard und du musst dich mit nur einer Runde qualifizieren. Es geht hier um das Selbstvertrauen der Fahrer und wie ein Fahrer das Qualifying angeht, hängt von seiner mentalen Einstellung ab. Und David sollte damit klarkommen. Er muss sich sicher sein, dass er das tun kann, muss relaxt sein und instinktiv fahren, ohne Analysen.“Whitmarsh fügt hinzu: „David ist eine sehr analytische Person, was eine nützliche Qualität ist, aber wiederum weniger bringt, wenn ich in einer Runde das Maximum rausholen soll. Du musst die Analysen über jede einzelne Kurve ausblenden und flüssig fahren und instinktiv.“
Die Frage wird sein, wie man nach zehn Jahren Motorsport auf höchster Ebene diesen Instinkt wiederfindet bzw. warum er nicht einfach da ist. Auch die anderen weltbesten Automobillenker mussten den neuen Modus verinnerlichen. Der Unterschied ist nur: Während manche Piloten, wie beispielsweise Kimi Raikkonen, in ihrer schnellen Runde ihrem Instinkt schon mal zu viel freien Lauf ließen und übers Ziel hinausschossen respektive im Kiesbett landeten, ist bei Coulthard das Problem, dass er einfach zu langsam fährt. Und das ist das weitaus größere Problem...
Vorschlag: Konstruktive Pause für Coulthard, Renneinsatz für Alex Wurz!
Ein mentales Problem kann man oft nicht dadurch lösen, indem man einfach in der gleichen Art weitermacht. In einer Rennsaison ist Hektik und Terminstress angesagt. Oft hilft eine konstruktive Pause, das hat man in der Formel 1 schon des öfteren erlebt. Die Batterien müssen wieder aufgeladen werden...David Coulthard zeigte am Nürburgring auch so etwas wie Überdruck und Nervenschwäche. Er hätte genausogut auch ins Heck von Alonso krachen können und somit nicht nur sich selbst sondern auch andere Teilnehmer gefährden können. Der Druck wird für Coulthard von Mal zu Mal größer, sieht er sich selbst doch als künftigen Weltmeister, während in der Realität sein Teamgefährte Kimi Raikkonen um den Titel fightet.
Was würde also dagegen sprechen, wenn man David Coulthard eine Pause verschreibt und stattdessen dem Langzeittestfahrer Alex Wurz für den Rest der Saison das Renncockpit neben Kimi Raikkonen zur Verfügung stellt. David könnte im nächsten Jahr rundum erholt wieder einsteigen, Österreichs Alex Wurz könnte sein Talent unter Beweis stellen. Vielleicht ist ja Alex Wurz sogar der bessere David Coulthard?