Formel 1: News | 04.09.2003
Hirohide Harashima im Interview
Bridgestone-Entwicklungschef Hirohide Harashima spricht über die Ferrari-Beschwerde bei der FIA und welchen Einfluss dies auf die Saison nimmt.
Der Reifenkrieg nimmt dieser Tage mit der Beschwerde der Scuderia Ferrari über die angeblich illegalen Michelin-Pneus vollkommen neue Dimensionen an. Und während die Franzosen von Michelin sowie deren Partnerteams immer mehr in Erklärungsnot geraten, da Ferrari-Technikchef Ross Brawn angebliche Beweisbilder besitzt, welche zeigen, dass die Williams-Reifen 16 mm über der Maximalbreite liegen, zeigt sich der japanische Entwicklungschef von Bridgestone, Hirohide Hamashima, ganz gelassen.
Herr Hamashima, Sie haben nun zwei komplette Reifentesttage mit allen fünf Bridgestone-Teams absolviert. Welche Reifen haben Sie mitgebracht und wie sind die Tests bislang verlaufen?
Hirohide Hamashima: Wir haben einige neue Mischungen und Konstruktionen inklusive eines zukünftigen Konzepts mitgebracht. Diese zukünftige Konstruktion wird in dieser Saison nicht mehr eingesetzt werden, aber wir hoffen, dass wir sie im nächsten Jahr einführen können. Insgesamt haben wir rund 20 Spezifikationen und 2.000 Reifen dabei, über die Hälfte davon ist neu. Einige dieser Reifen kamen dabei direkt aus der Bridgestone-Produktion in Tokio. Allgemein betrachtet waren die Tests bislang sehr produktiv. Wir fuhren meistens im Trockenen, aber gestern Morgen regnete es auch, was uns die Möglichkeit gab einige gute Regenreifentests zu bestreiten und die Haltbarkeit sowie die Grip Level unserer Regenreifen zu überprüfen.
Es sind nur noch drei Rennen bis zum Saisonfinale in Suzuka, wie möchte Bridgestone in diesem engen WM-Kampf zurückschlagen?
Hirohide Hamashima: Wir müssen die besten Reifen bauen die wir machen können! Wir haben in den letzten Wochen extrem hart gearbeitet und wir haben hier in Monza große Fortschritte erzielt, welche hoffentlich unseren Teams helfen werden.
Die FIA hat kürzlich ein Fax über die Reifenbreite verschickt. Ross Brawn hat zugegeben, dass Ferrari die FIA auf diese Angelegenheit aufmerksam gemacht hat, nachdem sie Informationen von Bridgestone erhalten hatten. Können Sie genau sagen, wann Sie diese Informationen über die Größe der Reifenlauffläche ihres Rivalen erhalten haben?
Hirohide Hamashima: Wir hatten bereits seit einiger Zeit einige Zweifel über dieses Thema, aber erst jetzt bekamen wir diese Informationen, welche übrigens beim Ungarn GP in Form von Fotos auftauchten. Ich weiß, dass es einige Skeptiker aufgrund des Timings gibt, aber wir haben Ferrari diese Fotos gezeigt und lange mit ihnen darüber diskutiert und ich weiß, dass sie die Entscheidung die FIA zu kontaktieren sehr ernsthaft abgewogen haben.
Wie sieht Bridgestone dieses Thema? Hätten Sie Probleme damit, wenn Ihre Reifen nach dem Rennen überprüft werden würden?
Hirohide Hamashima: Natürlich darf die FIA unsere Reifen untersuchen. Bridgestone hat schon immer versucht die Regeln voll und ganz zu erfüllen und entsprechend ist auch die Lauffläche unserer Reifen nicht breiter als 270 mm, egal ob vor dem Rennen oder danach. Unsere Konkurrenz scheint jedoch eine andere Regelinterpretation anzuwenden und deswegen begrüßen wir die Entscheidung der FIA.
Ist dies ein Versuch die Meisterschaft auszugleichen, weil die Konkurrenz stärker geworden ist?
Hirohide Hamashima: Nein, dies ist nur ein Versuch das zu tun, was richtig ist. Informationen dieser Wichtigkeit dürfen nicht ignoriert werden.
Warum hat sich nicht Bridgestone direkt bei der FIA beschwert?
Hirohide Hamashima: Wir glauben, dass es wichtig ist daran zu denken, dass es die Teams sind, welche gegeneinander antreten und wir nur deren offizieller Ausrüster sind. Natürlich spielen wir dabei eine wichtige Rolle, aber wir sollten nicht größer als die Teams selbst sein. Die Leute die von solchen Themen am meisten getroffen werden sind die Teams und die Fahrer. Letztlich ist es eine Entscheidung des Teams, ob es die FIA kontaktiert oder nicht.
Welchen Vorteil kann man daraus schlagen, wenn die Lauffläche vergrößert wird?
Hirohide Hamashima: Eine verbreiterte Lauffläche vermittelt besseren Grip, da es mehr Kontakt zwischen dem Gummi und der Streckenoberfläche gibt. Dies kann beim Bremsen und besonders in den Kurven von Vorteil sein. Eine größere Lauffläche kann es dem Fahrer erlauben später zu bremsen, in der Kurve schneller und besser ausbalanciert zu fahren und dann besser aus der Kurve herauszukommen. Deswegen kann es auf Strecken wie Magny-Cours, Hockenheim oder Monaco zum Beispiel ein Vorteil sein, wenn man eine größere Auflagefläche der Reifen hat. Vielleicht sollten wir hierbei einen Blick in die Geschichte der Formel 1 werfen und uns daran erinnern, dass die F1 einst Slicks benutzte. Als die Geschwindigkeiten höher wurden beschloss die FIA die Autos einzubremsen und führte man 1998 Rillenreifen ein. Aber selbst damals hatten die Reifen nur drei Rillen vorne und die Rundenzeiten fielen erneut. Konsequenterweise führte die FIA eine vierte Rille in den Vorderreifen ein, um die Schulterbreite der Reifen zu verringern und dies ist die momentane Situation. Wenn man nun die Sorgen der FIA über steigende Geschwindigkeiten betrachtet und bedenkt, was sie dagegen unternommen hat, dann wäre es überraschend, wenn die FIA wollte, dass ihre Regeln so interpretiert werden, dass die Laufflächen und Geschwindigkeiten wieder ansteigen.
Wie glauben Sie wird dies die WM beeinflussen?
Hirohide Hamashima: Nun, dies kommt darauf an, ob sich jetzt jemand unter Druck gesetzt fühlt ein neues Reifendesign einzusetzen und ob dies die Performance beeinflusst. Es wird weder Bridgestone noch unsere Teams beeinflussen, da wir unsere Vorbereitungen für die letzten drei Saisonrennen ohne Probleme fortsetzen werden. Insgesamt sind wir hier um Rennen zu fahren und freuen uns alle darauf die Saison positiv zu beenden. Michael Schumacher führt noch immer in der Fahrerwertung und wir werden unser Bestes geben um sicherzustellen, dass er und Ferrari ihre Meisterschaftstitel verteidigen können. Wir würden dabei natürlich auch gerne ein starkes Finish unserer anderen vier Teams sehen...