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Österreich hat den Superstar...

Red Bull-Boss Dietrich Mateschitz kämpft um seine Privatsphäre. Doch seit dem Jaguar-Deal ist nicht nur in Österreich eine „Mateschitzmania“ ausgebrochen...

Man könnte sagen: Ganz Österreich ist in eine Art „Mateschitzsches Fieber“ verfallen. Oder ein wenig einfacher gesagt: In der Alpenrepublik herrscht die „Mateschitzmania“. Der Jaguar-Deal hat eine kolossale Medienlawine ausgelöst, die Präsenz von Red Bull und seinem „Erfinder“ hat sich vervielfacht – kein Medium des Landes kann es sich leisten, auf eine Mateschitz-Story zu verzichten.

1987 begann die Erfolgsstory des Energiegetränkeherstellers – der Aufstieg, das weltweite Sportsponsoring und auch der Kauf des A1-Rings wurden medial durchaus registriert, doch der Kauf des eigenen Formel 1-Teams hat quasi den Topf zum Überlaufen gebracht. Der traumhafte Lebenslauf des 60jährigen, der als Zahnpastavertreter mit dem Energy Drink das große Geschäft landete, wird nun in die Gehirne gebrannt – Dietrich Mateschitz, zuvor eher im Wirtschaftsteil präsent, mutierte zu einer Art Popstar. Ein Popstar wider Willen...

Eigentlich fehlt nur noch ein Pappkarton-Dietrich Mateschitz, selbstverständlich in Lebensgröße. Für den Salzburger ein Gräuel – wie wenig der öffentlichkeitsscheue „Mister Red Bull“ von einer Präsenz in den Society-Magazinen hält, offenbart die Tatsache, dass der Multimillionär sogar so weit geht, Anteile an Klatschblättern, in dem Fall das Wiener Magazin Seitenblicke, zu kaufen, nur um darin nicht vorzukommen. „Vielleicht lässt sich dadurch am besten verhindern, dass ich darin auftauche“, erklärte er in einem Interview mit dem Spiegel.

Mateschitz-Interviews sind selten. Kauft ein Österreicher ein Formel 1-Team, so kann man sich sicher sein, dass wenig später die Wochenend-Zeitungen vollgestopft sind mit sogenannten Homestories. Vom Lieblingsgericht über die Farbe der Unterhose bis zur Lebensphilosophie zusammengefasst in drei Wörtern. Nicht so bei Dietrich Mateschitz. Er macht sich rar – aber gerade das wiederum weckt das Interesse...

„Oh, you really exist!“

Und so entstehen Mythen – diese gehen so weit, dass seine eigenen Mitarbeiter sogar daran zweifeln, ob es ihn wirklich gibt. „Unlängst hat mich eine amerikanische Mitarbeiterin völlig verblüfft mit den Worten begrüßt: ‚Oh, you really exist!’“, zitiert das österreichische Nachrichtenmagazin Profil den Firmenboss. Eine Zitate-Sammlung, wohl in Ermangelung eines Interviews...

Dietrich Mateschitz ist zwar medienscheu, aber alles andere als farblos. Mateschitz sagt Dinge wie: „Alles, was wir haben, ist diese Dose und was ein paar Milliarden Menschen denken und fühlen, wenn sie Red Bull anschauen.“ Oder: „Ich gehe nicht auf einen Gipfel, um oben zu stehen, sondern um hinauf zu gehen. Oben ist ja das Ende...“ Oder: „Ich glaube halt nicht alles, was ich an der Wirtschaftsuni gelernt habe. Auch nicht an die Maxime, ein Unternehmen könne sich ruhig zu zwei Dritteln über Fremdkapital finanzieren.“ Und: „Wir wollen das Unternehmen durch Expansion nie, auch nicht eine Sekunde lang, in seiner Existenz gefährden.“

Diese Sätze des Selfmade-Millionärs mutierten zu einer Art „Zehn Gebote“ für unzählige Jungmanager, die vom großen Erfolg träumen. Sein Führungsstil ist eine Mischung aus Zurückhaltung und Kontrolle – dem Format erklärte Mateschitz: „Ich bin so etwas wie die Qualitätskontrolle von Verkauf, Marketing und Kommunikation. So lange etwas gut ist, muss ich es nicht sehen. Ist es aber schlecht und ich habe es nicht gesehen, fällt es jemanden auf den Kopf. Denn wenn er zu mir gekommen wäre, hätte ich ihm vermutlich sagen können, wie es besser gewesen wäre.“

„Sie werden mich sicher nicht an der Boxenmauer sehen!“

Zugleich scheint Mateschitz kein Problem damit zu haben, Kompetenzen abzugeben. Der Spiegel fragte den laut Forbes-Magazin reichsten Mann Österreichs, welche Rolle er als Besitzer des Red Bull Racing-Teams spielen werde. Mateschitz antwortete: „Keine. Sie werden mich sicher nicht mit Funkgerät, Headset und Stoppuhr an der Boxenmauer stehen sehen. Das wird den Experten vorbehalten sein.“

Und überhaupt – zum Ambiente der Formel 1 fühle er sich „so sehr hingezogen, dass ich beispielsweise 2004 bei keinem einzigen Rennen war. Man darf nicht die Marketingstrategie mit persönlichen Vorlieben verwechseln. Außerdem war das Flair in früheren Jahren besser. Die Formel 1 ist zum Treffpunkt der Autoindustrie geworden. Es geht um Macht, Prestige, Marktanteile und enorme Summen. Das muss und wird sich zurückentwickeln.“

Über das Image von Red Bull sagt Mateschitz: „Red Bull steht für Kreativität, Innovation, Einzigartigkeit, Individualität und, wenn Sie wollen, auch für Abenteuerlust und Risikofreude.“ Eigenschaften, die zu einem Teil auch auf Mateschitz selbst zutreffen. Vor drei Jahren durchquerte der damals 57jährige auf einem Motorrad die tunesische Wüste. Eine acht Meter hohe Düne wurde ihm zum Verhängnis, ein Sturz, kein Rettungshubschrauber und der von Expeditionsleiter Heinz Kinigadner angeforderte Jeep war viele Stunden entfernt. Als die Dunkelheit einbrach und die Skorpione hervorkrochen, war „uns allen schon ein bisschen mulmig“, wie Kinigadner dem Profil verriet. Risikofreude demonstriert Mateschitz aber auch in punkto Investitionen: „Wenn ich alle Investments aufzähle, bei denen nichts herausspringt, sitzen wir morgen noch da.“

Was aber alle wissen wollen, ist das Erfolgsrezept des Salzburgers – die Rezeptur seines Energy Drinks würde „ohnehin auf jeder Dose stehen, ist für Milliarden zugänglich“ – sein Erfolgsrezept formuliert Mateschitz folgendermaßen: „In unserem allerersten Salesfolder 1987 stand der Satz: ‚Es gibt für Red Bull keinen bestehenden Markt, aber wir werden ihn machen.’ Und so war es auch. Wir waren die Ersten und haben den Markt bis ins Kleinste analysiert. Die Kunst des Marketings besteht darin, sich zu differenzieren und keine Me-too-Produkte zu machen. Die Konsumenten wollen das Original.“

Der aufdringliche Biograf...

Dietrich Mateschitz verkörpert den allgegenwärtigen Traum vom großen Erfolg – eine Marktlücke finden und durchstarten. Was würde näher liegen, als eine Dietrich Mateschitz-Biografie zu schreiben, dachte der Journalist Michael Nikbakhsh. Unter der Headline „Wie Mateschitz unerwünschte Biografien verhindert“ berichtet Nikbakhsh im Profil darüber, wie er sich beim Versuch, eine Mateschitz-Biografie zu schreiben „die Zähne ausbiss“.

Der eifrige Kollege befragte sämtliche Mitarbeiter, schreckte auch nicht davor zurück, die Mutter des Salzburgers anzurufen. Der Erfolg dieser recht aufdringlichen Recherche war gleich null. Nikbakhsh schreibt: „Selbst der Gemeindesekretär von Mateschitz’ steirischem Heimatort war stumm wie ein indisches Grab. Auf die Frage, wo Mateschitz zur Schule gegangen sei, entgegnete er knapp: ‚Ich darf in Absprache mit Herrn Mateschitz keine Auskunft erteilen’.“ Nikbakhsh weckte damit den Zorn des Dietrich Mateschitz, bei einem Schirennen kam es zum Aufeinandertreffen. „Sie haben meine Mutter behelligt. Ich dulde das nicht.“ Mateschitz soll zudem gesagt haben: „Solange eine perforierte Kniescheibe in Moskau 500 Dollar kostet, werden Sie nicht sicher sein.“ Ein paar Tage später habe sich Mateschitz in einem persönlichen Brief bei ihm entschuldigt, schreibt Nikbakhsh.

Eine Episode, die in ihrer kleinen Widerwärtigkeit sehr gut zum Ausdruck bringt, warum Dietrich Mateschitz neben aller Red Bull-Publicity als Privatperson die Öffentlichkeit so gut es geht meidet. Warum er sich nicht zur Pappfigur machen lassen möchte, warum er nicht einsieht, weshalb nun die ganze Welt sein Wohnzimmer sehen muss. Und warum er sogar ein Klatschmagazin kauft, nur um darin nicht vorzukommen. Und warum Dietrich Mateschitz Dinge sagt wie: „Wenn ich Dauergast bei den ‚Seitenblicken’ bin, habe ich meinen Entmündigungsantrag unterschrieben.“

Dietrich Mateschitz kämpft erfolgreich um seine Privatsphäre. Er kämpft um ein Recht, das normalerweise jedem Menschen zusteht, das aber von vielen Medienvertretern gegenüber erfolgreichen oder einflussreichen Personen einfach nicht wirklich zugestanden wird. Weil sie sich schwer tun damit, das Werk und die Person dahinter zu trennen. Sein Problem dabei: Je mehr er um seine Privatsphäre kämpft, desto interessanter wird er für die Medienwelt. Eben ein Popstar wider Willen...

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