Formel 1: News | 23.09.2004
Das Venedig der Formel 1
Gerhard Berger pilgerte bereits 1995 nach China, um an einem F1-Symposium teilzunehmen, der Tiroler zeigt sich vom neuen Austragungsort begeistert.
Die Formel 1 schrieb das Jahr 1995. Die Saison hatte soeben mit dem zweiten Weltmeistertitel von Michael Schumacher sowie Mika Häkkinens schwerem Unfall im australischen Adelaide geendet, da machte sich der Österreicher Gerhard Berger mit seinem Privatflugzeug und Autorevue-Gründer Herbert Völker im Gepäck auf eine Weltreise, in dessen Verlauf der damalige F1-Pilot auch bei einem Formel 1 Symposium in China Station machte.
„Im Gästehaus der Regierung, zwei Steinwürfe von der Angelterrasse, hatte eben Gerhard Berger einen Vortrag beendet. Zweihundert chinesische Journalisten waren anwesend“, erinnert sich Völker in Bergers Buch Zielgerade an dieses Ereignis.
„Seit das Fernsehen zumindest in den Städten schon ein echter Faktor ist, sind die Chinesen völlig wahnsinnig nach der Formel 1. Sie meinen: Wenn du in der Formel 1 bist dann bist du auf der Welt.“ Und dies obwohl der Motorsport zu dieser Zeit noch keine große Tradition im Land der großen Mauer hatte.
Doch eins galt damals wie heute: „Die unsrigen Macher sind natürlich fix und fertig, wenn sie sozusagen quantitativ an die Chinesen denken.“ Eine Einstellung, welche sich auch und gerade jetzt vor dem Debütrennen im Land der 1,3 Milliarden Chinesen in den Aussagen der Autohersteller zeigte.
Im Jahre 1995 war ein F1-GP jedoch noch ferne Zukunft. Trotzdem sponsorte Philip Morris jenes Formel 1 Forum in Peking, welches Berger und Völker ins Reich der Mitte brachte. Auch Mika Häkkinen wurde angekündigt. Doch musste dieser aufgrund seines Horrorunfalls von Adelaide passen.
„In der ersten Euphorie heiß es sogar, Gerhard und Mika würden in ihren Formel 1 Autos den Platz des Himmlischen Friedens umrunden“, erinnert sich Völker, „aber da bekamen die Chinesen rasch kalte Füße. Peking dürfe keineswegs als möglicher F1-Standort propagiert werden, da würde man eher auf den ganzen Zirkus verzichten.“
Jahre danach ist man in Peking nun im Städtekampf mit Shanghai jedoch sauer, dass man zwar selbst die Olympischen Spiele austragen darf, die Formel 1 sowie die Weltausstellung jedoch an Shanghai verloren gingen.
„Egal: Die Chinesen sind Formel 1-narrisch“, stellte Völker schon damals fest. „Gerhard Bergers Vortrag war ein Riesenerfolg. Er hat sich einfach hingestellt und erzählt, wie er lebt und fährt und was er tut und warum. Die wichtigste Frage in der Diskussion war, ob auch Chinesen Formel 1 fahren können. Gerhard glaubt das durchaus.“
Der erste Chinese der einen Formel 1 Boliden fahren durfte, wurde dann Jahre danach der Formel BMW Asia Meister Ho-Pin Tung, der im letzten Jahr in Jerez einen BMW-Williams FW24 testen durfte.
Aber auch McLaren Mercedes hat „seinen“ Chinesen unter Vertrag: Den 20-jährigen Cheng Congfu, von allen nur Frankie genannt, der in diesem Jahr für Manor Motorsport in der britischen Formel Renault fährt. Im Rahmen des Shanghai GP werden die erwarteten 200.000 Zuschauer allerdings nur einen Landsmann bejubeln dürfen: Den Skandalbuchautoren Han Han, der im Rahmen der Formel BMW Asia ein Gastspiel geben wird.
Als Quintessenz der `95er Fragen an Berger liest Völker nur eine Aussage der Chinesen heraus: „Wir wollen, wir wollen, wir wollen...
Neun Jahre später dürfen sie nun auch endlich. Und Gerhard Berger war natürlich wieder als einer der Ersten in Shanghai um dort für seinen Ex-Rennstall Ferrari einige Demorunden zu drehen.
„Ferrari ersuchte mich, ob ich ein paar Eröffnungsrunden in Michael Schumachers Vorjahres-Weltmeister-Ferrari drehen könnte.“, erinnert sich Berger an das Angebot aus Maranello. „Das war sehr nett von Ferrari, dass man in Fiorano an mich gedacht hat, und natürlich hab ich das sehr gern gemacht.“
„Leider war die Strecke regennass, weshalb ich Intermediale-Reifen aufziehen musste, aber fünf Runden haben genügt, dass ich mir ein Bild von diesem phantastischen neuen Formel-1-Abenteuer machen konnte.“ Doch Berger bremst die Euphorie: „Erwartet von mir bitte keine Brems- und Schaltpunkte und Geschwindigkeitsmessungen aus den Kurven. Das war auch nicht die Absicht.“
Ganz anders das überschwängliche Fazit des Tirolers über das Premierenrennen der Königsklasse des Motorsports im Reich der Mitte. „Shanghai wird alle Dimensionen sprengen, von der Rennstrecke her genauso wie von der Stadt“, prophezeit er.
„Die Metropole selbst ist ja gar nicht so chinesisch. Ich würde sagen: New York in China, hochmodern. Du sitzt am Abend in einem der vielen Restaurants, schaust raus auf die Skyline und glaubst, du bist in Manhattan.“
„Und erst die Rennstrecke! Die lange Start-Zielgerade, die aufregenden Baulichkeiten, die Brücken, die sich über die Piste spannen. Mir fällt kein passender Vergleich ein als: Venedig für die Formel 1, Venedig auf Pfählen gebaut - denn darunter ist ja Wasser, das war vorher eine Seenlandschaft.“