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Italienische Geheimniskrämerei

Ferrari lässt sich bei den Wintertests mit dem neuen F2004 nicht in die Karten schauen, die Scuderia testet zumeist allein auf weiter Flur.

Fiorano, Italien. 30. Januar 2004. Die Sonne scheint bei fünf bis zehn Grad Luft- sowie zwei bis 14 Grad Streckentemperatur. Während der amtierende Weltmeister Michael Schumacher seine ersten Runden mit dem neuen F2004 auf der 2,976 Kilometer langen Haus- und Hofteststrecke dreht, leistet ihm – ebenso wie an den beiden Folgetagen – nur der Italiener Luca Badoer in einem F2003-GA Gesellschaft.

Ortswechsel. Autodromo Enzo e Dino Ferrari in Imola, Italien. 4. Februar 2004. Die Sonne scheint, zumindest am Nachmittag, wieder bei vier bis zwölf Grad Luft- und fünf bis 19 Grad Asphalttemperatur. Diesmal muss Michael Schumacher seine Testkilometer auf der 4,933 Kilometer langen Strecke im neuen F2004 an beiden Testtagen ganz alleine abspulen.

Erneuter Szenenwechsel. Autodromo del Mugello, Italien. 7. Februar 2004. Die Sonne ist Regen gewichen und die erste Ausfahrt des Brasilianers Rubens Barrichello im neuen F2004 fällt bei neun Grad Luft- und Streckentemperatur im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Regen beherrscht die ersten beiden der drei geplanten Testtage auf der 5,245 Kilometer langen italienischen Strecke.

Bis zum Saisonstart der neuen Formel 1 Saison am ersten März-Wochenende geht dieses alte Versteckspielchen der Scuderia Ferrari weiter. So testen die Roten zwar auch in dieser Woche seit dem heutigen Dienstag im spanischen Jerez, wie sie in den vergangenen Wochen auch in Barcelona oder Valencia unterwegs waren, doch setzen sie dabei nur auf einen mit neuen Teilen und Reifen ausgestatteten Vorjahreswagen, während der evolutionierte F2004 in der Heimat verweilt.

Entsprechend schwierig einzuschätzen sind die Leistungen und Rundenkorde der Scuderia, welche momentan bei jeder Testfahrt in italienischen Gefilden die Runde machen. „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass Ferrari mit seinem neuen Auto in Italien bleibt. Ist das gut für uns, weil’s Probleme gibt? Ist das schlecht für uns, weil sie sich ihrer Stärke bewusst sind?“ ist sich auch BMW-Williams-Pilot Ralf Schumacher ob der Strategie der Italiener nicht ganz im Klaren. „Egal ob gut oder schlecht, auf jeden Fall macht’s für Ferrari durch die Nähe zur Fabrik in Maranello Sinn.“

Schließlich können so Defekte schneller analysiert, behoben und die modifizierten Teile wieder auf der Strecke ausgetestet werden. Eine gewisse Ungewissheit bleibt aber trotzdem. Und zwar nicht nur bei den Roten, da diese nicht wissen, wo sie im Vergleich zur Konkurrenz und deren neuen Boliden stehen, sondern auch bei jener Konkurrenz – denn schließlich weiß auch diese nicht, wo sie im Vergleich zu Ferrari steht.

„Unabhängig von den angeblichen Bestzeiten des neuen Autos konnte ich in Barcelona bei den Tests mit dem Vorjahres-Wagen erkennen, dass die Reifen offensichtlich besser geworden sind,“ analysiert der Bruder des amtierenden Weltmeisters weiter die aktuelle Leistungsfähigkeit des Ferrari-Bridgestone-Pakets. „Wie es scheint, haben die Roten dadurch eine halbe Sekunde gewonnen, und die könnte uns wehtun – damit hab’ ich ehrlich gesagt nicht wirklich gerechnet.“

Nur ob dies auch mit dem neuen Boliden noch so ist – oder ob es dann sogar noch mehr ist, dass kann keiner sagen, bis die 20 Piloten am 5. März erstmals unter gleichen Bedingungen am gleichen Ort auf die gleiche Strecke gehen werden. Aus Italien gibt es natürlich neben vielen Rundenrekorden und Spitzenzeiten auch jede Menge Lobshymnen auf die neue „rote Göttin“ zu hören.

„Der F2004 besticht durch Zuverlässigkeit aus der Box heraus,“ jubilierte Michael Schumacher beim Roll-Out in Fiorano, während er selbst nach den ersten technischen Problemen in Imola noch sagte: „Wir sind noch immer voll in unserem Plan, daher bin ich auch nach diesen zwei Tagen nach wie vor sehr zufrieden mit dem bisherigen Testverlauf. Das neue Auto macht weiterhin einen guten Eindruck.“

Die ersten Eindrücke von Rubens Barrichello waren dabei nach seinem Mugello Test – wie sollte es auch anders sein – ebenfalls „sehr positiv.“ Bei der sich in Spanien messenden Konkurrenz schätzt der Brasilianer unterdessen vor allem Renault als sehr stark ein.

„McLaren fuhr in Valencia keine aufregenden Zeiten, während sie in Barcelona technische Probleme hatten. Natürlich wissen wir nicht, ob sie mit einer großen Spritmenge gefahren sind, um ihr wahres Potenzial zu verstecken. Wir wissen aber, dass der FW26 auf einer schnellen Runde sehr gut ist, allerdings ist er auf langen Distanzen nicht so stark,“ beurteilt Barrichello die Leistungsfähigkeit der beiden Hauptgegner. „Renault hat unterdessen den größten Eindruck hinterlassen. Schnell auf einer einzelnen Runde und sehr konstant bei Rennsimulationen.“

Was diese Konstanz sowie die Geheimniskrämerei der Scuderia wert sind, wird sich in nicht einmal mehr 25 Tagen im Albert Park zu Melbourne zeigen...

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