Formel 1: News | 14.07.2004
Kein Ende des Überholverbotes in Sicht?
Überholmanöver sind das Salz in der Motorsport-Suppe, doch die Formel 1 kocht in ihren millionenteuren „Suppentöpfen“ seit Jahren salzlos.
Als Salz- sprich Überholsurrogat werden die Boxenstopps aufgetischt, doch könnten diese „passiven“ Überholmanöver in der Box schon sehr schnell der Vergangenheit angehören und wieder „aktive“ Überholmanöver auf der Strecke zu sehen sein. „Der einfachste Weg das Überholen zu fördern ist zugleich der teuerste“, deutet B.A.R-Technikchef Geoff Willis aber auch das damit einhergehende Problem an. „Man muss sich das Streckenlayout ansehen.“
So sind laut Willis viele Streckenlayouts alles andere als überholfreundlich. Der neu ernannte Technikdirektor von Williams-BMW, Sam Michael, nennt hierzu zwei Beispiele: „Einmal Hockenheim, zwischen den Kurven zwei und drei, wo eine 60-70 km/h Kurve auf eine 1,1 km lange Gerade mündet, auf welche wieder eine 60 km/h Kurve folgt. Und das gegenteilige Beispiel ist Barcelona, wo man eine ebenso lange Gerade hat, auf welche aber eine 230 km/h Kurve führt und an deren Ende sich eine 130 km/h Kurve anschließt.“
Was Michael damit sagen will: In Hockenheim gibt es „immer“ Überholmanöver, da die Fahrer dank der weitläufigen Asphaltauslaufzonen etwas riskieren können. In Barcelona gibt es hingegen nur Überholmanöver, wenn jemand in der letzten Kurve einen Fehler macht.
„Deswegen sollte jede neue Strecke eine solche Sektion wie Hockenheim haben“, schlägt der Australier vor. „Man braucht zwar immer noch schnelle Stellen wie in Silverstone und Suzuka, aber irgendwo auf der Strecke muss es auch eine überholfreundliche Sektion geben.“
Da aber trotz des Streckenbaubooms in aller Herren Länder die meisten Grand-Prix-Strecken bereits existieren, schlägt Geoff Willis noch eine andere Möglichkeit vor: „Wenn wir alle die gleichen Motoren und Aerodynamik-Charakteristiken haben, dann gibt es nur wenig, was die Autos voneinander unterscheidet, und somit hat niemand mehr in dem einen oder anderen Streckenteil einen Vorteil gegenüber dem anderen.“
Entsprechend gibt Willis zu bedenken, dass die Formel 1 nicht als „Standard-Formel“ enden dürfe, in welcher alle Autos „bis auf ihre Farben“ gleich aussehen.
Toyotas Technikchef Mike Gascoyne fordert deswegen ein vorsichtiges Herangehen an weitere Regeländerungen. Etwa auch was das Qualifyingformat angeht. „Wenn immer nur die Schnellsten vorne stehen, dann wird natürlich weniger überholt“, schlussfolgert der Toyota-Mann. „Durch die unterschiedlichen Spritmengen und Strategien wurden Fortschritte erzielt, aber man muss mit weiteren Änderungen vorsichtig sein, da härtere Reifen und keine Reifenwechsel zu weniger Überholmanövern führen könnten.“
Pat Symonds, seines Zeichens Chefrenningenieur von Renault, ergänzt: „Überholmanöver sind wichtig, aber sie sind auch sehr schwer zu verstehen. Es ist momentan zu schwierig in der Formel 1 zu überholen.“ Andererseits scherzt Symonds, dass es – aus seiner Sicht – manchmal auch „zu viele“ Überholmanöver geben könne. Etwa wenn sein Schützling Jarno Trulli in der letzten Runde des Frankreich-GP in der allerletzten Kurve von Rubens Barrichello überholt wird...