Formel 1: News | 15.09.2004
Wer tritt das Erbe der Formel 3000 an?
Die klassische Formel 3000 erlebte in Monza ihr letztes Rennen, um die Nachfolge des F1-Sprungbretts buhlen mehrere Formel-Serien.
Nach 26 Runden auf dem Autodromo Nazionale di Monza überquerte der Italiener Vitantonio Liuzzi am vergangenen Samstag als letzter Sieger eines Formel 3000 Rennens sowie letzter F3000-Champion die Ziellinie und zog damit einen Schlussstrich unter die 20-jährige und 206 Rennen andauernde Geschichte des Sprungbretts in die Formel 1.
Doch wo sollen nun die Nick Heidfelds, Juan Pablo Montoyas und David Coulthards dieser Welt ihre ersten Rennerfahrungen sammeln und ihren Weg in die Königsklasse des Motorsports beginnen? Motorline.cc wirft einen Blick auf die größten und wichtigsten Rennserien des kommenden Jahres.
GP2 – Der F3000-Nachfolger steht bereit
Als Quasi-Nachfolger der bisherigen internationalen Formel 3000 Meisterschaft wird im kommenden Jahr die von Renault unterstützte Grand Prix 2 Serie im Rahmen der Formel 1 Rennwochenenden an den Start gehen.
Das Einheits-Chassis der GP2-Boliden wurde dabei von Dallara entwickelt, der Motor stammt von Renault - es handelt sich um eine von Motorenguru Heini Mader vorbereitete 4 Liter-V8-Zylinder-Maschine, die rund 600 PS leisten soll. Darauf angesprochen, dass der GP2-Motor damit fast mehr leistet als die geplanten 2,4 Liter V8 der zukünftigen Formel 1, verteidigte sich Max Mosley wenig überzeugend: „Die GP2-Motoren werden ja auch eher 500 als 600 PS leisten.“
Ein Blick in die Zukunft: Der neue GP2-Bolide.
Der alte Zytek-F3000-Motor leistete hingegen wirklich „nur“ 450 PS, die GP2-Renner sollen demnach pro Runde um nur sechs Sekunden langsamer als die aktuellen Formel 1-Boliden sein. Unterschied zur Formel 1: Elektronische Fahrhilfen gibt es in der GP2 nicht.
Der wesentliche Unterschied zur alten F3000 ist: Auch die GP2-Piloten werden mit den Rillenreifen der Königsklasse Bekanntschaft machen. Schließlich sollen die Bedingungen sollen möglichst jenen der modernen F1 entsprechen. Gummigigant Bridgestone wird die neue Aufsteigerformel mit dem schwarzen Gold versorgen.
Bruno Michel ist der Organisator der GP2 – er möchte die neue Rennserie für die Fans greifbarer gestalten, nicht nur bei einem „Tag der offenen Tür“ wie zuletzt in Lyon, sondern ständig. Der „Bernie Ecclestone der GP2“ erklärt: „Die GP2-Serie hat die klare Absicht, das Publikum in allen Belangen näher einzubeziehen. Unsere Meisterschaft wird im kommenden Jahr starten und wir arbeiten zurzeit an Ideen, wie wir die Fans an den Rennstrecken zu jeder Zeit näher an die Action bringen können.“
Die GP2-Serie wird wie ihre Vorgängerin von der FIA als Technischer und Sportlicher Regulator betreut werden. Sogar Formel 1-Zampagno Bernie Ecclestone war von Beginn an von der neuen Serie begeistert und hat bei deren Etablierung mitgeholfen. Für die aufstrebenden Piloten soll sie im Gegensatz zu den recht schwerfälligen Formel 3000-Autos eine wesentliche Verbesserung sein – die Autos sind stärker und entsprechen viel eher jenen der Königsklasse.
Die Formel 3000 litt in ihren letzten Jahren an Zuschauer-, Teilnehmer- und vor allem an Attraktivitätsschwund. Bei Dallara wird bereits heftig gebaut, denn im Oktober sollen die ersten Boliden an die Rennställe geliefert werden. 30 Exemplare wurden bestellt. Von Oktober bis Dezember sollen offizielle FIA-GP2-Testfahrten auf den Strecken von Jerez, Barcelona und Estoril stattfinden. Ein offizieller Rennkalender ist derzeit noch nicht vorhanden, die Serie soll aber wie die F3000 im Formel 1-Rahmenprogramm abgehalten werden.
Während des ersten Shakedowns des neuen Boliden sowie der ersten fünftägigen Testfahrten nahm im südfranzösischen Le Castellet Ende Juli noch Renault-F1-Testfahrer Franck Montagny in einem dunkelblau lackierten GP2-Boliden Platz.
„Das Chassis reagierte auf alle Veränderungen sehr gut und die Balance war ebenfalls konstant gut“, konstatierte der Franzose nach dem ersten Test. „Er ist stabil in schnellen Kurven und beim Bremsen“, so Montagny weiter. „Die Traktion ist auch in Ordnung. Aus Fahrersicht ist auch die aerodynamische Effizienz eine schöne Erfahrung, besonders der Ground Effect.“
GP2 Facts:
Rennen: Noch kein offizieller Rennkalender
Teams: unbekannte Anzahl
Fahrer: unbekannte Anzahl
Fahrzeug: Einheitschassis von Dallara
Motor: Renault V8 mit rund 600 PS
Reifen: Bridgestone (Rillenreifen)
Superfund Euro 3000 Serie – Eine 3000 bleibt erhalten
Fristete die Formel 3000 Europameisterschaft in den vergangenen Jahren eher ein Schattendasein neben der Formel 1 oder anderen Rennserien wie der Nissan World Series, so entwickelte sich die Euro3000 im letzten Jahr zu einer höher angesehenen Rennserie als die internationale F3000. Für die Saison 2004 brachte die Namensänderung zur Superfund Euro 3000 Meisterschaft samt der größeren TV-Präsenz noch einen weiteren Schub für die aufstrebende Rennserie mit sich.
Nach dem Ende der internationalen F3000 bleibt nur noch die Euro3000 übrig.
Dabei schafften es schon Felipe Massa oder Gianmaria Bruni in der Vergangenheit aus der mit 470 PS Zytek Motoren ausgestatteten Euro3000 in die Königsklasse des Motorsports aufzusteigen. Um diese Quote auch weiterhin aufrecht zu erhalten, winkt dem Sieger der 2004er Meisterschaft auch eine „Superlizenz“ für die Formel 1 – sowie schlappe 10.000,- Euro pro Rennsieg.
Ausgetragen wird die Serie in diesem Jahr an zehn eigenständigen Dreitagesrennwochenenden, für die kommende Saison wird neben den zehn Wertungsläufen auch noch ein zusätzliches nicht zur Meisterschaft zählendes Ovalrennen geplant.
Überhaupt soll sich die Serie im kommenden Jahr stark verändern: Denn während die Slick-Reifen von Avon bleiben, sollen die Boliden im kommenden Jahr mit einem stärkeren 650 bis 700 PS V10-Aggregat ausgestattet werden. Und auch das Chassis soll ersten Ankündigungen zu Folge ein „spannendes und innovatives Design“ aufweisen.
„Man sieht, dass diese Serie sehr professionell angepackt und vermarktet wird“, urteilte F1-Pilot Nick Heidfeld für f1welt.com über die Euro3000 Serie, in welcher sein Bruder Sven als einziger Deutscher aktiv ist. „Aber wie bei allen anderen auch, muss man schauen wie sich das über die nächsten Jahre hinweg entwickelt.“
Mathias Lauda hat den Vergleich der zwei F3000-Boliden
Ein weiterer klangvoller Name in der Euro3000 Serie ist in diesem Jahr Mathias Lauda, der nebenbei allerdings auch noch in der internationalen F3000 unterwegs war und somit einen perfekten Vergleich der beiden Rennserien anstellen kann: „Die Wagen sind ungefähr gleich“, verriet der Sohn von Dreifachweltmeister Niki Lauda im Gespräch.
„Die F3000 ist ein bisschen schwerer, weil das freie Training sehr kurz ist. In der Euro 3000 ist das leichter, weil man freitags ein freies Training hat, samstags 45 Minuten und dann das Qualifying. In der internationalen Meisterschaft ist halt nur das Training und dann kommt sofort das Qualifying.“
„Davor bin ich Formel Nissan Light gefahren und das war wie ein Formel-3-Wagen“, erinnert sich Lauda an seine Zeit in der Unterkategorie zur Nissan World Series zurück. „Aber hier sind die Wagen schon irrsinnig anstrengend zu fahren. Man muss sich über den Winter gut vorbereiten.“
Unterstützt werden diese Aussagen von Laudas Landsmann Bernhard Auinger, der für uns das Fahrgefühl in einem Euro3000-Boliden erklärt. „Die Lenkung ist sehr schwierig, speziell in den schnellen Kurven, wie die Eau Rouge oder Blanchimont in Spa“, gibt uns Auinger zu Protokoll. „Es sind hier etliche schnelle Kurven und da merkt man schon, wenn es sehr anstrengend wird. Aber dafür bekommen wir ja Geld, damit wir im Winter und Sommer trainieren. Generell muss die Fitness sehr hoch sein."
Superfund Euro 3000 Facts:
Teams: 10 (2004)
Fahrer: 19 (2004)
Rennen: 10 + 1 Ovalrennen ohne Meisterschaftsstatus (2005)
Fahrzeug: 2004er Saison Motor: Zytek-Judd 3 Liter V8 (470 PS, 2004 / V10 mit 650 – 700 PS, 2005)
Getriebe: Lola-Fünfganggetriebe
Reifen: Avon (Slicks)
A1GP – Der Länderkampf im Mittleren Osten
Ab September 2005 soll es eine neue und mit dem FIA-Sanktus versehene Formelrennserie geben, welche über den Winter zwischen September und April in sonnigen Gebieten, vornehmlich Asien und Australien, ausgetragen werden soll. Die neue „A1 Grand Prix“-Serie soll dabei als eine Art „Weltcup des Motorsports“ fungieren und stellt ein „Kind“ des Scheichs mit dem kompakten Namen Sheikh Maktoum Hasher Maktoum Al Maktoum dar.
30 Einheitschassis der Firma Lola sollen zum Einsatz kommen. Der Prototyp sieht recht schnittig und passender Weise auch irgendwie orientalisch aus. Und: Es gibt keine elektronischen Fahrhilfen sowie nur limitierte Setup-Einstellungen. Angetrieben werden die Boliden von einem Langford 3,4 Liter-Motor, der rund 485 PS leisten soll.
Und da der Scheich natürlich reich ist, wird jedem antretenden Team ein Franchise zugestanden, jedes Team tritt für eine Nation an, die Boliden werden in den Nationalfarben lackiert. Die Sponsoren und auch die Fahrer müssen dieser Nationalität entsprechen.
Während hierbei 23 Staaten ein festes Recht auf einen Starter haben werden, darunter auch Deutschland, aber auch Argentinien oder Kanada, sollen sieben weitere Plätze zur freien Verfügung stehen. „A1 Grand Prix“ wird dabei für die komplette Infrastruktur, den Transport des Equipments und für „maximale TV- und Medienpräsenz“ sorgen. Ein Paradies auf Bernies Erden also...
Ausgetragen sollen die Rennen an jenen Orten werden, an denen zur Zeit der Winterpause der Formel 1 ein sonniges Klima herrscht. In Dubai, Bahrain, Qatar, China, Südafrika, Malaysia und Australien werden die Rennen abgehalten.
Ein Rennwochenende wird folgendermaßen ablaufen: Am Freitag wird frei trainiert. Am Samstag gibt es neben dem Freien Training ein Qualifying. Am Renntag gibt es ein 15 bis 20 Minuten dauerndes Sprintrennen, welches die Startpositionen für den 40 bis 50 Minuten dauernden Hauptlauf generieren wird. Zudem sollen ein bis zwei Rahmenrennen das Geschehen abrunden.
Welche Piloten in den Boliden sitzen werden, ist noch nicht bekannt. Im Management aber sitzt mit Stephen Watson ein ehemaliger Formel 3000-Pilot, der auch schon Formel 1-Boliden getestet hat. Der Südafrikaner fungiert als Generalmanager und zeigte sich nach den ersten rund 2.000 absolvierten Testkilometern zufrieden: „Wir konnten schneller als die F3000-Zeiten [aus dem November und Februar, d. Red.] fahren – und dies bei sehr viel wärmeren Temperaturen. Ich bin sehr zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen.“
Ähnlich zufrieden zeigte sich auch der Ire und frühere Jordan-Pilot Ralph Firman, der den neuen A1GP-Boliden im südspanischen Jerez de la Frontera testen durfte. „Ich habe großes Vertrauen in das Auto. Es ist wundervoll wieder im Cockpit eines solch starken Single Seaters zu sitzen.“
A1GP Facts:
Rennen: bislang 7 geplante Austragungsorte
Teams: 23 + 7 Länder
Fahrer: 23 + 7
Fahrzeugchassis: Lola
Motor: Zytek 3,4 l V8 mit 520 PS
Getriebe: 6-Ganggetriebe
Premier1 GP – Das abschreckende Beispiel
Als abschreckendes Beispiel für alle neuen Rennserien wie die A1GP oder die GP2-Serie sollte unterdessen die schon vor Jahren angekündigte Premier1GP-Serie gelten, welche im Vergleich zur A1GP Serie mit nicht minder unkonventionellen Ideen auftrumpfen wollte.
Die Club-Meisterschaft entwickelte sich zur großen Fata Morgana.
Zugrunde lag 'Premier1 Grand Prix' dabei eine Idee, die erstmals im August 2000 von sich reden machte, als berichtet wurde, dass Colin Sullivan an einer Rennserie werkele, die ein bisschen vom Erfolg der 'großen' Formel 1 abknabbern wolle. Gut ein Jahr danach, erteilte die FIA im Oktober des Jahres 2001 ihr offizielles - wenn auch vorerst nur provisorisches - Einverständnis für Sullivan's neue Serie, in der die Fahrer in den Farben von Fußball-Clubs an den Start gehen sollten.
Doch seit dem 3. Oktober des Jahres 2002, dem Tag der letzten Pressemitteilung von Premier1 Grand Prix, welche allerdings selbst auch nicht mehr als Durchhalteparolen enthielt, ist es ruhig geworden um die ehemals neue Rennserie die dereinst noch als „aufregendes neues Unternehmen, dass nicht nur ein fantastisches Sportspektakel darstellen, sondern vor allem weitreichende Marketing-Möglichkeiten offerieren wird“ angepriesen wurde.
Die schier unerschöpflichen Möglichkeiten der Premiere1GP Serie wurden mittlerweile allerdings so weitreichend, dass die zuständige PR-Agentur der Serie keine Nachrichten mehr erhielt, die Website sang und klanglos verschwand und die Verantwortlichen sich zu diesem Thema lieber ausschwiegen...