Kommentar: Zum Transfer von Alonso | 19.12.2005
Hersteller kommen, Hersteller gehen...
Gerüchten zufolge könnte der mögliche Rückzug von Renault ein Grund für den Alonso-Transfer sein. Die Hersteller und der Sport - und dazu auch noch die FIA...
Michael Noir Trawniczek
Niemals hätte man Montagmittag erraten, welche Sensationsmeldung soeben für offene Münder im Formel 1-Medienwald gesorgt hat. Hätte man jedoch als einen kleinen Hinweis den Namen Carlo Ghosn erwähnt, und darauf aufmerksam gemacht, dass der Renault-CEO den Rückzug aus der Formel 1 in Erwägung zieht, wäre es um einiges leichter gefallen, auf den Schachzug von Fernando Alonso zu tippen.
Carlo Ghosn ist seit April dieses Jahres der neue CEO bei Renault. Vor einem Monat erklärte Ghosn in Paris: "Unser Ziel lautet, unser siegreiches Formel 1-Team mit jenen Modellen zu assoziieren, die wir auf dem Markt anbieten." Es geht Ghosn in erster Linie nicht darum, möglichst viele Weltmeisterschaften zu gewinnen, sondern darum, möglichst viele Straßenautos zu verkaufen. Und das natürlich mit dem geringsten Aufwand, Ghosn soll mit der Kosten-Nutzen-Rechnung des F1-Engagements unzufrieden sein. Der Renault-Präsident gilt als Sparmeister, der Brasilianer will Anfang Februar einen Dreijahresplan für die künftige Konzernstrategie verlautbaren. Kurz gesagt: Die F1-Zukunft von Renault ist ungewiss.
Und mit diesem Hintergrund ist es einleuchtend, dass sich Fernando Alonso woanders umgeschaut hat. Und dass er McLaren-Mercedes gewählt hat, ist aus vielerlei Gründen nachvollziehbar. Auf sportlicher Ebene galt der McLaren schon heuer als das stärkste Auto. Und auf finanzieller Ebene hat sich McLaren-Boss Ron Dennis soeben auf Rosen gebettet. Der Rennfuchs angelte sich den bisherigen Ferrari-Geldgeber Vodafone als neuen Titelsponsor, von 2007 bis 2012. McLaren-Mercedes schöpft also weiterhin aus dem Vollen.
Das große Spekulieren
Bei McLaren-Mercedes wird sich mindestens einer der beiden Einsatzpiloten verabschieden, weder Kimi Räikkönen noch Juan Pablo Montoya verfügen über einen Vertrag für 2007. Die Situation ist prekär. Für die Saison 2007 haben nur die beiden Honda-Piloten Jenson Button und Rubens Barrichello, Ralf Schumacher (Toyota), Nick Heidfeld (BMW-Sauber), Nico Rosberg (Williams) und eben Fernando Alonso einen gültigen Vertrag. Das große Spekulieren ist eröffnet - die Silly Season 2007 beginnt, ehe die Saison 2006 eröffnet wurde. Die große Frage lautet: Wer fährt 2007 bei Ferrari? Was macht Michael Schumacher? Was macht Kimi Räikkönen? Angeblich hat der Finne ja bereits einen Vorvertrag bei Ferrari unterschrieben. Was ist mit Valentino Rossi, wagt er den Sprung in die Formel 1? Hier könnte man noch tagelang weiterfragen und nahezu alles ist möglich...
Doch interessant ist auch ein anderes Thema: Flavio Briatore ist nicht nur der Teamchef von Renault, sondern auch der Manager von Fernando Alonso. Briatore war wohl in den Transferdeal involviert, bei McLaren wird Alonso fürstlich bezahlt - und Briatore schneidet kräftig mit. Und so ist es auch verständlich, dass der Renault-Teamchef den Finnen Heikki Kovalainen nicht an BMW ausleihen wollte und dem Youngster einen zu 90 % fixen Rennplatz bei Renault zusicherte. Außerdem hat Briatore auch noch Mark Webber in seinem Fahrerstall - der Australier könnte 2007 bei Renault fahren. Wenn es Renault dann überhaupt noch geben sollte. Es ist durchaus nicht unmöglich, dass Briatore bereits weiß, dass ab 2007 Schluss ist.
Die Hersteller: Es lebe der Sport?
Die kolportierten Rückzugsabsichten von Renault zeigen die Problematik der Formel 1. Die Hersteller fühlen sich nicht dem Sport gegenüber verpflichtet, für sie zählt nur der Absatz an Straßenfahrzeugen. Taugt das Vehikel Formel 1 nichts für den Verkauf, wird das F1-Team einfach zugesperrt. Hinzu kommen die hohen Kosten, welche die Königsklasse verschlingt. Dagegen will FIA-Präsident Max Mosley bekanntlich ankämpfen - doch er tut es mit höchst umstrittenen Mitteln. Seine Regeländerungen kastrieren die F1 - und mitunter sind sie derart konfus, dass sie im Endeffekt noch mehr kosten. Das Image der Formel 1 leidet unter der Tatsache, dass der Sport respektive der Fahrer in den Hintergrund gerückt ist. Zugleich rückt aber auch die Technik insofern immer mehr in den Hintergrund, als dass sie vereinheitlicht wird.
Schon seit Jahren versucht Max Mosley, die Formel 1 respektive den Motorsport zu verbessern - doch es scheint immer schlechter zu werden. Die F1 ist immer noch teuer. Die F1 hat immer noch ein Überholproblem. Die F1 hat derart viele Regeländerungen hinter sich, sodass viele Fans das Interesse verlieren. Und das, obwohl die Saison 2005 so spannend war wie schon lange nicht. Mit dem CDG-Wing und der Rückkehr zu Slicks möchte Mosley den Fahrer und den Sport wieder in den Vordergrund rücken. Doch zugleich wurden die V8-Motoren derart nieder reglementiert, dass die Hersteller Millionen ausgeben, um im Prinzip den gleichen Motor zu bauen. Und auch sonst ist das Regelwerk der Formel 1 engmaschig, sodass jede Eigenständigkeit im Keim erstickt wird. Von ihrer früheren Vorreiterrolle für die Serie, welche die F1 früher einnahm, ist praktisch nichts mehr übrig geblieben.
Mit Williams gibt es de facto nur noch ein Privatteam. Der Rest besteht aus den Herstellern, denn auch jene drei Teams, die von Getränke- und Stahlkonzernen geführt werden, beziehen ihre Motoren von den Herstellern. Jenen Herstellern, die sich einfach zurückziehen, wenn sich der Aufwand nicht mehr lohnt oder man von der Sportbehörde genug hat. Man hat in der Rallye-WM gesehen, was passiert, wenn die Hersteller nicht mehr wollen. Unter der Regentschaft von FIA-Präsident Max Mosley wird es 2006 eine Rallye-WM mit nur zwei wirklichen Herstellerteams geben. Davon ist die Formel 1 zwar noch weit entfernt, dort droht dafür immer noch die eigene Herstellerserie...
Die Lösung kann nur sein, dass man einerseits dem fahrerischen Können wieder mehr Raum gibt und zugleich trotz Kostenreduktion auch in punkto Technik wieder mehr Freiräume (beispielsweise in der Vielzahl von Motorenkonzepten - warum keinen Wasserstoffmotor?) schafft. Das ist zwar ein schwieriger Spagat, aber unmöglich wäre das nicht. In die Formel 1 ist doch alles möglich, oder nicht?