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Formel 1: Hintergrund

Reifenregeln für 2009 werfen Fragen auf

Die Piloten befürchten mehrheitlich ein Verbot der Reifenwärmer - im Qualifying droht ein gefährlicher Speed-Unterschied. Dazu kommen Aufwärmprobleme bei den Slicks.

Michael Noir Trawniczek

Vom 14. bis zum 17. April wird Bridgestone die Formel 1-Teams erneut mit den profillosen Slickreifen ausrüsten - im Rahmen von Testfahrten auf dem Circuit de Catalunya nahe Barcelona sollen für das ab 2009 geplante Comeback der Slicks erneut Erfahrungswerte eingesammelt werden.

Ein Jahrzehnt lang fuhr die Formel 1 nun mit den Rillenreifen - damit wollte die FIA die Kurvengeschwindigkeit senken. Doch die Reduktion der Reifenauflagefläche hat die Autos noch mehr vom aerodynamischen Abtrieb abhängig gemacht...

Womit das viel zitierte "Überholproblem" verstärkt wurde: Im Windschatten verlieren die Boliden derart an Abtrieb, sodass sie zu schlingern beginnen - die Piloten können sich nicht mehr ans Heck das Vordermanns saugen und nach einiger Zeit einen oder mehrere Überraschungsangriffe starten. Sie müssen einen gewissen Abstand zum Vordermann halten und in einem günstigen Moment ein Manöver wagen. Oft ist dieser günstige Moment dann jedoch der Boxenstopp - ein so genanntes "passives Überholmanöver" über die Boxenstrategie ist nicht mit dem Risiko verhaftet, in der "Dirty Air" des Konkurrenten die Kontrolle über das an Abtriebmangel leidende Auto zu verlieren...

Nachdem eine Technische Arbeitsgruppe, bestehend aus aktiven Formel 1-Konstrukteuren, bei Windkanaltests mit zwei Fahrzeugen Lösungen zur Minderung der "Dirty Air" herausgearbeitet hat, korrigiert die FIA ihren bisherigen Kurs: Schon ab 2009 werden die vielen Zusatzflügel an den Boliden streng gestutzt, auch der Diffuser wird beschnitten - sodass ein Verfolger künftig wieder mehr Luftstrom auf den Frontflügel und somit mehr aerodynamischen Abtrieb erhält.

Schwierige Aufwärmphase bei den Slicks

Dafür sorgt eine andere geplante Neuerung für Kopfzerbrechen bei Piloten und Reifenfirma: Das Verbot der Heizdecken zur Aufwärmung der Reifen. Zudem gab es bei ersten Tests mit den Slicks der Generation 2008, im Dezember des Vorjahres, generell Probleme mit der Aufwärmphase der profillosen Pneus.

Bei den geplanten Testfahrten auf dem Circuit de Catalunya nahe Barcelona sollen drei verschiedene Mischungen evaluiert werden. Bridgestone-Entwicklungsleiter Hirohide Hamashima erklärt: "Derzeit denken wir über die Bandbreite unserer Gummimischungen nach. Und wir wollen uns die Aufwärmphase der Reifen genau ansehen. Im Winter hatten wir ein Problem mit der Aufwärmphase, viele Fahrer zeigten sich diesbezüglich besorgt."

Ungleichgewicht & Speedunterschied

"Die Aufwärmphase war zu lang", geht Hamashima ins Detail: "Es gab zudem ein Ungleichgewicht, weil sich die Hinterreifen schneller erwärmt haben. Nach zwei oder drei Runden also waren die Vorderreifen kalt und die Hinterreifen heiß. Daher bauten die Hinterreifen ein wenig ab, bevor die vorderen Pneus zu arbeiten begannen - was das Fahren erschwert hat."

David Coulthard, einer der drei Direktoren der Fahrervereinigung "Grand Prix Drivers Association" (GPDA), bestätigte gegenüber Autosport die massiven Bedenken der Fahrer, was das geplante Verbot der Heizdecken anbelangt: "Ich bin sehr besorgt über den Temperaturunterschied der Reifen zwischen den Autos, speziell im Qualifying. Ich habe mit einigen Fahrern gesprochen und sie sind alle der gleichen Meinung - dass es doch ziemlich gruselig ist, wenn ein Pilot ohne Heizdecken mit kalten Reifen auf die Piste fährt und andere Autos gerade mit heißen Pneus auf einer schnellen Runde sind. Da ergibt sich einfach ein derart großer Geschwindigkeitsunterschied."

Heikle Situation

Eben erst wurde im Qualifying für den Grand Prix von Malaysia in Sepang offensichtlich, wie gefährlich solche Geschwindigkeitsunterschiede sein können: Am Ende des seit Saisonbeginn veränderten Qualifyings fahren die Piloten extrem langsame Outlaps, um möglichst viel Sprit für das Rennen zu sparen - während sich andere Piloten noch auf ihrer Qualifikationsrunde befinden. Nick Heidfeld lief auf die beiden langsam fahrenden McLaren-Piloten auf, es kam zu einer brenzligen Situation aufgrund des Geschwindigkeitsunterschieds. Es war offensichtlich, dass hinter dem Manöver keine Absicht dahintersteckte - dennoch wurden Hamilton und Kovalainen um je fünf Startplätze zurückversetzt. Immerhin jedoch reagierte der Technische Delegierte der FIA mit der Einführung einer Mindestrundenzeit auf Outlaps.

Zanardi Opfer kalter Reifen

Der Geschwindigkeitsunterschied aufgrund der unterschiedlichen Reifentemperaturen ist zwar nicht so groß wie er im Qualifying aufgrund der neuen Regeln war - dafür wiederum können die Piloten mit den kalten Reifen gar nicht schneller fahren.

Wie gefährlich das Fahren mit kalten Reifen ist, wurde 2001 beim Champ Car-Rennen auf dem deutschen Lausitzring auf tragische Art und Weise demonstriert: Alex Zanardi kam frisch aus der Box, drehte sich mit den noch kalten Reifen unglücklicherweise so, dass der Wagen direkt vor den Bug von Alex Tagliani kreiselte - bei dem fürchterlichen Frontalzusammenstoß verlor Zanardi beide Beine.

Wenn im Qualifying ein Pilot auf seiner schnellen Runde auf einen Wagen mit kalten Reifen aufläuft, tut sich dieser zudem noch schwerer, eventuell mit einem Manöver rechtzeitig auszuweichen, da ein Wagen mit kalten Reifen bei plötzlichen Manövern zum Ausbrechen neigt.

Stadtkurse & Sprintqualifying

Vor allem auf Stadtkursen wie in Monaco oder einem der neuen Stadtkurse wie in Singapur oder Valencia könnte der Geschwindigkeitsunterschied zu gefährlichen Situationen führen - die beiden neu hinzugefügten Strecken sind zudem um einiges schneller als die Traditionsstrecke im Fürstentum.

Natürlich: In der Zeit vor der Einführung der Heizdecken mussten die Piloten auch darauf achten, mit kalten Pneus niemandem im Wege zu stehen. Der Unterschied ist jedoch: Der frühere Qualifyingmodus war so ausgelegt, dass die Fahrer binnen einer Stunde ihre schnellen Runden drehen konnten. Das heutige KO-Qualifying sieht jedoch vergleichsweise kurze Sprint-Sessions vor, wodurch sich wesentlich mehr Fahrzeuge auf Zeitenjagd befinden.

Weil Formel 1-Autos, welche aufgrund von noch kalten Reifen langsam um den Kurs fahren, ohnehin keine "Show" im Sinne von gutem Sport liefern können, was beispielsweise das Verbot der elektronischen Fahrhilfen sehr wohl konnte, sollte man wohl eher vom Verbot der Heizdecken abrücken. Denn brenzlige Situationen, welche die Piloten mutwillig in Gefahr bringen, dürfen nicht als Verbesserung der "Show" betrachtet werden.

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