Formel 1: Die Akte Mosley | 07.04.2008
Nazi oder nicht Nazi oder Nazi-Opfer?
Max Mosley sieht in seinen sexuellen Vorlieben keinen Grund, zurückzutreten. Eine Prostituierte behauptet, er habe definitiv ein "Nazi-Motiv" bestellt.
Michael Noir Trawniczek
Für den Sonntag hat News of the world, die Zeitschrift erscheint nur am Sonntag, neue Enthüllungen zur Affäre Mosley angekündigt. Wer diesen Artikel gelesen hat, spürt eine gewisse Verachtung für Max Mosley und einen unbändigen Willen, ihn zu zerstören. Nazi-Abzeichen, einen tatsächlich Nazi-Befehle schreienden Mosley oder ähnliches konnten nicht aufgewiesen werden. Dafür wurde eine der Prostituierten zitiert, die an der Orgie teilgenommen hat. Laut ihren Angaben soll Mosley klipp und klar ein Szenario mit Nazi-Motiv bestellt haben. "Max wusste, dass die Orgie ein Nazi-Motiv haben würde - er hat es schließlich bestellt", sagt die anonym bleibende Frau. Zuvor hat Mosley in einem Schreiben an den ADAC erklärt: "Es versteht sich von selbst, dass das sogenannte Nazi-Element reine Erfindung ist."
Es hat sich also herausgestellt, dass in dem fünf Stunden andauernden Video kein Beweis für eine nationalsozialistische Wiederbetätigung zu finden ist. Auch sind die verwendeten Uniformen neutral und ohne Nazi-Schleifen oder ähnlichem versehen. Dass die Szenen und auch die Uniformen an die Gräueltaten der Konzentrationslager erinnern, war von Anfang an klar. Stellt sich die Frage: Wenn es so viel Material über Mosley gibt, warum wurde dann nicht seine Bestellung eines "Nazi-Motivs" festgehalten?
Laut Bild wurde Mosley sieben Wochen lang beschattet, sein Telefon und sein Computer sollen angezapft worden sein. Mit streichholzschachtelgroßen Minikameras, die in der Kleidung der Prostituierten versteckt worden sein sollen, wurde das Szenario in der Wohnung in Chelsea angeblich gefilmt. Die anonyme Prostituiert behauptet jedoch, Mosley solle auch selbst das Szenario auf Videokamera festgehalten haben...
"Max tut mir sehr leid"
Wie auch immer - die anonyme Prostituierte behauptete auch, dass Mosley solche Aktionen rund viermal im Jahr bestellt habe, wobei er das Szenario wie ein Drehbuch bestimmt haben soll. Die letzte Session soll 3170 Euro gekostet haben. "Keiner zahlt so viel Geld, ohne genau festzulegen, wer was zu tun hat. Es waren nicht immer Nazi-Szenen, es gab auch normale Gerichts-Szenen, wo Max hart verprügelt wurde - er wurde mit jedem Hieb erregter", wird die Dame zitiert. Sie würde Mitleid für Max Mosley empfinden, fügte sie hinzu: "In seiner Kindheit muss etwas schief gelaufen sein. Seine Eltern waren Nazis - das muss ihn sehr mitgenommen haben. Max tut mir sehr leid."
"Ich habe nichts Falsches getan"
Ganz anders stellte zuvor Mosley selbst seine sexuelle Neigung dar - in einem Brief an den ADAC erklärte Mosley. "Ich habe nicht Falsches getan. Wenn ich auf einer öffentlichen Straße zu schnell oder über dem Alkohollimit gefahren wäre, selbst in Schweden, wo das Alkohollimit sehr niedrig ist, dann hätte ich noch am selben Tag zurücktreten müssen." Auch wenn seine sexuellen Vorlieben für manche Menschen "für manche inakzeptabel" seien, wären seine Aktionen mit den Prostituierten "harmlos und völlig legal" gewesen. Mosley fügte hinzu: "Viele Leute haben in ihren Schlafzimmern Gewohnheiten, die andere widerlich finden. Solange diese privat bleiben, regt sich niemand darüber auf. Der Angriff ist nicht das, was ich getan habe, sondern die Tatsache, dass es öffentlich geworden ist. Ich selbst habe dabei keine Rolle gespielt, sondern ich habe alles versucht, um sicherzustellen, dass die Angelegenheit privat bleibt. Ich bin das Opfer einer ekelhaften Verschwörung."
Schließlich schloss Mosley sein Schreiben mit den Worten ab: "Ich denke nicht, dass dies Auswirkungen auf meine Arbeit für die Sicherheit im Motorsport, die Umwelt oder den Sport generell haben sollte. Ich finde, im 21. Jahrhundert sollten wir uns nicht um das Sexleben von Erwachsenen kümmern, solange dieses legal und harmlos abläuft. Diese Ansicht werde ich der FIA-Generalversammlung mitteilen."
Ihre Gesinnung, Herr Mosley?
Mosley hat in so fern Recht, als dass die Videoaufnahmen keinerlei Hinweis auf illegale Betätigungen geben. Das "Nazi-Motiv" bleibt also in den Köpfen der Menschen, die aufgrund der Bilder an die Konzentrationslager erinnert wurden - aber es ist auch nicht verboten, sexuelle Rollenspiele in Andeutung auf eine dermaßen harte Gefangenschaft durchzuführen. Was Mosley uns immer noch schuldig blieb, ist die Frage, warum ihn solche Szenarien derart erregen. Obwohl es niemanden etwas angeht, müsste er nun Farbe bekennen, sollte er in seiner Kindheit traumatisiert worden sein. Ein simpler Hinweis auf eine grausame Kindheit und eine klare Distanzierung vom Gedankengut der Nazis könnten vielleicht verhindern, dass er selbst als Nazi in die Geschichte eingehen wird. In diesem Zusammenhang müsste auch die Mitgliedschaft in der von seinem Vater Oswald Mosley gegründeten Faschistenbewegung "Union Movements" klar kommentiert und erklärt werden.
Unterdessen wurden immer mehr Stellungnahmen gegeben, die den Rücktritt des FIA-Präsidenten fordern, darunter auch eine vom amerikanischen Automobilklub. Zuletzt sagte der mehrfache Grand Prix-Sieger Jacky Ickx gegenüber Welt Online: "Unabhängig davon, wie die Geschichte zustande gekommen ist, hat Mosley seinen Hut zu nehmen. Er kann nicht einem solchen Verband weiter vorstehen. Obwohl ich das bedauere, weil Mosley ein guter Präsident war."
News of the World erklärte, dass fünfstündige Videomaterial an den FIA-Senat senden zu wollen - dieser soll in rund einem Monat zu einer von Mosley selbst einberufenen außerordentlichen Generalversammlung zusammentreffen. Ob er dort die Vertrauensfrage stellt, liegt laut den Statuten an ihm selbst.