
F1 Launches 2009: Analyse | 23.01.2009
Alles eine Frage der Perspektive – und der Funktionalität…
Viele Fans können sich mit der neuen Optik der F1-Boliden nur schwer anfreunden – werden wir uns daran gewöhnen? Wird das Konzept funktionieren?
Michael Noir Trawniczek
„Potthässlich“ seien sie, die neuen Formel 1-Boliden der Generation 2009 – so lautet die einhellige Meinung der Fans in den Internetforen. Wenn man die plumpe Schnauze des neuen Renault R29 betrachtet, muss man den Leuten Recht geben – etwas Hässlicheres hat die moderne Formel 1 schon lange nicht mehr ansehen müssen. Andererseits könnte man auch die Frage stellen: Wann war ein Renault jemals schön? Und war nicht auch der schnelle Benetton von Michael Schumacher alles andere als ein hübsches Fahrzeug?
Schönheit ist zudem relativ – und vor allem eine Frage des persönlichen Geschmacks. Gewöhnungsbedürftig sind bei den neuen Formel 1-Fahrzeugen die schmalen und hohen Heckflügel. Doch der Mensch ist ein Gewohnheitstier – und es ist anzunehmen, dass die Heckspoiler in einem halben Jahr in vielen Gehirnen als eine Gegebenheit einprogrammiert sein werden.
Zumal bereits jetzt einige Autos recht harmonisch aussehen, der neue Toyota TF109 beispielsweise wirkt gelungen - oder auch der neue McLaren-Mercedes MP4-24, der neue BMW Sauber F1.09 und zum Teil auch der Ferrari F60 wirken doch recht schnittig. Wobei diese Frage auch von der Perspektive abhängt. Von der Seite beispielsweise könnte man sogar den Renault gerade noch „durchgehen“ lassen…
Wird das Überholen tatsächlich erleichtert?
Unabhängig vom Aussehen der neuen Fahrzeuggeneration wird man diese vor allem daran messen, ob die neuen Technikregeln tatsächlich das Überholen erleichtern werden. Von vorne bzw. von oben betrachtet erkennt man eindeutig die Absicht hinter diesen Regeln. Der Wirkungsbereich von Front- und Heckflügel wurde quasi strikt getrennt – man erkennt eine gedachte Linie von jenem Bereich der Front, an der kein Flügelprofil erlaubt ist – das ist genau jener Bereich, der dem schmalen Heckflügel zusteht. Es gibt also in der Mitte den Bereich für den Heckflügel, links und rechts davon arbeitet das Profil des Frontwings, der dafür verbreitert wurde. So nimmt also der Heckflügel dem hinterher fahrenden Fahrzeug keinen Abtrieb für dessen Frontspoiler mehr weg – zumindest auf den Geraden. In den Kurven freilich gestaltet sich das Ganze dann doch komplizierter – man kann nur hoffen, dass die „Arbeitsgruppe Überholen“, bestehend aus hochgradigen F1-Aerodynamikern ganze Arbeit geleistet hat. [siehe Bild des BMW Sauber F1.09 mit Illustration, d. Red.]
Schon jetzt gibt es allerdings Skeptiker unter den Piloten – Timo Glock beispielsweise gab zu bedenken, dass aufgrund der Slickreifen die mechanische Haftung wieder erhöht wurde und damit die Bremswege weiter reduziert wurden. Gerade in punkto Ausbremsmanöver könnte sich diese Tatsache kontraproduktiv auswirken. In diesem Zusammenhang ist es unverständlich, warum in der Formel 1 weiterhin Karbon-Bremsscheiben erlaubt sind – in einer Zeit, in der aufgrund von rigorosen Sparmaßnahmen die Reifen nur noch von Hand gewaschen werden dürfen (!), ist es doch ein wenig seltsam, dass man hier nicht auf die Stahlscheiben zurückgerüstet hat.
Doch die Formel 1 wäre nicht die Formel 1, würde es keine Widersprüchlichkeiten geben. So wirkt es eigentlich auch ein bisschen absurd, wenn viele von der nötigen „Verbesserung der Show“ sprechen - nach einer Saison 2008, die an Spannung eigentlich fast nichts zu wünschen übrig ließ und deren WM-Finale noch lange als unerreichter Krimi in den Geschichtsbüchern zu finden sein wird. Freilich haben im Vorjahr der „Wettergott“ und das Schicksal kräftig mitgeholfen, für Spannung zu sorgen. Dass im Normalfall eine Sonntagsprozession droht, diese Tatsache soll mit den neuen und optisch gewöhnungsbedürftigen Boliden aus der Welt geschaffen werden. Ob das gelingt oder nicht – daran sollte man die neue Fahrzeuggeneration messen.