Formel 1: Exklusiv | 19.06.2009
„Die Werke wollten mit der Ära Mosley-Ecclestone Schluss machen!“
Das „Pingpong-Spiel des Schwachsinns“ wurde endlich beendet, sagt motorline.cc-Stargastautor Helmut Zwickl im Interview. Er begrüßt die FOTA-Serie.
Michael Noir Trawniczek
Foto: Red Bull
Helmut Zwickl ist nicht nur in Österreich ein Begriff - als einer von wenigen Motorsportjournalisten weltweit erhielt er eine lebenslängliche Akkreditierung für die „Königsklasse“. Damals lautete unsere Überschrift scherzhaft: „Lebenslänglich für Helmut Zwickl“ Doch in den letzten Jahren wurde die Formel 1 für Zwickl tatsächlich so etwas wie eine Strafe, weshalb er sie auch mied.
Helmut Zwickl steckt bereits in den Vorbereitungsarbeiten für die heurige Ennstal Classic (15. bis 18.7.), bei der er als Veranstalter Motorsport zum Angreifen liefert und mittlerweile auch mehr Zuschauer als so mancher Formel 1-Grand Prix anlockt. Im Gespräch mit motorline.cc erklärt er, warum er den Beschluss der FOTA-Teams begrüßt und für richtig erachtet.
Helmut, die FOTA hat beschlossen, eine eigene Rennserie zu gründen – was sagst du zu der Entscheidung?
Ich habe mich eigentlich seit zwei Jahren darüber gewundert, warum sich die Vorstände der großen Autowerke diese Willkür in der Formel 1, die in erster Linie das Reglement betrifft, gefallen lassen.
Für dich war das also eine logische Konsequenz?
Ja. Wenn es auch der Supergau für die Formel 1 an sich ist, so glaube ich, dass es doch die einzige Alternative war. Denn letztlich, und darüber sind sich auch alle einig, nur wird es nicht klar ausgedrückt, war es ein Rachefeldzug des Max Mosley gegen die Autowerke, der ja seit Jahren läuft. Natürlich hat er immer gesagt: ‚Es ist kein Verlass auf die Autowerke, die gehen und kommen wann es ihnen passt!’. Aber letztlich war es ein Rachefeldzug, der nach seiner Sexaffäre, als die Werke sofort seinen Kopf gefordert haben, natürlich noch stärker geworden ist.
Hat eine FOTA-Serie die Chance, den gleichen Stellenwert wie die heutige Formel 1 zu haben, ohne gerupft zu werden?
Ja, ich glaube schon. Die haben alle Stars, die haben die Top-Teams – letztlich haben ja die Autowerke die Formel 1 am Leben erhalten, die haben dort Milliarden hinein gepulvert. Sie haben die Stars und die Autos – und es wird sich doch niemand scheren, wenn Williams oder Campos oder Superfund fahren. Damit haben Max Mosley und Bernie Ecclestone eine Formel 1, die nicht besser ist als eine GP2. Die beiden haben die Einigkeit der Automobilwerke unterschätzt. Die war lange genug nicht vorhanden, weil eben in der Formel 1 lauter Egomanen am Werk sind – aber jetzt ist sie da, und das haben die beiden ganz sicher unterschätzt.
Aber kann diese ‚Piratenserie’ dann überhaupt, als Beispiel, in Monaco fahren?
Das sind Detailfragen, die derzeit nicht einmal die acht Teams beantworten können. Fest steht jedenfalls, dass die Formel 1 in ganz Europa verbrannte Erde hinterlassen hat. Dass Rennstrecken wie Imola oder auch der Österreichring abgewürgt wurden. Dass Magny Cours gestrichen wurde. Oder warum kann man in Silverstone nicht fahren? Nur weil sich der Herr Ecclestone nicht einig wird, weil er noch mehr Geld will?
Die Formel 1 wollte immer in jedem Land mehr und mehr Geld, was in Europa kaum zu bezahlen ist und deshalb gingen sie in den fernen Osten und haben dort monumentale Rennstrecken ohne jegliches Charisma gebaut – aber vielleicht gibt es jetzt wieder eine Rückkehr der Formel 1 auf die europäischen Strecken. Sie haben die Sponsoren, die Fahrer, die Autos und sie haben den Punch der großen Werke und sie werden ein sinnvolles Reglement erstellen. Keine Sporthoheit wird sie mehr terrorisieren.
Ist damit auch das Ende des ewigen Abschröpfens eines Bernie Ecclestone eingeläutet worden?
Der Bernie wird jetzt Probleme bekommen mit den CVC-Partners, die ja investiert haben in die Formel 1 – und plötzlich haben sie eine bessere Formel 3! Das Ganze kann noch einen Rattenschwanz von Prozessen nach sich ziehen. Der Bernie wird irgendwelche Schriftstücke hervor zaubern, auf welchen irgendwann irgendwer irgendwas unterschrieben hat, unter irgendwelchen Vorbehalten – das wird also noch ein unglaubliches Blutbad werden.
Droht dem Bernie Ecclestone ein ähnliches Schicksal wie Ron Dennis? Dass er quasi durch die Hintertür aus der Formel 1 befördert wird?
Durchaus möglich. Es ist nicht abzusehen, was da noch kommt. Aber die Werke wollten mit dieser Ära Ecclestone-Mosley Schluss machen.
Was du auch begrüßt?
Du, es wäre ja nicht mehr gegangen, das war ja schon entwürdigend. Ein Pinpong-Spiel des Schwachsinns. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, das war einfach nicht mehr tragbar.
Die Herren haben einfach nicht gewusst, wann Schluss ist, scheinbar…
Die Öffentlichkeit interessiert das nicht mehr – Umfragen ergeben, dass die Fans eine Piratenserie begrüßen. Wo es wieder vernünftige Eintrittspreise gibt. Wo man auf den Fan schaut. Und nicht vor leeren Zuschauerrängen fährt wie zuletzt in der Türkei. Das ist alles so überzogen worden, es wurde alles so abstrus in der Formel 1.
Ich persönlich hatte schon vor zwei Jahren die Schnauze voll – weil man nur noch Kriegsberichterstatter war. Über die Befindlichkeiten von Mosley, Ecclestone und den großen Werken – das hatte ja alles nichts mehr zu tun mit der einstigen Formel 1.