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Formel 1: Analyse

Wie wird ein Formel-1-Auto aufgebaut?

Viele Kohlefaser-Waben ergeben ein Monocoque: Was es alles braucht, um ein Formel-1-Fahrzeug auf die Rennstrecke zu bringen.

In wenigen Wochen ist es soweit: Die lange Winterpause neigt sich ihrem Ende zu. Die Teams fiebern dem Saisonauftakt in Bahrain bereits seit geraumer Zeit entgegen. Seit dem letzten Rennen des vergangenen Rennjahres waren die Rennställe aber keineswegs untätig, denn in der langen Grand-Prix-Pause mussten schließlich neue Fahrzeuge entworfen und gebaut werden.

So sehr sich die Formel-1-Regeln von Jahr zu Jahr auch ändern mögen – die Herausforderung für die Ingenieure und Techniker ist stets gleich geblieben: Vor jeder neuen Saison gilt es, die Ressourcen des Teams bestmöglich auszunutzen, um im Frühjahr ein schnelles und sicheres Rennauto auf die Strecke zu schicken. Auf was es bei diesem Arbeitsprozess ankommt, erfahren Sie hier.

Das Monocoque

Das Monocoque ist das Kernstück jedes Formel-1-Autos. Es ist Arbeitsplatz und Überlebenszelle des Piloten in einem. Hinten angeflanscht ist der Motor, vorne die Fahrzeugnase. Die Form des Monocoques ergibt sich aus einer Reihe von Faktoren wie der Länge des Radstandes, der Größe des Benzintanks, dem Körperbau der Piloten sowie aerodynamischen Anforderungen.

Beim Design des Monocoques wird zuerst die Oberflächenform definiert. Anschließend werden diverse Berechnungen durchgeführt, um zu garantieren, dass die Sicherheitszelle die von den Ingenieuren berechneten Anforderungen in Bezug auf Steifigkeit und Festigkeit erfüllt. Diese ergeben sich einerseits aus den fahrdynamischen Belastungen und andererseits aus den Sicherheitsvorschriften der FIA.

Diese Anforderungen wurden in den vergangenen Jahren laufend erhöht, womit die passive Sicherheit für die Piloten signifikant verbessert werden konnte. Die wichtigsten Tests dabei sind der Frontalcrash (mit Nase) bei einer Geschwindigkeit von 15 m/s, der Seitencrash bei 10 m/s sowie der statische Belastungstest des Überrollbügels, der einem Druck von rund 12 Tonnen widerstehen muss. Am ganzen Fahrzeug werden insgesamt fünf dynamische und zehn statische Tests durchgeführt.

Das Monocoque besteht aus einem Verbund von Kohlefaser- und Aluminium-Waben. Diese Kombination ergibt eine sehr hohe Steifigkeit und Festigkeit bei gleichzeitig geringem Gewicht. Die Composite-Ingenieure definieren, wie viele Lagen Kohlefaser an welcher Stelle benötigt werden, um die vielfältigen Anforderungen zu erfüllen.

Dabei haben sie zusätzlich die Wahl zwischen unterschiedlichen Kohlefasertypen - je nachdem, ob Kräfte nur in einer oder in mehreren Richtungen wirken. An besonders hoch belasteten Stellen können bis zu 60 Lagen Karbon übereinander verarbeitet sein. Insgesamt besteht ein Monocoque aus rund 1.500 einzelnen Kohlefaserstücken.

Hergestellt wird es aus zwei Halbschalen, in die zusätzliche Verstärkungen eingeklebt werden. Nach mehreren Backvorgängen im sogenannten Autoklaven bilden die Halbschalen eine Einheit. Der letzte Arbeitsgang umfasst das Montieren zahlreicher Befestigungsbauteile.

Aufgrund ihrer enorm hohen Festigkeit bieten Monocoques den Piloten selbst bei sehr schweren Unfällen einen maximalen Schutz. Weil auch der Benzintank darin untergebracht ist, gehören dramatische Feuerunfälle der Vergangenheit an. Nach einem Unfall lässt sich die Sicherheitszelle fast immer reparieren.

Jedes Jahr werden pro Team durchschnittlich vier bis fünf Monocoques gefertigt, die für den Renn- und Testeinsatz sowie für den Prüfstand benutzt werden. Jede einzelne Sicherheitszelle muss dabei von der FIA homologiert werden, wobei lediglich das erste Exemplar sämtliche Tests bestehen muss.

Der Fahrersitz

Die aktuellen Formel-1-Autos erreichen in Kurven Querbeschleunigungen von über 4 g, beim Bremsen können es sogar über 5 g sein. Während eines Rennens wirken diese Kräfte über eine Zeitspanne von eineinhalb bis zwei Stunden wiederholt auf die Fahrer ein. Eine perfekte Sitzposition ist deshalb ein absolutes Muss. Kleinste Druckstellen führen zu Schmerzen oder Muskelkrämpfen. Darum benutzt jeder Pilot seinen eigenen Sitz, der präzise auf seine Körpermaße angepasst ist.

Bei der Herstellung eines neuen Sitzes verwendet man eine Basis-Sitzschale aus Kohlefaser, die mit einem Plastiksack ausgekleidet wird. Dieser enthält entweder einen Zwei-Komponentenschaum oder Styropor-Kugeln, die vakuumisiert werden. Der Fahrer setzt sich hinein und wartet, bis sich diese Masse langsam seinem Körper anpasst. Gleichzeitig werden immer wieder kleine Änderungen vorgenommen.

Darüber hinaus werden auch die Position des Lenkrads sowie die Pedale eingestellt. Wenn alles perfekt sitzt, lässt man den Sitzschaum beziehungsweise die Styropor-Kugeln aushärten. Eine solche Sitzprobe dauert für den Piloten zwischen einem halben und einem ganzen Tag. Der so entstandene Sitz stellt eine Übergangsversion dar, die für erste Testfahrten verwendet wird und als Prototyp für den dauerhaften Sitz dient.

Zu dessen Herstellung wird die Innenfläche des provisorischen Sitzes elektronisch abgetastet. Daraus stellen die Ingenieure im Computer eine mathematische Fläche her, auf deren Basis die Form in einen sogenannten Tooling-Block gefräst wird. Auf diesem entsteht dann durch das Auflegen einzelner Kohlefaser-Matten der endgültige Sitz, der anschließend ebenfalls im Autoklaven gebacken wird.

Zu den letzten Arbeitsvorgängen gehören dann unter anderem das Fräsen der Öffnungen für die Sicherheits- und die Bergungsgurte sowie das Aufbringen einer etwa einen Millimeter dicken Polsterung. Das Gewicht eines fertigen Sitzes beträgt rund drei Kilogramm.

Das Lenkrad

Das Lenkrad eines Formel-1-Autos ist die Schaltzentrale für den Piloten. Er lenkt, kuppelt, schaltet und kann mit mehreren Knöpfen zahlreiche elektronische Funktionen beeinflussen. 2009 wurde dort beispielsweise per Knopfdruck das KERS aktiviert, in dieser Saison kann der Fahrer auf eine Reihe von Hilfsmitteln wie Boxenfunk, Trinkvorrichtung oder Speed Limiter zurückgreifen.

Beim Design-Prozess des Lenkrades definieren die Ingenieure in einem ersten Schritt die Funktionen, die über Knöpfe oder Drehschalter variiert werden sollen. Danach wird ein erstes Layout festgelegt, bevor eine provisorische Version des Lenkrads mittels "Rapid Prototyping" hergestellt wird. Nun beurteilt der Fahrer, ob alle Knöpfe optimal positioniert sind. Falls nicht, bringt er seine Änderungswünsche ein.

Jetzt beginnt die Herstellung des endgültigen Lenkrads. Die Basis bildet ein Rahmen aus Kohlefaser. In diesen werden die Löcher für die Schalter und Knöpfe gebohrt, anschließend wird der Schaum für den Griff aufgetragen, der dann nochmals mit Kohlefaser umwickelt wird. Zu guter Letzt kommen unterschiedliche Varianten als Überzug zum Einsatz.

Je nach Präferenz des Piloten kann der Griff mit Leder überzogen oder auch mit einer der Handform angepassten Silikonmasse ausgestaltet werden. Nun werden noch die Knöpfe und Schalter montiert und mit der Leiterplatte verkabelt, ehe auch das Display angeschlossen wird. Seit 2008 sind sowohl die Leiterplatte als auch das Display Teil der Einheitselektronik und werden als Standardteile von der FIA zur Verfügung gestellt.

Nach Abschluss aller Elektronikarbeiten montieren die Spezialisten auf der Rückseite die mechanischen Teile wie die Schalt- und Kupplungswippen sowie den Schnellverschluss. Bekanntlich entfernen die Piloten zum Ein- und Aussteigen das Lenkrad und setzen es hinterher wieder auf. Der Schnellverschluss ist auch zur Erfüllung eines FIA-Tests erforderlich, bei dem der Pilot das Cockpit innerhalb von fünf Sekunden verlassen können muss.

Bevor das Lenkrad zum Einsatz gelangt, wird es – wie alle anderen Komponenten auch – erst einmal auf dem Prüfstand getestet. Erst wenn diese Versuche erfolgreich abgeschlossen sind, werden die Knöpfe und Schalter auf der Rückseite des Rahmens verleimt. Damit ist das rund ein Kilogramm leichte Hightech-Bauteil fertig und kann in den Rennwagen eingesetzt werden.

Stichwort: Kohlefaser

Mit Ausnahme von Motor, Getriebe-Zahnrädern und Radträgern ist ein Formel-1-Auto fast ausschließlich aus Kohlefaser gefertigt. Hohe Steifigkeit und Festigkeit gepaart mit sehr geringem Gewicht sind die die herausragenden Eigenschaften. Es weist eine ähnliche Steifigkeit wie Stahl auf, ist jedoch rund fünf Mal leichter.

Auf der Negativseite stehen das aufwändige Herstellungsverfahren sowie der hohe Materialpreis. Ein Quadratmeter imprägnierte Kohlefaser-Matte kostet zwischen 50 und 200 Euro. Kohlenstoff-Fasern haben einen Durchmesser von 5 bis 8 Mikrometer. Üblicherweise werden zwischen 1.000 und rund 20.000 Fasern zu Bündeln zusammengefasst, die zu textilen Strukturen gewoben werden.

In der Formel 1 gelangen etwa 20 verschiedene Arten von Kohlefaser-Geweben zur Anwendung. Diese unterscheiden sich insbesondere durch ihre Struktur und die Art des Harzes, mit dem sie imprägniert sind. Wenn Kräfte nur aus einer Richtung einwirken, verwendet man unidirektionale Lagen, wenn sie aus verschiedenen Richtungen angreifen, gelangen bidirektionale Gewebe zum Einsatz.

Spezialisierte Composite-Ingenieure definieren, welches Gewebe mit welchem Harz in wie vielen Lagen benötigt wird, um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen. Der Herstellungsprozess eines Kohlefaser-Teils beinhaltet mehrere Schritte. Zuerst wird das Bauteil am Computer mittels CAD (Computer Aided Design) konstruiert. Anschließend werden diese Daten bearbeitet und dienen als Basis für die computergesteuerte Produktion (CAM, Computer Aided Manufacturing).

Auf einer Fünfachs-Fräse wird die entsprechende Form in einen Tooling-Block gefräst, der als Positiv-Form dient. Auf diesen legen die Laminateure gemäß den Plänen der Composite-Ingenieure die vorher genau zugeschnittenen Kohlefaserstücke – eines nach dem andern. Nach Abschluss dieser Arbeit wird das Ganze in einen Plastikbeutel eingepackt, vakuumisiert und im Autoklaven zehn bis 20 Stunden lang bei einer Temperatur von rund 50 Grad Celsius gebacken.

Anschließend erhält die so entstandene Negativ-Form den Feinschliff und ist bereit für die Herstellung des eigentlichen Kohlefaser-Bauteils. In die Negativ-Form legen die Laminateure die vorher zugeschnittenen Kohlefaserstücke auf- bzw. nebeneinander. Je nach Bauteil können das mehrere hundert Stück sein.

Wenn alles bereit ist, wird die Form mit der eingelegten Kohlefaser ebenfalls in einen Plastikbeutel eingepackt, vakuumisiert und bei einer Temperatur von etwa 150 Grad Celsius fünf bis sechs Stunden gebacken. Nach Abschluss des Backvorgangs werden die Einzelteile weiterbearbeitet und dann zu kompletten Komponenten zusammengefügt. Ein Frontflügel besteht beispielsweise aus rund 20 einzelnen Kohlefaser-Teilen. Bei Komponenten, die besonders zäh sein müssen, wird neben der Kohlefaser auch Kevlar oder Zylon verwendet.

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