
Formel 1: News | 04.01.2010
Ingenieure üben Kritik am Streckenlayout
Sie arbeiten für unterschiedliche Teams, doch in einem sind sich mehrere F1-Ingenieure einig: Strecken sorgen für Überholmanöver, nicht Autos.
In den vergangenen Jahren sind neue Rennstrecken wie Pilze aus dem Boden geschossen und haben den Formel-1-Kalender mit neuen, exotischen Austragungsorten bereichert. Doch nur selten ist ein Grand Prix auf einer solchen neuen Strecke als echter Knüller in Erinnerung geblieben. Wenn Fans an vergangene spannende Duelle denken, fallen meist die Namen Spa, Monza, Montréal etc.
Doch das liegt nicht allein am allgemeinen Formel-1-Purismus, der die neuen Strecken als zu seelenlos ablehnt. Abu Dhabi ist 2009 zwar für seine imposanten Prachtbauten und den Tag-Nacht-Wechsel während des Rennens berühmt geworden, aber nicht für seine beinharten Duelle auf der Piste. Dabei sollten alle Zutaten dafür da sein: Die Autos haben sich von der Performance einander so angenähert wie nie zuvor, und nicht zuletzt ist das berühmt-berüchtigte neue optische Erscheinungsbild der Wagen den Überholmanövern geschuldet.
Den Autos alleine kann man das aber nicht anhängen, meinen einige prominente Formel-1-Ingenieure. "Ich glaube, dass die Strecken darauf den größten Einfluss haben. Das vergessen aber viele, nachdem es einfacher ist, die Autos zu ändern als die Strecken", meint zum Beispiel Aerodynamik-Guru Adrian Newey gegenüber Racecar Engineering.
Williams-Technikchef Sam Michael bläst ins gleiche Horn und übt recht harsche Kritik an den neuen Strecken: "In der ganzen Diskussion ist das Design der Kurse ein wenig untergegangen. Man muss sich selbst fragen, warum man in Barcelona fährt, wo kaum überholt wird, und dann fahren diese Autos gleichzeitig in Monza, Montréal oder Hockenheim, wo viele Positionskämpfe stattfinden."
Whitmarsh: Nur in wenigen Kurven wird überholt
"Diese Wagen sind aerodynamisch identisch, aber auf der einen Strecke überholen sie viel, auf der anderen wenig", so Micheal. "Das liegt am Streckenlayout. Es liegt daran, dass man beim Layout des Kurses nicht genau genug hinsieht: Die Kombination von schnellen und langsamen Kurven gefolgt von Geraden, die wieder in langsame Kurven münden. Die FIA beschäftigt sich mit Überholmanövern, sie haben ein Auge darauf geworfen."
"Wenn man sich Strecken wie Abu Dhabi ansieht, eine brandneue Piste, erkennt man ein paar sehr gute Aspekte, aber auch einige recht fundamentale Fehler, welche bis zum nächsten Rennen geändert werden sollten", fährt er fort. "Man braucht nicht groß drum herum zu reden: Es gab in Abu Dhabi nicht genügend gutes 'Racing' – und die Formel 1 muss sich jetzt die Frage stellen, warum. Man kann es nicht immer am Design der Autos festmachen."
McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh hat einen eigenen Ansatz, den er gegenüber F1 Racing erläutert: "Man muss das Ganze nur einmal statistisch betrachten, wo die meisten Überholvorgänge stattfinden. Wir haben 18 Strecken mit, sagen wir, 350 Kurven. Dann spielen sich 90 Prozent aller Überholmanöver in 10 Prozent dieser Kurven ab. Man sollte sich dann diese Kurven genau ansehen. Die Tatsache, dass sich die Positionskämpfe auf eine so kleine Anzahl an Kurven beschränken, demonstriert ihre Abhängigkeit von der jeweiligen Strecke."