
Formel 1: News | 27.05.2011
Beide Seiten feiern sich als Sieger
Tony Fernandes jubelt, der Londoner Oberste Gerichtshof erlaubt die Beibehaltung des Namen Team Lotus. Doch die Lotus-Gruppe (Proton) will berufen.
Wer geglaubt hat, dass der absurde Streit Lotus (Gruppe, Automobilhersteller mit Geschäftsführer Dany Bahar) gegen Lotus (Team, Formel-1-Rennstall von Tony Fernandes und Partnern) mit dem heutigen Urteil des Londoner Obersten Gerichtshofs enden würde, der lag falsch. Denn obwohl sich beide Parteien als Sieger feiern, gibt es in Wahrheit vor allem einen Verlierer: den Sport.
"Wir haben gewonnen. Ich bin überglücklich", twitterte Fernandes nur wenige Minuten nach der Urteilsverkündung durch Richter Peter Smith und jubelte: "Die Guten gewinnen immer!"
Gleichzeitig trudelte eine Pressemitteilung der Lotus-Gruppe in unserer Redaktion ein. Titel: "Lotus-Gruppe gewinnt bei Schlüsselfragen in Formel-1-Namensstreit." Doch wer ist der tatsächliche Sieger des leidigen Streits, der vielen Formel-1-Fans schon zum Hals heraussteht?
Gruppe darf sich weiterhin Lotus nennen
Der Richter hat der Lotus-Gruppe zugestanden, dass sie die Marke Lotus als alleinstehende Bezeichnung weiterhin in der Formel 1 verwenden darf, ebenso wie die historische schwarz-goldene Lackierung, in der das von der Lotus-Gruppe gesponserte Renault-Team auftritt. Außerdem sieht Smith die Schuld für das Ende der Lizenzvereinbarung zwischen dem Lotus-Team und der Lotus-Gruppe Ende 2010, also nach einem von fünf geplanten Jahren, beim Team Lotus.
"Wir sind natürlich enttäuscht über die Entscheidung, dass der Lotus-Gruppe das Recht zugestanden wird, unsere Lizenzvereinbarung 2010 beendet zu haben", gesteht Fernandes eine Teilniederlage ein.
"Wir sind diesen Vertrag in der Hoffnung auf eine langfristige Partnerschaft mit der Lotus-Gruppe eingegangen, aber dann haben sie Formalitäten wie die Merchandising-Vorbenachrichtigungszeit hergenommen, um die Partnerschaft zu beenden."
Dass die Lotus-Gruppe einen Streit über das Lotus-Logo auf T-Shirts als Ausstiegsgrund aus der Lizenzvereinbarung mit Fernandes genutzt hat, lässt vermuten, dass der Automobilhersteller damals schon Pläne hätte, eine Partnerschaft mit Renault einzugehen. Ursprünglich hatte man ja das Fernandes-Team unterstützt und die britisch-malaysische Truppe mit einer Lizenz der Lotus-Gruppe als "Lotus Racing" ausgestattet.
Umso lächerlicher der anschließende Rechtsstreit, in dem sich nun beide Parteien als Sieger feiern. Aber objektiv betrachtet wurde in dem seit März andauernden Verfahren vor allem die entscheidende Frage geklärt, ob das Team Lotus weiterhin als Team Lotus in der Formel 1 an den Start gehen darf - und in diesem Punkt wurde Fernandes uneingeschränkt Recht zugesprochen. "Team Lotus gehört uns", jubelt der Geschäftsmann.
Fernandes jubelt über Sieg
"Unser Chassisname bleibt Lotus. Niemand kann uns den Chassisnamen wegnehmen. Wir sind das einzige Lotus, Team Lotus. Kompliment an alle Mitarbeiter von Team Lotus und Dank an all unsere Fans, die uns unterstützt haben", freut er sich.
Der Haken an der Sache: Auch die Lotus-Gruppe darf sich weiterhin Lotus nennen. Somit bleibt es vorerst dabei, dass sich sowohl die Fernandes- wie auch die Bahar-Truppe Lotus-Renault nennen darf.
Bahars Lotus-Gruppe ist mit diesem Urteil jedoch nicht zufrieden und kündigt eine Berufung an. Man darf sich fragen: Warum in Berufung gehen, wenn man den Fall doch nach eigener Ansicht ohnehin gewonnen hat?
Aber Lotus-Rechtsanwältin Sarah Price gibt zu Protokoll: "Trotz des detaillierten Urteils gibt es noch Fragen, die einer Klarstellung bedürfen, und wir werden alles daran setzen, diese im Interesse vieler Fans der Marke Lotus beantwortet zu bekommen."
Kleines Detail am Rande: Wie ein Schreiben von Renault-Sport-Präsident Bernard Rey an Fernandes belegt, hätte Renault, Partner der Lotus-Gruppe, dem Team Lotus für 2011 Gratismotoren angeboten, wenn Fernandes auf den Namen Lotus verzichtet hätte...