Formel 1: Technik | 04.02.2011
Die motorline.cc-Technikanalyse
Acht Neuwägen wurden diese Woche in Valencia getestet. Welche Teams haben konventionell gebaut? Welche warten mit Innovationen auf?
Acht der zwölf Formel 1-Teams haben in dieser ersten Testwoche ihre neuen Boliden vom Stapel gelassen. Auf den ersten Blick wirken die Autos recht ähnlich: Die neuen Regeln verlangen eine hohe, breite Nase, um möglichst viel Luft unter das Auto zu bekommen und so das Verbot von Mehrfachdiffusoren auszugleichen.
Während die Autos von Sauber, Mercedes und Ferrari recht konventionell wirken, warten andere mit innovativen Ideen auf.
Der Renault-Auspuffcoup
Der Renault R31 wirkt nicht nur extrem aufgeräumt – er weist auch ein revolutionäres Auspuffsystem auf: Die Abgase werden vor dem Kühlereinlass ausgeblasen.
Eine Idee, welche den früheren Formel 1-Techniker Gary Anderson auf Autosport dazu veranlasste, vor dem Testbeginn zu schreiben: „Die Zeit wird uns zeigen, ob das System funktioniert – sollte es bei der ersten Ausfahrt in Flammen aufgehen, wird uns das einen Hinweis geben…“
Am Ende der Woche, nachdem Robert Kubica mit dem neuen System die absolut schnellste Zeit der gesamten Testwoche in den Asphalt stanzen konnte, schreibt Anderson: „Wenn jemand mit einer innovativen Idee schnell ist, gehen die Rivalen zurück in die Fabrik und testen das Potential des Konzepts. Das verlagert ihre Aufmerksamkeit weg von ihrem eigenen Paket – und ein derart später Richtungswechsel kann sogar zum Entwicklungs-Stillstand führen.“
Anderson fasst zusammen: „Renault hat erreicht, was man wollte: Die schnellste Zeit mit dem neuen Konzept markieren, die konfusen Rivalen wurden zurück geschickt für eine Woche des Kopfzerbrechens.“
Was bringt das neue Auspuffkonzept? Es wird die Abgasluft ebenfalls unter dem Auto genutzt, der Luftstrom wird beschleunigt.
Allerdings macht man sich bei Renault angeblich Sorgen wegen der hohen Temperaturen, die Auspuffgase werden bis zu 600 Grad heiß – zudem klagte Kubica auch über ein verändertes Ansprechverhalten des Motors. „In langsamen Kurven ist das Ansprechverhalten noch nicht so gut“, erklärte der Pole.
Auch Mercedes arbeitet bereits an einer solchen Lösung. Und auch der neue McLaren MP4-26 soll angeblich nicht nur ein ähnliches Auspuffsystem, sondern auch jene extrem eingezogenen Seitenkästen aufweisen, die am Toro Rosso STR6 gesichtet wurden…
Toro Rosso: Extremer Unterschnitt an den Sidepods
Mit den extrem eingezogenen Seitenkästen entsteht eine Art Rinne, durch die die Luft in Richtung Diffusor geleitet wird.
Von vorne betrachtet sieht es beinahe so aus, als hätte der Wagen einen doppelten Unterboden.
Außerdem ist der Auspuff in den Unterboden eingelassen und mündet dort in ein extrem kurzes Endrohr.
RB7: Was kommt noch?
Angeblich soll auch Red Bull Racing einige revolutionäre Ideen im Köcher haben – denn der RB7 begeistert Fachleute wie Sergio Rinland und Mark Handford eher mit seiner Detailverliebtheit: „Red Bull Racing hat all die Lösungen, die man an den anderen Autos gesehen hat, auf eine höhere Ebene gebracht.“
Adrian Newey hat die Airbox-Finne behalten – auch wenn es heuer vom Reglement her keine Verbindung zum Heckflügel geben darf. So wurde die Finne einfach an der adäquaten Position senkrecht nach unten gezogen.
Zugleich aber handelt es sich beim RB7 – bislang zumindest – eher um eine Evolution des Vorgängermodells. Zugleich gibt es aber auch ganz eigene Lösungen wie die Hinterradaufhängung oder die Positionierung des KER-Systems – dieses soll laut einem Bericht von Auto, Motor und Sport an einem Ort untergebracht sein, an den „keiner der Konkurrenten gedacht“ habe…
Zudem wird für Bahrain ein weitreichendes Aerodynamik-Paket erwartet. Man darf gespannt sein…
Williams-Heck: „Nicht zu kopieren“
Der RB7 weist ein extrem schlankes Heck auf. Noch flacher ist allerdings der neue Williams FW33.
Stolz erklärt Technikchef Sam Michael: „Unser Heck ist nachträglich praktisch nicht zu kopieren. Es würde zu lange dauern, die ganzen Komponenten dafür zu bauen. Wir sind im Heck deutlich flacher als alle anderen Autos. Den RB7 mit eingeschlossen.“
So musste ein neues Differenzial gebaut werden, um die Antriebswellen tiefer zu legen. Weil das Getriebe derart niedrig gebaut wurde, musste man die hinteren Querlenker an der Heckflügelstütze montieren – eine äußerst ungewöhnliche Lösung.
Dass die Seitenkästen am Heck recht breit sind, hat mit der Kühlerkonfiguration zu tun. Sam Michael sagt: „Wir können im Heck auch schmal bauen. Das hängt alles davon ab, welche Kühlversion wir einsetzen. Hier in Valencia verwenden wir eine Lösung, wo wir die heiße Kühlluft seitlich am Ende der Seitenkästen austreten lassen. Wir können aber auch wie Red Bull Racing eine große zentrale Öffnung am Ende der Airbox wählen. Dann sind wir hinten flach und schmal. Aerodynamisch macht es kaum einen Unterschied.“
Ferrari zu konservativ? Mercedes noch „primitiv“
Wenig Innovationen lieferten Ferrari, Sauber und Mercedes. Der F150 wurde von den Experten als klare RB6-Kopie „entlarvt“. Ist der neue Ferrari zu konservativ gebaut?
Technikchef Aldo Costa winkt ab: „Wenn man auf extreme Lösungen setzt, dann bezahlt man vielleicht in anderen Bereichen den Preis dafür. Man benötigt einen sehr ausgeglichenen Zugang, um ein schnelles und siegfähiges Auto zu haben.“
Bei Mercedes wurde erklärt, dass der MGP W02 in der vorgestellten Version nur ein Übergangsmodell sei. Nico Rosberg ging sogar so weit, zu erklären, der Wagen sei in dieser Konstellation „primitiv“. Diese Aussagen lassen also auf mehr hoffen – und damit vielleicht auch auf bessere Rundenzeiten.
Eine Idee von Mercedes hat Lotus-Technikchef Mike Gascoyne beim T128 übernommen: die geteilte Lufthutze. Allerdings gibt es Bedenken, sollte der Wagen sich beispielsweise im Kiesbett überschlagen. Die Finne, welche als Überrollbügel dient, könnte sich im Kies eingraben, wird befürchtet. Möglicherweise greift die FIA ein…
Neue Autos von McLaren, Force India & Virgin
In der nächsten Woche wird der am Freitag in Berlin vorgestellte McLaren-Mercedes MP4-26 im Rahmen der ab 18. Februar laufenden viertägigen Testfahrten in Jerez de la Frontera seine ersten Runden drehen.
Zudem werden dort auch der neue Force India und der neue Virgin erwartet. Timo Glock hat bereits angedeutet, dass es sich beim Virgin eher um eine Evolution handeln würde…