Formel 1: Interview | 22.08.2013
Wolff findet Titelträume vermessen
Mercedes entwickelt sein Auto unabhängig von der WM-Situation bis Brasilien weiter. Toto Wolff übt sich derzeit noch in Zurückhaltung.
Kein Team kommt mit so viel Schwung aus der Sommerpause wie Mercedes. Die "Silberpfeile" wirkten bei Hamiltons Sieg in Ungarn wie das Team der Stunde, könnten ihren Aufwärtstrend in Person des Briten am Wochenende in Belgien fortsetzen und doch noch nach der WM-Krone 2013 greifen – vorausgesetzt, die Hochform hat die Unterbrechung überdauert. "Einen Anschub braucht man nicht zu geben", zeigt sich Toto Wolff im Gespräch mit der dpa unbesorgt.
Der Mercedes-Motorsportchef nennt es gut und wichtig, den Mitarbeitern diese Pause zu gönnen. Offenbar glaubt er daran, echte Workaholics in seiner Truppe zu haben: "Wir sind hier alle ein eigenes Völkchen, das das ganze Jahr um die Welt reist, und ich glaube, dass die Leute sich nach einer Woche schon wieder nach dem Job gesehnt haben." Ob es Hamilton tatsächlich gelingt, per Aufholjagd den Titelkampf wieder spannend zu machen, vermag Wolff nicht einzuschätzen und verweist auf die eher bescheidene Ausgangsposition im Frühjahr.
Vor einem halben Jahr hätte er eine solche Theorie schlichtweg als unrealistisch bezeichnet, meint der Österreicher und sieht sich noch immer dadurch beeinflusst. "Aus dieser Denkweise herauszukommen ist nicht immer ganz einfach", überlegt Wolff, nennt die Stimmung gut, bezeichnet die Probleme als im Griff und formuliert zurückhaltend: "Ich würde zum jetzigen Zeitpunkt sagen: Das Team hat sich zufriedenstellend entwickelt in der ersten Saisonhälfte." Darauf will Mercedes nun aufbauen und von Rennen zu Rennen schauen.
Alles andere sei Träumen. "Wir sind gerade mal bei der Halbzeit und da von Titeln zu reden – wenn man berücksichtigt, woher wir kommen – wäre schlicht und einfach vermessen. Es ist zu früh, um auf ein großes Ziel zu schielen", bremst Wolf die Erwartungen, betont aber, intern auf dem Gas zu stehen. Das gilt wohl auch für die Planung des 2014er-Fahrzeugs, die aufgrund der aussichtsreichen WM-Situation und der Probleme bei einer Parallelentwicklung an sich unter der starken Form leiden müsste.
Wolff nennt als richtige Antwort darauf, beim schrittweisen Übergang der einzelnen Abteilungen zum neuen Auto flexibel zu verfahren und den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Einen Einschnitt, sobald der Titelkampf auch mathematisch aussichtslos ist, findet der Motorsportchef nicht angemessen: "Das ist vielleicht zu dramatisch ausgedrückt", erklärt Wolff der dpa. "Es gibt nie einen völligen Cut. Solange man mit dem diesjährigen Auto im Wettbewerb ist, hört man nie auf zu versuchen, das Auto noch besser zu verstehen."