MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Formel 1: News

Niki Lauda und die turbulente Vergangenheit

Der erste berühmte Paydriver der Formel-1-Geschichte: Warum sich Niki Lauda 1972 wegen seiner Schulden beinahe das Leben genommen hätte

Es ist ein Irrglaube, dass nur mäßig begabte Rennfahrer finanzielle Unterstützung benötigen, um in die Formel 1 vorzustoßen, und es ist ein Irrglaube, dass Paydriver ein modernes Gewächs der Wirtschaftskrise sind. Schon vor 50 Jahren benötigten Privatteams Sponsoren und behalfen sich gelegentlich der Hilfe von neuen Fahrern, die diese quasi im Gepäck mitbrachten.

Was ganz früher einmal der "Gentleman-Driver" war - ein Mann aus meist wohlhabendem Hause, für den es selbstverständlich war, dass er für seine Leidenschaft Autorennen Geld auf den Tisch legen musste -, wurde in den 1970er-Jahren zum sogenannten "Paydriver". Der Unterschied liegt in erster Linie darin, dass der Gentleman-Driver eigenes oder Familiengeld für seine Karriere aufbrachte, während der Paydriver um die Unterstützung von Sponsoren betteln gehen musste.

Dass ein Paydriver zwangsläufig jemand ist, der es ohne Mitgift nicht in die Formel 1 geschafft hätte, ist übrigens Humbug. Sogar der erfolgreichste Formel-1-Pilot aller Zeiten, Michael Schumacher, benötigte 2,1 Millionen Schilling von Peter Sauber, um in Spa-Francorchamps 1991 im Jordan zu sitzen. Hätte sein Manager Willi Weber das Geld nicht aufgetrieben, wäre stattdessen Stefan Johansson zum Zug gekommen, wie Teamchef Eddie Jordan Jahre später zugab.

Vom Paydriver zum Formel-1-Weltmeister

Auch den dreimaligen Weltmeister Niki Lauda hätte die Formel 1 wohl nie gesehen, wenn nicht die Raiffeisen-Bank seinen Einstieg finanziert hätte. Lauda erinnert sich an die damalige Zeit in seiner Autobiografie "Das dritte Leben" (erschienen 1998 im Heyne-Verlag): "1971, Ende des vierten Jahres. Als Formel-2-Fahrer bei March war ich positiv aufgefallen, aber nicht sensationell. Persönlich traute ich mir alles zu, ich brauchte bloß eine weitere Chance."

"March verlangte 2,5 Millionen Schilling für die nächste Saison (nun auch Formel 1 einschließend), dabei hatte ich noch alte Schulden. Meine Bank, die Erste, war bereit mitzuziehen, da geriet ich in eine Packelei der Mächtigen. Der Aufsichtsrat der Bank wies mein Projekt zurück, weil der alte Tycoon Mautner-Markhof seinem guten Freund, dem alten Lauda (meinem Großvater), einen Gefallen tun wollte: um den Buben zur Vernunft zu bringen."

"Es folgte das Zitat des alten Lauda: 'Ein Lauda hat auf den Wirtschaftsseiten der Zeitung zu stehen, nicht im Sportteil.' Natürlich war das eine völlig linke Verquickung von Privatem und Banksache, und ab diesem Moment kapierte ich, dass es Situationen gibt, wo du dich auch mit den Allermächtigsten anlegen musst. Ich beschimpfte den alten Tycoon auf die liederlichste Weise und brach vollends mit der Familie."

Selbstmordgedanken wegen hohen Schulden

Doch Lauda, eigentlich aus wohlhabendem Wiener Hause stammend, ließ sich von diesen Widerständen nicht unterkriegen und klopfte bei einer anderen Bank an die Tür: "Die Bank nebenan hatte zufälligerweise den unglaublich offenen und weitsichtigen Karlheinz Oertel, und so schoss Raiffeisen 2,5 Millionen vor und sponserte die nötige Lebensversicherung und die Zinsen. Das Geld trug ich zu March."

Doch in der Formel 1 erfolgreich zu sein, war selbst in den 1970er-Jahren alles andere als ein Selbstläufer, und so wuchsen Laudas Schulden zunächst immer weiter. Das führte Ende 1972 zu einem Schlüsselmoment seines Lebens: "Auf der Strecke vom March-Hauptquartier in Bicester nach London kannte ich eine T-Kreuzung mit einer soliden Mauer dahinter. Ich brauchte nichts anderes zu tun, als voll am Gas zu bleiben, um meine Probleme zu lösen."

Keine Ausbildung, kein Job, aber ein guter Rennfahrer

"Es sollte der einzige Moment meines Lebens bleiben, wo ich derartige Gedanken hatte. Die March-Saison war beschissen gewesen (weil eben die Autos nichts taugten), und es gab kein Auto für 1973. Ich hatte vier Millionen Schilling Schulden, keine Ausbildung, keine Idee von einem Job, und selbst wenn ich einen kriegte, würde ich zig Jahre nur Schulden zurückzahlen. Dabei hatte mich diese Saison eher bestärkt, dass ich einen erstklassigen Formel-1-Fahrer abgeben könnte."

Lauda, damals 23 Jahre alt, glaubte an seine Zukunft im Motorsport und entschied sich dagegen, sich das Leben zu nehmen: "Ich beschloss, an der T-Kreuzung das Gas nicht stehen zu lassen, sondern als allerletzte Chance mit einem der seltsamen Vögel der Branche zu reden, der würde vielleicht eher auf meinen Schmäh einsteigen als die Hardcore-Profis." Die Rede ist von Louis Stanley, Chef des BRM-Teams, der als eine der schillernden Figuren des Fahrerlagers galt.

Dann die Wende in Laudas Karriere: "1973, Grand Prix von Monaco. Ich bin bester BRM-Fahrer, was bei der alten Gurke noch nicht viel zu sagen hat, aber ich bin auch Schnellster des ganzen Feldes im Regentraining. Zum ersten Mal scheint die Formel 1 für mich zu funktionieren, ich kann einen Rennverlauf beeinflussen, halte sicher den dritten Platz, hinter mir Jacky Ickx im Ferrari, hey, Niki Lauda auf der BRM-Gurke vor den Ferraris!"

Wendepunkt in Monaco 1973

"Mein Wagen verreckt zwar mit Getriebeschaden in der Bahnhofskurve, aber die ganze Welt hat Niki Lauda gesehen und weiß ungefähr, was los ist. Am Abend wird mich BRM-Chef Louis Stanley von meinen quälendsten finanziellen Sorgen befreien, und am allerwichtigsten, in drei Monaten wird jemand sagen: Enzo Ferrari hat Sie im Fernsehen gesehen, wie Sie in Monaco den Jacky Ickx in Schach gehalten haben."

Der Rest ist Geschichte: Lauda wurde 1974 für 500.000 Schilling Jahresgage von Ferrari engagiert und verdiente ab 1975 drei Millionen Schilling pro Jahr, womit er seine finanziellen Sorgen los war. Für 1977 forderte Lauda dann schon fünf Millionen, was heute inflationsbereinigt einem Gegenwert von rund einer Million Euro entspricht. Der Vertrag sollte ihn zum damals bestverdienenden Fahrer der Formel 1 machen - aber erst nach zähen Verhandlungen.

Lauda erinnert sich in seinem Buch an den Moment, nachdem er Enzo Ferrari seine Forderung gestellt hatte: "Dann brüllt er los, wie ich das noch nie erlebt habe, er schreit wie am Spieß: Eine Frechheit, eine Schweinerei, was ich mir erlaube, ich bin verrückt geworden, wir brauchen gar nicht mehr zu reden." Doch Piero Ferrari und Teammanager Daniele Audetto sollten vermitteln - und Lauda auch 1977 für Ferrari fahren...

News aus anderen Motorline-Channels:

Weitere Artikel:

Sensation am Freitag in Miami: Andrea Kimi Antonelli stellt den Mercedes auf Sprint-Pole, schlägt die McLaren-Stars und Weltmeister Max Verstappen

Zwischen Fortschritt und Nostalgie

Die V10-Debatte aus Fahrersicht

Die Gespräche über eine Rückkehr der Formel 1 zu V10-Motoren ebben nicht ab - Für einige Fahrer geht es dabei vor allem um leichtere und agilere Rennwagen

Lando Norris gewinnt am Samstag bei Regen in Miami, Kimi Antonelli wird Opfer von Max Verstappen, der seinerseits eine Zehnsekundenstrafe kassiert