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Formel 1: News

Heute wird es ernst für Red Bull Racing

Red Bull Racing muss sich heute vor dem Berufungsgericht der FIA in Paris verteidigen: Die Bullen beharren auf den ungenauen Messsensor der FIA.

Foto: FIA

Der Tag x für Red Bull Racing Racing ist gekommen: Heute wird in Paris die Disqualifikation von Daniel Ricciardo beim Großen Preis von Australien verhandelt. Der Australier war aus der Wertung genommen worden, weil sein Bolide laut FIA weite Teile des Rennens über der erlaubten Benzindurchflussmenge von 100 Kilogramm pro Stunde lag. Da Red Bull Racing Racing gegen die Entscheidung protestierte, landete der Fall letztendlich vor dem Berufungsgericht der FIA, wo heute die Frage geklärt werden soll, ob Ricciardo seinen zweiten Platz behalten darf oder nicht.

Während der Australier fernab des ganzen Trubels auf einen positiven Anruf seines Teams wartet, und sich lieber mit anderen Dingen beschäftigt, trafen Teamchef Christian Horner Co. heute Morgen vor dem FIA-Hauptquartier in Paris ein. Mit viel Zuversicht ging Red Bull Racing in den heutigen Tag, sah sich allerdings während des gesamten Vormittags unangenehmen Fragen ausgesetzt.

Um Punkt 9:30 Uhr eröffnete der holländische Richter Harry Duijm die Verhandlung im großen Sitzungssaal im FIA-Hauptquartier - und mahnte die Beteiligten gleich an, keine Zeit zu verschwenden. Er wollte die Zeugen nur zu Dingen befragen lassen, die nicht sowieso schon in den Akten stehen. Denn die Liste der potenziellen Zeugen war lang: Alleine Red Bull Racing bot neben Teamchef Christian Horner auch Technikchef Adrian Newey, Chefingenieur Paul Monaghan, Projektingenieur Jeff Calam, Renault-Ingenieur David Mart sowie drei Anwälte auf.

Auf der Gegenseite war die FIA durch Renndirektor Charlie Whiting und Motorenexperte Fabrice Lom vertreten - und auch einige andere Teams ließen sich vor Ort repräsentieren: Mercedes schickte Elektronikchef Evan Short in den Gerichtssaal, McLaren Filippo Sappia, Lotus Chefingenieur Alan Permane und Technikchef Nick Chester, Williams Technikchef Pat Symonds, und auch Force India hatte einen Rechtsvertreter in Paris.

Wie bereits nach dem Australien-Grand-Prix erklärt, stützt sich die Hauptargumentation von Red Bull Racing auf die Annahme, dass der Messsensor der FIA nicht ordnungsgemäß funktioniert und falsche Daten ausgespuckt hätte. Deswegen hatte das Team auch seine eigenen Daten als Referenz benutzt und erklärt, dass keine Regel besagt, dass man den Sensor der FIA als einzige Messung benutzen muss. Die Direktive von Charlie Whiting vor dem Rennen dazu sei nur eine Meinung - und keine feste Regel.

Doch FIA-Anwalt Sebastien Bernard widerspricht der kompletten Argumentation: Wie bei allen anderen Autos wurde auch der Sensor von Ricciardo nach dem Training mit einem Korrekturfaktor versehen, der Abweichungen ausgleichen sollte. Das Team habe die Messwerte und den Korrekturfaktor gekannt, der Freitag und Sonntag absolut identisch gewesen sein soll. Red Bull Racing hätte somit keinen Grund gehabt, sich der Anweisung der FIA zu widersetzen, zumal sich alle anderen Teams daran gehalten haben.

Das Vorgehen von Red Bull Racing sei daher verwerflich gewesen: "Wenn jeder nach eigenem Ermessen misst, weil er der Meinung ist, die offizielle Messung sei falsch, haben wir Anarchie", so Bernard laut auto motor und sport. Doch das ist noch nicht das Ende der Anschuldigungen gegen das Team von Christian Horner. Ricciardo sei laut FIA mit Ausnahme von fünf Runden immer über dem Limit gewesen - diese fünf Runden wurden hinter dem Safety-Car gedreht. In den letzten Runden betrug der Wert dabei konstant 101 Kilogramm pro Stunde. Die FIA sieht dies weiterhin als ganz klaren Wettbewerbsvorteil.

Auch Mercedes schießt im Gerichtssaal scharf gegen die Bullen: "Die neuen Beweise zeigen ganz klar, dass Red Bull Racing absichtlich und wissentlich die Regeln gebrochen hat, um sich einen sportlichen Vorteil zu verschaffen", bringt es Anwalt Paul Harris auf den Punkt. Laut ihm habe der Vorteil von Ricciardo dabei rund 0,4 Sekunden pro Runde betragen - übrigens: Gleiches behauptet auch Red Bull Racing. Hätte man sich auf die FIA-Messungen verlassen, hätte man 0,4 Sekunden pro Runde verloren.

Der genutzte Sensor habe stark abweichende Daten gezeigt - "und zwar mit einem klaren Wettbewerbsnachteil für uns", verteidigt Red Bull Racing Chefingenieur Paul Monaghan. Ein zweiter Sensor, den man am Samstag eingesetzt hatte, habe hingegen gar nichts angezeigt, weswegen man Sonntag wieder dem Freitagssensor vertrauen musste. Doch dieser habe schon zu Rennbeginn wieder die Daten vom Freitag gezeigt. "Der Wettbewerbsnachteil war so groß, dass wir ab da nur unseren eigenen Messungen vertraut haben. Das wird in den FIA-Statuten als Backup erlaubt, wenn der FIA-Sensor offensichtlich falsche Daten liefert."

Doch dass Red Bull Racing seinen eigenen Messungen vertrauen darf, wertet Mercedes-Anwalt Harris als falsches Signal: "Dürfen dann alle nach eigenen Messungen fahren? Und was passiert als nächstes? Darf jeder seine eigene Waage mitbringen, wenn er mit der FIA-Waage nicht zufrieden ist?" Zudem habe Red Bull Racing ja noch einen weiteren Sensor im Ersatzchassis in Australien gehabt, der allerdings nie eingesetzt wurde. Das Chassis sei allerdings im Verlaufe des Wochenendes zu Reparaturarbeiten zurückgeflogen worden - an einen Ausbau des Sensors habe man vorher einfach nicht gedacht, so Red Bull Racing.

Chefdesigner Adrian Newey räumt derweil ein, dass man gewusst habe, dass man einen Regelverstoß begeht, wenn man sich nicht an die Vorgaben der FIA hält. Allerdings habe man auch FIA-Motorenmann Fabrice Lom angekündigt, die Messungen des FIA-Sensors anzuzweifeln, weil man ansonsten eben einen großen Nachteil hätte. Newey meint, er würde dies auch anderen Teams im gleichen Fall gestatten: "Wenn sie plausible Beweise dafür haben, ja", erklärt der Brite laut 'auto motor und sport' vor Gericht.

Ein großes Streitthema im Ricciardo-Fall ist auch die Messweise des Red-Bull-Racing-Sensors. Dort wird nicht direkt die physikalische Durchflussmenge gemessen, sondern die Menge anhand einiger anderer Messungen berechnet: Öffnungszeit der Einspritzdüsen, Einspritzmenge, Benzindichte, Benzintemperatur. Zwar behauptet man bei Red Bull Racing, dass die Messungenauigkeit im Bereich von einem Prozent liege, doch der Mercedes-Anwalt winkt ab: "Kein Mensch weiß, welche Daten in das Modell eingegeben werden. Abhängig davon ist aber das Rechenergebnis."

Doch selbst Motorenfachmann Lom habe sich bei Renault über die Zuverlässigkeit der Messmethode überzeugt. Bei drei Testmessungen mit unterschiedlichen Benzintemperaturen habe die Abweichung maximal 0,4 Prozent betragen, auch wenn Renault-Motorenspezialist David Mart einräumen muss, dass die Abweichungen unter extremen Bedingungen bis 1,5 Prozent gehen können.

Warum es nun allerdings zur Diskrepanz in den Werten der Berechnungen kam, dafür hat Lom eine einfache Erklärung: Der Korrekturfaktor würde während des Trainings um 1,5 Prozent verändert, doch das Rechenmodell von Red Bull Racing habe diesen Unterschied nicht angezeigt, weil es von der Veränderung des Korrekturfaktors nichts gewusst habe. Für den Motorenmann ist daher klar: Der Sensor habe bei Ricciardo am Freitag einwandfrei funktioniert.

Als weiterer Beleg dafür sieht die FIA, dass ein anderer Sensor zwei Wochen später in Malaysia ähnliche Werte gemessen haben soll, was ebenfalls für ein ordnungsgemäß funktionierendes Bauteil spräche. Doch Red Bull Racing will das nicht gelten lassen, und verweist auf Runde 37 des Australien-Grand-Prix, wo der Messsensor plötzlich ohne ersichtlichen Grund einen deutlichen Anstieg der Durchflussmenge angezeigt habe. Während dies für Lom nur ein einmaliger Ausschlag sei, sehen die Bullen darin einen Beweis, dass der Sensor nicht richtig gemessen habe.

Im Moment will keine Partei von ihrer Meinung abweichen, doch alles kommt auf das Urteil von Richter Duijm an, das morgen Vormittag erwartet wird.

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