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Audi in der Schwebe Markus Duesmann (rechts) galt als Treiber des Formel-1-Projekts von Audi
Motorsport Images

Gerüchte um Audi-Verkauf: Warum Toyota keinen Sinn ergibt

Recherchen haben ergeben: Ein Verkauf des Audi-Projekts an Toyota ist derzeit kein Thema, dafür soll aber ein anderer Investor bereits angeklopft haben

Audi soll, so wurde das zumindest im August 2022 offiziell verlautbart, zur Saison 2026 als Werksteam in die Formel 1 einsteigen. Doch seit Audi-CEO Markus Duesmann aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, ranken sich zahlreiche Gerüchte und Spekulationen um das Projekt. Zuletzt auch, dass man das übernommene Schweizer Sauber-Team noch vor dem Einstieg 2026 an Toyota verscherbeln könnte.

Duesmann war, das ist in der Branche kein Geheimnis, der Treiber hinter Audis Formel-1-Plänen. Er soll die Pläne gegen einen Markenvorstand, der in der Frage Formel 1 ungefähr 50:50 gespalten war, letztendlich durchgedrückt haben.

Doch im Juni 2023 wurde Duesmann im Zuge interner Grabenkämpfe als CEO abgesetzt, und von seinem Nachfolger Gernot Döllner gibt es bis heute kein klares Bekenntnis dazu, das Formel-1-Programm wie geplant fortzusetzen. Zumindest kein öffentliches.

Das ist der Nährboden für Spekulationen, und zuletzt wurde von zahlreichen Internetmedien und Blogs berichtet, dass Audi den Stecker ziehen und die erworbenen Sauber-Anteile verkaufen könnte. Zum Beispiel an den japanischen Automobilhersteller Toyota, der von 2002 bis 2009 schon einmal in der Königsklasse des Motorsports engagiert war.

Warum das Toyota-Gerücht keinen Sinn ergibt

Spekulationen, die sich durch Recherchen von Motorsport-Total.com bisher nicht erhärten haben lassen. Welche Quellen man auch fragt: Dass Toyota das Audi-Projekt übernehmen könnte, wird von allen Beteiligten (meist "off-record", also informell) dementiert - und ergibt bei genauerer Betrachtung auch keinen Sinn.

Denn hätte Toyota ein Interesse daran, 2026 wieder in die Formel 1 einzusteigen, wäre der logischere Weg gewesen, an der FIA-Ausschreibung für neue Teams teilzunehmen und sich, wie Andretti-Cadillac, für einen elften beziehungsweise zwölften Startplatz zu bewerben. Beim größten Automobilhersteller der Welt wären vermutlich auch Liberty Media und die zehn bestehenden Teams aufgeschlossener gewesen als bei Michael Andretti.

Zumal es aus Toyota-Sicht von außen betrachtet wenig Sinn ergibt, Audi einerseits die Sauber-Anteile und andererseits den fast fertig gebauten Motorenstandort in Neuburg abzukaufen, wo man doch selbst in Köln-Marsdorf eine Fabrik besitzt, in der schon einmal Formel-1-Autos gebaut wurden und deren Windkanal bis heute an aktive Formel-1-Teams vermietet wird.

Toyota-Gerüchte: So hat alles angefangen

Ihren Ursprung haben die Gerüchte über ein Formel-1-Comeback von Toyota vermutlich in der Tatsache, dass Toyota-Kaderfahrer Ryo Hirakawa im September 2023 zusätzlich in den McLaren-Fahrerkader aufgenommen wurde und 2024 erstmalig einer von mehreren Ersatzfahrern des McLaren-Teams in der Formel 1 sein wird.

Auf Nachfrage von Motorsport-Total.com zu angeblichen Formel-1-Plänen von Toyota sagt Rob Leupen, Toyotas Teamdirektor in der Langstrecken-WM (WEC): "Toyotas Standpunkt zur Formel 1 ist, dass wir mit Ryo Hirakawa einen Fahrer haben, der die Möglichkeit hat, bei McLaren Erfahrung zu sammeln und zu sehen, wie die Formel 1 ist."

"Das hat unser Chef Akio Toyoda zusammen mit McLaren abgestimmt und umgesetzt. Und dementsprechend ist Ryo Hirakawa die Möglichkeit gegeben, das zu tun. Es geht hier nicht nur, sondern insbesondere um die Entwicklung des Fahrers in Richtung Formel 1", sagt Leupen und stellt klar: "Damit endet die Story auch schon."

"Damals sind wir aus der Formel 1 ausgestiegen. Heute sind wir in der WEC und in der WRC unterwegs. Ich glaube, das passt sehr gut zu Toyota, und das reicht glaube ich auch. Dazu kommt Kundensport im Bereich GT4 und GT3, mit dem RC F in der IMSA und in Japan. Wir sind sehr aktiv und sehr breit aufgestellt", sagt Leupen.

Toyota-Konzern klippt und klar: Kein Interesse an der Formel 1!

Klar ist: Die Entscheidung über einen etwaigen Formel-1-Einstieg von Toyota fällt nicht bei Leupens Team in Deutschland, sondern in Japan. Konzernchef Akio Toyoda war Ende September als Gast von McLaren in Suzuka vor Ort - eine Präsenz, die wahrscheinlich von vielen überinterpretiert wurde. Anlass für den Besuch soll, so hört man, wirklich "nur" Ryo Hirakawa gewesen sein.

Dass er seine Haltung zu einem Formel-1-Comeback in den vergangenen Jahren nicht verändert hat, stellte Toyoda im Nachklapp seines Suzuka-Besuchs klar. Über die konzerneigene Plattform Toyota Times ließ er am 13. Oktober zum Thema Formel 1 verlauten: "Solange ich Präsident bin, glaube ich nicht, dass das passieren wird."

Und auch Toyota-Motorsportberater Kazuki Nakajima winkt ab: "Derzeit gibt's dazu ein klares Nein." Hirakawas Platzierung bei McLaren habe mit einem Formel-1-Comeback der Marke "nichts zu tun. Mir ist bewusst, dass es viele Gerüchte gibt. Aber zu denen kann ich klar nein sagen. Was irgendwann in der Zukunft passiert, weiß man nie."

Enge Verbindung zwischen Toyota und dem FIA-Präsidenten

Hätte Toyota ernsthaftes Interesse an der Formel 1, würde man vermutlich einen anderen Weg gehen als über Audi. Dazu muss man wissen: Zwischen Akio Toyoda und FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem sollen 2023 mindestens zwei persönliche Treffen stattgefunden haben. Laut Informationen von Motorsport-Total.com wurde aber bei keinem davon über die Formel 1 gesprochen.

Und das wäre, sollte an der Audi-Story etwas dran sein, ziemlich sicher passiert. Denn viele haben womöglich nicht auf dem Radar, dass zwischen bin Sulayem und Toyota eine enge Verbindung besteht. Der heutige FIA-Präsident hat einige der größten Erfolge seiner Rallye-Raid-Karriere als Toyota-Fahrer errungen.

Audi: Immer mehr Insiderberichte über Zweifel

Aber: Nur weil die Toyota-Story eine Luftnummer zu sein scheint, bedeutet das nicht, dass an den Gerüchten über einen Audi-Rückzieher nichts dran ist. Seit Wochen werden offizielle Anfragen zum Thema Formel 1 mit den immer gleichen Floskeln abgespeist, während Neo-CEO Döllner öffentlich kein klares Bekenntnis dazu abgibt, den von Duesmann initiierten Formel-1-Einstieg durchzuziehen.

Das ist per se erstmal nicht ungewöhnlich, denn Döllner ist am Beginn seiner Amtszeit als CEO an eine auf 100 Tage ausgelegte Schweigeperiode gebunden, während der es im Konzern als Usus betrachtet wird, keine Interviews und sonstige öffentliche Äußerungen abzugeben. Derzeit befindet sich Döllner bei Tag 72 seit seinem offiziellen Amtsantritt am 1. September.

Hört man sich jedoch im Audi- und Volkswagen-Umfeld um, so gibt es nicht wenige, die der Meinung sind, dass der Audi-Einstieg in die Formel 1 kippen könnte. Döllner sei, anders als Duesmann, kein glühender Motorsportfan, sondern ein pragmatischer Manager. Und als solcher hat er andere Sorgen als die Formel 1.

Zum Beispiel den strauchelnden Absatzmarkt China, aber auch die aktuelle Modellpalette, die dringend einen Verkaufsschlager gebrauchen könnte. Wenn Döllner der Meinung ist, dass das Geld woanders besser investiert ist als in der Formel 1, dann wird er womöglich ungeachtet des drohenden Shitstorms aus der Formel-1-Community den Stecker ziehen, sagt ein Insider.

An wen könnte Audi den Startplatz verkaufen?

Um den Stecker ziehen zu können und den entstandenen Schaden durch die revidierte Entscheidung zu minimieren, braucht es allerdings einen Investor, der bereit wäre, Audi das Sauber-Team abzukaufen. Dem Vernehmen nach wird Audi Ende 2025 75 Prozent am Schweizer Rennstall besitzen. Und dafür soll Audi gut eine halbe Milliarde Euro bereitgestellt haben.

Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, wie viele Interessenten gerade in die Formel 1 einsteigen möchten und bereit sind, viel höhere Summen dafür zu bezahlen. Audi könnte mit den Erlösen aus einem vorzeitigen Verkauf einerseits entstandenen finanziellen Schaden kompensieren und andererseits Finn Rausing abfertigen, den bisherigen Eigentümer des Sauber-Teams.

Laut Informationen von Motorsport-Total.com gibt es mehrere mögliche Investoren, die für einen solchen Plan in Frage kommen könnten. Eine Investorengruppe, mit einem ehemaligen Volkswagen-Manager an Bord, wird von Insidern als "seriös" bewertet. Um wen es sich dabei konkret handelt, ist derzeit aber nicht verlässlich in Erfahrung zu bringen. Ebenso wenig wie der mögliche Kaufpreis.

Warum das Informationsvakuum Seidls Arbeit schadet

Das Teammanagement um Andreas Seidl und Alessandro Alunni Bravi ist von den Gerüchten um einen möglichen Audi-Rückzieher nur am Rande betroffen. Sollte wirklich der Stecker gezogen werden, entscheiden darüber nicht die beiden, sondern der Vorstand der Marke.

Tatsache ist aber: Je länger in der Öffentlichkeit über Audis Zukunft in der Formel 1 spekuliert wird, desto schlechter für die Chancen des Projekts, von Anfang an erfolgreich zu sein. Seidl hat - siehe zum Beispiel James Key - bereits damit begonnen, erfolgreich Personal von der Konkurrenz abzuwerben. Doch wer geht jetzt noch zu einem Hersteller, hinter dessen Projekt so viele Fragezeichen stehen?

Sicher auch ein Grund, warum sich Alunni Bravi zuletzt bemüßigt sah, öffentlich auf die herumschwirrenden Gerüchte einzugehen. Der gelernte Rechtsanwalt spricht von einem "starken Bekenntnis" von Audi zur Formel 1 und verweist in diesem Zusammenhang auf die Konzerngremien von Audi und Volkswagen, die das Programm bereits abgesegnet haben.

Genau die gleiche Standardantwort also, die man erhält, wenn man bei Audi offiziell nach dem Stand der Dinge fragt. Nur: Ob sich seit den Gremienentscheidungen etwas verändert haben könnte, ist der eigentlich springende Punkt. Einer, auf den Döllner vermutlich eingehen wird, sobald seine Schweigefrist als Audi-CEO endet. Das wird Mitte Dezember der Fall sein.

Solange Alfa da ist, gibt's keine Kommunikation zu Audi

Dazu kommt: Zwar hat Audi bereits 25 Prozent des Sauber-Teams übernommen, als Stufe 1 der geplanten Transaktion; doch nach außen hin ist der Rennstall bis Saisonende 2023 mit Titelsponsor Alfa Romeo liiert, einem konkurrierenden Automobilhersteller. Man respektiere Alfa Romeo und werde sich daher vor Ende der Partnerschaft nicht zu anderen Themen äußern, heißt es.

Aber Alunni Bravi unterstreicht: "Das Bekenntnis ist da. Wir arbeiten hart daran, die Struktur des Teams zu entwickeln. Wir werben fleißig Personal an. James Key ist ein Name, aber es stoßen auf wöchentlicher Basis neue Mitarbeiter zu uns."

Dabei gehe es gar nicht in erster Linie um den Audi-Einstieg. Mit Audi und Rausing habe man "zwei Eigentümer, und es gibt eine Unternehmensführung entsprechend der verschiedenen Stadien der Transaktion, die vor der Saison 2026 abgeschlossen sein wird". Und im Rahmen dessen setze man den Entwicklungs- und Investmentplan unverändert fort.

Das bedeutet unterm Strich, dass das Warten in Hinwil und Neuburg, ob's wirklich klappt mit dem Audi-Werkseinstieg oder ob es doch noch zum Rückzieher kommt, erstmal solange weitergeht, bis sich Döllner öffentlich zu Audis Plänen äußert. Das könnte frühestens nach Saisonende 2023 der Fall sein. Und zumindest bis dahin bleiben die Fragezeichen.

Motorsport-Total.com

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