Neue Reifenregel ab 2024? | 11.09.2023
Pirelli: Wird die alternative Reifenzuordnung zum Formel-1-Standard?
Was die Formel 1 dazu bewegen könnte, ab der Saison 2024 immer nur elf statt 13 Reifensätze pro Fahrer und Rennwochenende zu veranschlagen
Bislang ist es nur ein Experiment: Beim Ungarn-Grand-Prix am Hungaroring und beim Italien-Grand-Prix in Monza hat die Formel 1 eine alternative Reifenzuordnung ausprobiert. Dabei hat jeder Fahrer elf statt 13 Reifensätze pro Wochenende erhalten, im Qualifying waren alle drei Mischungen vorgeschrieben. Und geht es nach Pirelli-Sportchef Mario Isola, dann soll dieses Vorgehen der neue Formel-1-Standard werden.
"Mir persönlich gefällt der Ansatz", sagt Isola. "Durch die alternative Reifenzuordnung ist das Qualifying viel interessanter. Die Fahrer müssen sich nämlich rasch an unterschiedliche Griplevels anpassen. Man sieht, wie sie mehr und mehr Druck machen und immer schneller werden, weil die Reifenmischungen immer weicher werden."
Denn genau das ist der Clou an der alternativen Reifenzuordnung: Im Qualifying sind in Q1 Hard-Pneus zu fahren, in Q2 Medium und in Q3 Soft. Fahrer und Fahrzeug müssen binnen kurzer Zeit also auf jeder Reifenvariante Speed beweisen.
Lob und Kritik für das alternative Reifenformat
"Ich halte das für einen guten Weg, einerseits die Anzahl der Reifen zu reduzieren und andererseits an der Strategie zu feilen, aber ohne die Show zu beeinträchtigen", sagt Isola. "Und: Manchmal ist die Show dadurch sogar besser."
Das sehen nicht alle Beteiligten so wie der Pirelli-Sportchef. WM-Spitzenreiter Max Verstappen etwa meint: "Wahrscheinlich verschlimmert es die Situation für Autos weiter hinten im Feld. Denn die schnellsten Autos sind auf den härteren Mischungen noch besser."
Carlos Sainz wiederum schätzt die Herausforderung, sich im Qualifying "immer neu anzupassen und den Grip suchen" zu müssen. Das lasse Raum für Überraschungen. "Es ist eben alles ein bisschen mehr improvisiert", sagt Sainz.
Wird die Alternative bald zum neuen Standard?
Sollte die Formel 1 also künftig nur noch auf das neue Format setzen? "Darüber müssen wir jetzt sprechen und die Vor- und Nachteile abwägen", erklärt Pirelli-Sportchef Isola. "Dann treffen wir eine Entscheidung."
Und bis dahin gelte es, etwaige Bedenken auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen. Ein Gegenargument zum Beispiel lautet, durch die geringere Anzahl Reifensätze leide das sportliche Produkt auf der Rennstrecke, weil in den Freien Trainings weniger Runden absolviert würden.
Aber stimmt das? Isola gibt an, Pirelli habe für Monza die Vergleichswerte zum Vorjahr gesichtet. Ergebnis: "Die Zahlen sind sehr ähnlich. Wenn man die rote Flagge im zweiten Training [2023] bedenkt, war es praktisch deckungsgleich."
Pirelli signalisiert Gesprächsbereitschaft
2022 hatten die Teams in den drei Freien Trainings in Monza 509, 507 und 384 Runden gedreht, insgesamt also 1.400 Runden. 2023 waren es 483, 397 und 455 Runden, was zusammen 1.335 Runden ergibt. Der Unterschied: 65 Runden.
Für Pirelli ist das kein Beweis, dass die alternative Reifenzuordnung den Fahrbetrieb zu sehr einschränkt. Oder wie es Isola formuliert: "Die Teams brauchen die Runden, um ihre Informationen zu sammeln. Die Reifenzuordnung hat das nicht beeinträchtigt."
Er signalisiert aber Gesprächsbereitschaft: "Wenn Feintuning [an den Reifenregeln] erforderlich wird, dann ist das möglich. Zum Beispiel: Wir könnten einen weiteren Reifensatz für das zweite Freie Training nominieren. Dann gäbe es sechs statt sieben Sätze für das Rennen. Das ist mehr als genug." Und damit wären die Teams im Freitagstraining etwas flexibler und könnten theoretisch mehr fahren.