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Oscar Piastri steht am Start neben dem Champion Max Verstappen war Im Suzuka-Qualifying nicht zu schlagen, doch hat McLaren im Rennen bessere Chancen?
Motorsport Images

Reifenschlacht in Japan: McLaren mit strategischem Vorteil gegen Red Bull?

Max Verstappen geht nach seiner Poleposition als haushoher Favorit in den Formel-1-Grand-Prix von Japan 2023, doch hat McLaren noch ein Ass im Ärmel?

Beim Grand Prix von Japan werden Max Verstappen und McLaren-Pilot Oscar Piastri zum ersten Mal nebeneinander in der ersten Startreihe bei einem Formel-1-Rennen stehen, doch beim Blick auf die Performance der Teams über das gesamte Wochenende dürfte der Start der einzige Moment sein, an dem jemand gefährlich nahe am WM-Führenden Verstappen herankommt.

Der Niederländer hat sich nicht nur die Poleposition mit einer klaren halben Sekunde Vorsprung gesichert, denn auch seine Rennsimulation mit viel Sprit im 2. Freien Training am Freitagnachmittag war unerreicht. Mehr als 6 Zehntel Vorsprung pro Runde waren es dort auf den ersten Verfolger, Valtteri Bottas im Alfa Romeo.

"Das Auto ist schnell über eine Runde und auch im Longrun", sagt Verstappen. "Es sind aber einige Runden, und die Reifen bauen ziemlich stark ab. Man muss während des Rennens also auf sie achten. Aber normalerweise sollte das Auto schnell sein."

Helmut Marko: McLaren strategisch im Vorteil

Und auch Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko hat keine großen Befürchtungen für das Rennen: "Nein, wir haben ja gesehen: Der Max ist in Q2 mit gebrauchten Reifen gefahren. Die sind normal 5 bis 7 Zehntel langsamer und er war lange, lange vorn, bis die anderen einen zweiten Satz herausgezaubert haben."

"Also, im Reifenmanagement ist er zwischenzeitlich auch schon Weltklasse. Und der Wind schadet unserem Auto mittlerweile nicht mehr so wie in der Vergangenheit. Also, wenn nichts Außergewöhnliches passiert, sind wir positiv", so Marko.

"Ich hoffe, wir gewinnen den Start und dann könnte Max sein Tempo entsprechend variieren. McLaren hat, falls es noch wärmer wird, einen weiteren Vorteil, die haben noch zwei neue Satz harte Reifen, wir haben nur einen Satz. Aber wenn es ein Zweistopprennen ist und wir vorne sind am Start, dann glaube ich, dass wir das gewinnen."

McLaren: Doppelpodium sollte drin sein

Während McLaren am Freitag noch etwas zurückhaltend unterwegs war und Ferrari den stärkeren Eindruck machte, scheint sich das Kräfteverhältnis im Verfolgerfeld mit dem zunehmenden Wind am Samstag etwas zugunsten des Teams aus Woking verschoben zu haben. Ohne einen Ausfall von Verstappen wird man jedoch keine Siegchance haben. Fast eine Sekunde pro Runde fehlte im Longrun auf Verstappen.

"Ich glaube, wir können [unsere Positionen im Rennen] halten", vermutet McLaren-CEO Zak Brown. "Es wird nicht einfach, aber unser Reifenverschleiß und unsere Rennpace sehen gut aus. Es wäre natürlich klasse, ein oder gleich beide Autos an Verstappen vorbeizubringen am Start und mit ihm zu racen, aber ich glaube, wir können mit beiden Autos auf das Podium fahren."

Formel-1-Experte erklärt: Warum McLaren die Puste ausgeht

Auch ORF-Experte Alexander Wurz glaubt nicht an eine McLaren-Siegchance im Rennen: "[McLaren holt die Pace] über eine ineffiziente Aerodynamik. Die Stärke im Red Bull ist, dass sie auf der Geraden so extrem schnell sind. Das heißt, sie erreichen den Abtrieb mit wenig Luftwiederstand und McLaren hat im Verhältnis sehr viel Luftwiederstand und dementsprechend verlieren sie dann auf den eher geraderen Streckenteilen im Mittelsektor und beim letzten Sektor."

"Und da müsste McLaren dran arbeiten. Für morgen können sie das nur über den Mehrabtrieb über ein besseres Reifenmanagement machen. Aber auch da muss ich ganz ehrlich sagen, also ich will jetzt nicht die Spannung rausnehmen, aber das war heute beeindruckend, dass die Balance [des Red Bulls] vom ersten zum letzten Sektor intakt bleibt. Das spricht auch für das Reifenschonen des Red Bulls."

Kann Sergio Perez bis auf Platz 2 vorfahren?

Nicht ganz so beeindruckend sieht es dafür bei Verstappens Teamkollegen Sergio Perez aus. Der Mexikaner wurde im Qualifying nur 5. und auch in den Longruns am Freitag war er langsamer als Charles Leclerc und die beiden McLarens. Dennoch hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass Perez im Rennen meistens besser wird im Vergleich zum Qualifying, weshalb ein Podium keinesfalls auszuschließen ist.

Zudem hat er den Vorteil, dass der RB19 das Auto ist, was am besten mit den Reifen umgeht, was strategische Vorteile am Sonntag haben könnte. Möglicherweise könnte Perez auf den harten Reifen starten, um einen Overcut gegen die McLarens und Leclerc zu fahren.

Das Risiko eines frühen Safety-Cars, wenn man mit den harten Reifen startet, wird anders als in Singapur vor einer Woche deutlich geringer sein, da die Teams auf zwei Stopps setzen werden. Perez hätte also nicht den Nachteil, dass er das Rennen auf dem Medium-Reifen durchfahren müsste, da ohnehin alle noch einmal zum Reifenwechsel kommen werden.

Mit einer Undercutstrategie wird er hingegen kaum 3 Plätze auf einmal gutmachen können, deswegen könnte Perez sich strategisch mit einem Overcut ein Reifendelta erarbeiten, mit dem es am Ende leichter ist, zu überholen. Grundlage ist jedoch, dass seine Pace tatsächlich besser ist als die der McLarens und Leclerc, sonst bringt die beste Strategie nichts.

Wird Ferrari von Mercedes geschluckt?

"Ich denke, dass die beiden Red Bulls sehr schnell sein werden, denn der Unterschied zwischen Max und Checo war schon ziemlich groß mit wenig Benzin, und mit viel Benzin werden sie viel näher beieinander sein", rechnet auch Ferrari-Pilot Charles Leclerc.

"Ich erwarte also, dass Checo morgen schneller sein wird. Bei den McLarens sind wir von der Rennpace her viel näher dran, aber sie werden wahrscheinlich freie Luft haben. Es wird also schwierig sein, sie zu überholen, aber vielleicht mit der Strategie oder am Start, wir werden sehen."

Zwar war Leclerc im Longrun schneller als McLaren, doch der Ferrari hatte wieder große Probleme mit dem Reifenverschleiß, was sich auf einem relativ kurzen Stint im Longrun noch nicht in aller Größe gezeigt hat. Es ist damit auch nicht auszuschließen, dass Mercedes von hinten eine Gefahr für die Scuderia werden könnte. Dem Mercedes W14 fehlte am gesamten Wochenende etwas an Pace, doch beim Reifenverschleiß war nur Red Bull besser.

Die Ambitionen von Mercedes-Pilot George Russell halten sich jedoch in Grenzen: "Ich glaube, wir haben zwei harte Reifen im Vergleich zu einigen anderen Teams. Das könnte ein kleiner Vorteil sein. Aber wenn man in den schnellen Kurven Probleme hat, dann rutscht man und verbraucht die Reifen noch mehr. Es gibt also keinen Grund, warum McLaren und Ferrari nicht weniger Verschleiß als wir haben sollten."

Daten zeigen: 2 Stopps die schnellste Strategie

Leclerc fügt hinzu: "Vor allem bei den sehr warmen Temperaturen in diesem Jahr ist die Überhitzung sehr, sehr schlimm. Daher erwarte ich, dass es vor allem um das Reifenmanagement und die Strategie gehen wird."

Strategie ist dabei ein gutes Stichwort. Vor dem Wochenende war noch nicht ganz klar, ob 1 oder 2 Stopps in Japan die schnellere Variante sein werden, doch nach den Freitagslongruns ist klar: Der Reifenverschleiß ist deutlich höher als erwartet, was mehrere Reifenwechsel zur Folge haben könnte.

Simuliert man die Daten des Wochenendes auf das Rennen mit der Strategiesoftware OneTiming von PACETEQ hoch, so wäre die Strategie Medium-Hard-Hard die schnellste. Allerdings sind andere Variationen der Zweistoppstrategie ähnlich schnell, sodass es eher darauf ankommt, welche Reifen die Teams noch zur Verfügung haben.

Nach den Erkenntnissen vom Freitag ist eine Einstoppstrategie nur schwer vorstellbar, welche hochgerechnet auch 5 Sekunden über die Renndistanz langsamer als die Zweistopp ist. Trotzdem ist es nicht völlig auszuschließen, dass Teams, die gut mit den Reifen umgehen, eine solche Strategie in Erwägung ziehen, um sich einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. 3 Stopps sollten jedoch kein Thema sein, 11 Sekunden wäre diese Strategie langsamer als die Zweistopp.

Während Max Verstappen sich beim Großen Preis von Japan wohl nur selbst schlagen kann, wird es dahinter einige interessante Konstellationen geben: Kann Perez bis auf Platz 2 vorfahren? Geht die Reise für Ferrari eher nach vorne oder droht Mercedes von hinten? Und wer holt sich im Mittelfeld die letzten Punkte?

Für Hardcore-Fans endet der Formel-1-Tag jedenfalls auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de. Dort gibt's nämlich am Samstag und Sonntag jeweils um 13:00 Uhr deutscher Zeit die F1-Show mit Host Kevin Scheuren und Chefredakteur Christian Nimmervoll. Die beiden analysieren das Qualifying, liefern Stimmen und Reaktionen nach, die im TV nicht zu sehen waren, und beantworten Fragen der Kanalmitglieder.

Motorsport-Total.com

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