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Formel 1: Analyse Formel-1-Fahrzeug 2026 mit Cadillac-Logo und -Schriftzug
FIA

Analyse: Warum sich Cadillac für Bottas und Perez entschieden hat

Statt Mick Schumacher oder einem US-Fahrer wählte Cadillac Valtteri Bottas und Sergio Perez: Hinter der Entscheidung steckt mehr als reine Vorsicht

Ursprünglich wollte Andretti einen US-Amerikaner in die Formel 1 bringen. Doch das Cadillac-Projekt hat sich jetzt für Valtteri Bottas aus Finnland und Sergio Perez aus Mexiko entschieden - obwohl es auch andere Kandidaten gegeben hätte.

Deutsche Fans etwa hofften auf ein Comeback von Mick Schumacher. Aber auch Franco Colapinto, Jak Crawford, Jack Doohan, Felipe Drugovich, Frederik Vesti und Guanyu Zhou waren im Gespräch.

Das liest sich wie eine Namensliste - dabei hat Cadillac-Teamchef Graeme Lowdon mehrfach betont, dass es "nie eine Liste" gegeben habe. Man könnte den Auswahlprozess also eher als "Schaufensterbummel" bezeichnen.

Der US-Satiriker PJ O'Rourke veröffentlichte einst ein Buch mit dem Titel "Age and Guile Beat Youth, Innocence and a Bad Haircut" (auf Deutsch: "Alter und Tücke schlagen Jugend, Unschuld und einen schlechten Haarschnitt). Mit Bottas hat Cadillac nun eine Mischung dieser scheinbar gegensätzlichen Eigenschaften im Team. Perez bringt ebenfalls große Erfahrung mit - und dazu eine zurückhaltendere Frisur - noch.

Beide sind bekannte Größen, im Gegensatz zu den "bekannten Unbekannten" aus der angeblichen Nicht-Liste. Und im Fall von Schumacher kam dazu: Er hat in der Vergangenheit eine Reihe kostspieliger Reparaturrechnungen produziert.

Bottas gilt als zuverlässig schneller Fahrer, der gut mit Teamkollegen auskommt und als sichere Bank gilt - auch wenn es eine gewisse Ironie hat, dass er nun mit Perez zusammenspannen wird.

Denn einer seiner seltenen Aussetzer endete 2021 in Ungarn damit, dass er Perez (und mehrere andere) gleich am Start aus dem Rennen kegelte. Auch in Abu Dhabi kollidierten die beiden im vergangenen Jahr - bei ihrem vermeintlichen Abschiedsrennen.

Wie Cadillac die Fahrerwahl begründet

Leicht ließe sich folgern, Cadillac habe aus purer Vorsicht entschieden - und sich zusätzlich den kommerziellen Vorteil von Perez im lukrativen lateinamerikanischen Markt gesichert. Doch Dan Towriss als Geschäftsführer des Teams stellte klar, dass man beide Fahrer gründlich geprüft habe: Ob Bottas noch schnell genug sei, und welchen Anteil das Material an Perez' schwierigen letzten Monaten bei Red Bull gehabt habe.

Er sagte: "Wir haben uns viel mit Bottas' Vergangenheit beschäftigt und mit der Situation bei Sauber - und wie Valtteri dort mit dem Auto umgegangen ist. Dann natürlich das Verhältnis zwischen Qualifying- und Rennperformance."

"Und bei Red Bull war es eine noch kompliziertere Situation. Das ist ein Team, das klar auf einen Fahrer zugeschnitten ist. Keiner der anderen hat sich in diesem zweiten Cockpit behaupten können. Wir haben deshalb intensiv mit Leuten bei Red Bull gesprochen und Feedback eingeholt."

Auch kommerzielle Überlegungen spielten eine Rolle: "Checo und Valtteri haben für Sponsoren eine sehr starke Strahlkraft, da sie seit vielen Jahren im Formel-1-Zirkus unterwegs sind", sagte Towriss. Er versichert: Das sei "nicht ausschlaggebend" gewesen. "Entscheidend war ihre Erfahrung."

Wo ist der angestrebte US-Fahrer?

Doch da Cadillac zumindest nominell ein amerikanisches Team ist - auch wenn es faktisch im britischen "Motorsport-Valley" bei Silverstone angesiedelt ist -, stellt sich zwangsläufig die Frage: Warum kein US-Fahrer?

Jak Crawford zum Beispiel, der aktuell in der Formel 2 für DAMS fährt und hinter Leonardo Fornaroli Zweiter in der Meisterschaft ist. Der Amerikaner ist in seinem dritten Jahr in der Nachwuchsklasse und muss 2026 den Aufstieg schaffen. Parallel ist er Teil des Aston-Martin-Förderprogramms und dort im Simulator in das 2026er-Projekt involviert.

Selbst bei einem Formel-2-Titel droht ihm allerdings das gleiche Schicksal wie Felipe Drugovich 2022: jahrelang nur als Ersatzmann auf der Bank zu sitzen. Auch Drugovich stand, wie zu hören ist, auf Cadillacs Nicht-Liste.

Crawford wurde wohl deshalb nicht genommen, weil man ein ähnliches Szenario wie bei Williams und Logan Sargeant fürchtete: ein junges Talent, das in einem schwierigen Auto rasch an Selbstvertrauen verliert.

Es hätte Alternativen gegeben

Wenn Erfahrung so entscheidend ist, warum dann nicht Alex Palou oder Pato O'Ward? Sie sind zwar nicht in den USA geboren, aber erfolgreiche IndyCar-Fahrer mit großem Bekanntheitsgrad in Nordamerika - und erklärtem Interesse an der Formel 1.

Palou absolvierte 2022 Testfahrten im McLaren und ein Training beim USA-Grand-Prix, doch seither ist sein Formel-1-Profil verblasst - nicht zuletzt wegen einer 30-Millionen-Dollar-Vertragsklage. Nach seinem vierten IndyCar-Titelgewinn sagte Palou selbst: Die Formel 1 reize ihn nicht mehr.

O'Ward saß ebenfalls mehrfach in einem McLaren, zuletzt beim Freitagstraining in Mexiko. Das wirkte allerdings eher wie eine PR-Maßnahme: Er durfte neue Aero-Teile evaluieren - aber wurde ausdrücklich angewiesen, "nicht zu schnell" zu fahren.

Solange kein Formel-1-Team bereit ist, einem IndyCar-Fahrer ein umfangreiches Testprogramm zu bieten, bleibt der Wechsel in die "Königsklasse" unrealistisch.

Es scheint also weniger eine Frage des Talents zu sein, sondern der Weichenstellung: Wer als Amerikaner in die Formel 1 will, muss sich schon früh für den europäischen Nachwuchspfad entscheiden. Wer in den USA bleibt, hat kaum eine Chance.

Oder, um es mit den Worten von PJ O'Rourke zu sagen: Der Weg eines US-Fahrers in die Formel 1 gleicht einem verzweigten Flussdiagramm voller Sackgassen.

Motorsport-Total.com

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