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Nur einer schlägt Carlos Sainz! Carlos Sainz wäre im Baku-Qualifying beinahe zur ganz großen Sensation geworden
LAT Images

Beinahe-Sensation im Baku-Qualifying

Max Verstappen erobert die Pole zum Grand Prix von Aserbaidschan vor Carlos Sainz und Liam Lawson - Oscar Piastri und Charles Leclerc crashen in Q3

Beinahe hätte es im Formel-1-Qualifying in Baku eine Sensation gegeben: Carlos Sainz war drauf und dran, sich die Poleposition für den Grand Prix von Aserbaidschan 2025 zu sichern. Der Williams-Pilot setzte früh in Q3 eine Bestzeit von 1:41.595 Minuten - und hatte danach die Wettergötter auf seiner Seite, die es regnen ließen, als die Session wegen eines Unfalls von Charles Leclerc (Ferrari) unterbrochen werden musste.

Leclerc, zuletzt viermal hintereinander auf der Baku-Pole, hatte sich mit Müh und Not ins dritte Qualifying durchgezittert. Im Q3 rutschte zuerst George Russell (Mercedes) bei Kurve 4 aus, als der Grip wegen des Regens nachließ, und Leclerc blieb beim Anbremsen von Kurve 15 das innere Rad stehen, wodurch der Ferrari unkontrollierbar wurde und geradeaus in die Mauer untersteuerte.

7:07 Minuten waren noch auf der Uhr, es war windig in Baku, und der ohnehin nur leichte Regen ließ wieder nach. Sainz scherzte am Boxenfunk darüber, ob seine Crew nicht vielleicht einen Regentanz einlegen möchte. Kein Wunder, träumte er doch von seiner ersten Poleposition seit Mexiko 2024, damals noch auf Ferrari.

Als die Session wieder freigegeben war, war Max Verstappen (Red Bull) drauf und dran, Sainz' Zeit zu unterbieten. Doch ein paar Meter, bevor der Niederländer nach besten Zwischenzeiten die Ziellinie überqueren konnte, kamen wieder rote Flaggen. Diesmal wegen eines Crashs des WM-Führenden: Oscar Piastri (McLaren) war bei Kurve 3 heftig abgeflogen.

"Die ersten beiden Kurven waren wirklich gut, und dann weiß ich nicht, ob ich einfach ein bisschen zu viel versucht habe", sagt Piastri. "Es hat ja geregnet, und deshalb gab es schon in der Out-Lap ein paar Kurven, die sich ein bisschen tricky angefühlt haben. Aber ich weiß nicht, ob es unbedingt daran lag. Ich denke, dass ich ein kleines bisschen zu viel wollte."

Es waren nur noch 3:41 Minuten auf der Uhr, und Sainz lag immer noch vor den beiden Racing Bulls in Führung. Sechs rote Flaggen in einem einzigen Qualifying, das hatte es in der Geschichte der Formel 1 noch nie gegeben. Und zumindest bei Start und Ziel waren jetzt in den TV-Kameras wieder ein paar Regentropfen zu sehen. Es roch nach der ersten Williams-Pole seit Felipe Massa beim Grand Prix von Österreich 2014.

Dann legte auch noch Topfavorit Lando Norris (McLaren) eine fehlerhafte Runde hin, die nur zu Platz 7 reichte - aber auf Verstappen war im entscheidenden Moment Verlass: Er behielt die Nerven und unterbot auf seiner letzten Runde mit weichen Reifen die Sainz-Bestzeit doch noch um fast eine halbe Sekunde. Startplatz 1 also für den (noch) amtierenden Weltmeister.

Sainz wurde sensationell Zweiter, 0,112 Sekunden vor Liam Lawson (Racing Bulls) und Andrea Kimi Antonelli (Mercedes) in Reihe 2. Russell und Yuki Tsunoda (Red Bull) folgen in Reihe 3, vor Norris, Isack Hadjar (Racing Bulls), Piastri und Leclerc.

Es sei aus seiner Sicht ein "perfektes" Qualifying gewesen, sagt Sainz. Er schwärmt: "Jedes Mal die richtigen Reifen zur richtigen Zeit, und dazu ein paar wirklich starke Runden. Klar, in dem Moment, in dem ein Top-Auto alles zusammenbringt, fehlen uns immer diese vier, fünf Zehntel. Aber es war nur einer, nämlich Max. den Rest haben wir geschlagen."

Norris hingegen weiß nach dem Qualifying, "dass ich jetzt wie der große Verlierer aussehe und die anderen wie die großen Helden. Aber das ist manchmal der Preis, den man hier zahlt, für die Risiken, die man eingehen muss. Vielleicht hätte ich ein, zwei Positionen weiter vorne stehen können. Die Runde war einfach nicht so gut, wie sie hätte sein müssen. Der Grip war nicht da."

Lewis Hamilton, am Freitag noch überraschend Trainingsschnellster und in der Hoffnung, beim Bremsen einen Durchbruch erzielt zu haben, schied bereits in Q2 aus und belegte den zwölften Platz. Grund dafür war eine strategisch fragwürdige Herangehensweise von Ferrari, denn rein vom Speed her war Hamilton in Baku bis dahin recht konkurrenzfähig.

Nico Hülkenberg (Sauber) schied als 17. in Q1 aus. Der Deutsche hatte zuerst einen Crash in Kurve 4 und war dann auf seiner letzten Q3-Runde einfach nicht schnell genug. Tiefpunkt in Q1 war aber nicht der Deutsche, sondern der kuriose Doppelabflug von Alpine, der für Franco Colapinto theoretisch noch ein Nachspiel haben könnte, weil er bei Kurve 4 unter gelben Flaggen verunfallte.

Vorzeitiges Rot in Q1 wegen Doppelabflug von Alpine

Für Alexander Albon (Williams), als Siebter im Abschlusstraining noch heißer Kandidat auf einen Q3-Einzug, war das Qualifying schon nach Q1 beendet. Der Thailänder lag gerade auf Rang 15, als er eine weitere schnelle Runde in Angriff nahm und sich innen in der ersten Kurve das linke Vorderrad abschlug. "Fuck, I'm out", funkte er. "Ich bin draußen."

Später räumte Albon im ersten TV-Interview die Schuld auf sich: "War ein Fahrfehler. Ich habe mich einfach verschätzt. Ich hatte nicht damit gerechnet, so viel Grip zu haben. Mein Fehler. Schade, denn ich glaube, wir hatten den Speed für Q3."

Ein Unfall, wie er auf Stadtkursen in der Formel 1 immer öfter vorkommt, dass ein Fahrer innen zu wenig Platz lässt. Sky-Experte Ralf Schumacher glaubt, dass das mit der Sicht aus den modernen Autos zu tun hat: "Das passiert immer häufiger. Unglaublich, dass die Autos so eine schlechte Übersicht haben. Nächstes Jahr ändern sich die Autos ja. Gott sei Dank."

Die Session wurde wegen des Unfalls für ein paar Minuten unterbrochen, und als es mit gut elf Minuten Restzeit weiterging, standen zunächst Piastri und Antonelli unter Druck, denn die beiden hatten noch keine gezeitete Runde gesetzt. Antonelli war zudem wegen eines "Yellow-Flag-Infringements" (gelbe Flagge) ins Visier der Rennkommissare geraten. Die Untersuchung findet erst nach dem Qualifying statt.

Den nächsten Abflug in Q1 fabrizierte Nico Hülkenberg (Sauber), der in Kurve 4 fast geradeaus in die Mauer untersteuerte. Hülkenberg lag an 19. Position, als die rote Flagge kam, konnte aber aus eigener Kraft an die Box zurückfahren - wenn auch ohne Frontflügel. Auf der Uhr waren da noch sechseinhalb Minuten Restzeit.

Antonelli hatte noch immer keine Zeit gesetzt (wegen Tracklimits in Kurve 16 im zweiten Run), und am Boxenfunk schaltete sich Teamchef Toto Wolff höchstpersönlich ein, um psychologischen Stress beim 19-Jährigen zu verhindern: "Kimi, du hast einen Haufen Zeit, sechseinhalb Minuten. Du brauchst nur eine saubere Runde."

Antonelli setzte auf der Strecke um und schob sich zunächst auf Platz 6, zu dem Zeitpunkt 0,601 Sekunden hinter Russell. Bis zum Ende der Session wurde er noch auf Platz 10 durchgereicht. Anders als Hülkenberg, der sowohl im ersten als auch im zweiten Sektor deutlich langsamer war als sein Teamkollege und als 17. ausschied.

Er habe "die Runden einfach nicht hingebracht", zeigt sich Hülkenberg selbstkritisch: "Immer Fehler drin, viel Probleme mit den blockierenden Vorderreifen gehabt. Das ganze Wochenende war das eigentlich okay, und jetzt fing es an, ein Problem zu werden." Dazu kommt: "Der Abflug hat viel gekostet. Da ist der Rhythmus weg. Es war kein sauberes Qualifying. Einfach nicht gut."

Kurios war dann das Ende von Q1: Zuerst rutschte Pierre Gasly (Alpine) in Kurve 4 in den Notausgang, dann kam Franco Colapinto an der gleichen Stelle ins Rutschen und krachte am Ausgang in die Leitplanken, Blechschaden inklusive. Insofern ein problematischer Unfall, als er unter Gelb passiert ist. "Damit macht er sich keine Freunde", sagt ORF-Experte Alexander Wurz über Colapinto.

Der fährt gerade um seine Zukunft bei Alpine, weshalb Wurz sagt: "Es tut mir leid für ihn, denn er hatte den Ruf als Crashpilot schon fast abgelegt. Er ist auch ein netter Kerl, nebenbei bemerkt ein super Radfahrer. Aber solche Geschichten schauen natürlich nicht gut aus für ihn."

Q2: So kam es zum frühen Hamilton-Aus

Q2 begann dann so, wie Q1 aufgehört hatte: mit einem Crash. Oliver Bearman (Haas) hatte Übersteuern in Kurve 2 und schlug mit dem rechten Hinterrad in die Leitplanken ein. "Sorry, Jungs. Das ist dumm", entschuldigte er sich. Bearman musste anhalten, obwohl der Einschlag von außen betrachtet gar nicht so hart aussah, und sorgte damit für die nächste Unterbrechung.

Zwischendurch musste Hamilton zittern, weil er lange nur auf Platz 10 lag, Leclerc ebenso, weil ihm die erste Rundenzeit wegen Tracklimits gestrichen wurde, und Piastri, weil er bei Kurve 15 die Leitplanken touchierte. Der McLaren-Star hatte aber Glück: Seine Hinterradaufhängung war robuster als die von Bearman und hielt dem Mauerkuss stand.

Leclerc stand dann unter Druck, machte den gleichen Fehler wie Bearman in Kurve 2, konnte aber mit voller Geschwindigkeit weiterfahren. Somit verbesserte er sich auf den gelben Mediumreifen zunächst auf Platz 5, und auch wenn er bis zum Ablauf der Zeit noch eine Position verlor, reichte das aus, um den Einzug ins Q3 zu schaffen.

Der blieb Hamilton versagt: Der siebenmalige Weltmeister erwischte keine gute erste Runde. Statt danach zum Reifenwechsel an die Box zu kommen, blieb er aber auf weichen Reifen auf der Strecke und versuchte es ein zweites und ein drittes Mal. "Strategisch gesehen war das keine Meisterleistung", rätselt Wurz. Am Ende Platz 12 für Hamilton.

Hamilton betont, er selbst hätte gern Reifen gewechselt, "aber das Team sagte mir, das Aufwärmen der Reifen würde zu lang dauern. Dann lief uns die Zeit davon, und dann ging uns auch noch das Benzin aus. Nicht so toll, aber das werden wir intern besprechen. Eigentlich hätte ich gedacht, dass ich heute um die Pole fahre."

Gemeinsam mit dem 40-Jährigen schieden auch Fernando Alonso (11./Aston Martin), Gabriel Bortoleto (13./Sauber), Lance Stroll (14./Aston Martin) und natürlich Bearman aus. Tsunoda rettete sich als Zehnter ins Q3, nur 0,069 Sekunden vor Alonso - und eine halbe Sekunde hinter der Q2-Bestzeit seines Teamkollegen Verstappen.

Motorsport-Total.com

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