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MotoGP-Piloten zu Marquez' Comeback Marc Marquez wird am Samstag in Jerez wieder fahren: Reaktionen der Kollegen
Motorsport Images

"Er scheint kein Mensch zu sein": MotoGP-Piloten zu Marquez' Comeback

Respekt, aber auch Kritik: Das Urteil der MotoGP-Kollegen und eines Ex-Champions zum geplanten Comeback von Marc Marquez in Jerez nur wenige Tage nach Arm-OP

Nur sechs Tage nach seinem schweren Sturz beim MotoGP-Saisonauftakt 2020 in Jerez und nur vier Tage nachdem sein gebrochener rechter Oberarm im Zuge einer Operation mit einer Titanplatte fixiert wurde, will Marc Marquez am Samstag wieder auf seine Werks-Honda steigen. Er will herausfinden, ob er fit genug ist, den Grand Prix von Andalusien am Sonntag in Jerez zu fahren. Die ärztliche Freigabe von MotoGP-Arzt Doktor Angel Charte hat er.

Sollte Marquez tatsächlich am Sonntag zum zweiten Saisonrennen an den Start gehen, würde er trotz der schweren Verletzung kein Rennen verpassen. Unabhängig davon, ob er am Start stehen wird oder nicht, allein die Tatsache, dass Marquez schon am Donnerstag wieder in Jerez aufgekreuzt ist und fahren will, ringt seinen Kollegen Respekt ab. Aber es gibt auch Kritik, allen voran vom zurückgetretenen Ex-Weltmeister Jorge Lorenzo.

"Ich finde, das ist ziemlich unglaublich", gesteht zunächst Fabio Quartararo, als er auf das Marquez-Comeback angesprochen wird. Der Petronas-Yamaha-Pilot ist dank seines Sieges beim Saisonauftakt der aktuelle WM-Spitzenreiter.

Yamaha-Werkspilot Valentino Rossi findet das frühe Comeback seines Erzrivalen "von außen betrachtet schwer zu verstehen". Und auch Marquez' Honda-Markenkollege Takaaki Nakagami (LCR) sagt: "Ich glaube, es ist für alle eine große Überraschung. Ich hätte nicht erwartet, dass er an diesem Wochenende zurückkehrt."

"Er scheint kein Mensch zu sein"

"Er scheint kein Mensch zu sein", spricht MotoGP-Rookie Brad Binder (KTM) das aus, was wohl viele schon seit längerer Zeit von Marc Marquez denken. "Ich glaube, er könnte auch mit einem Arm am Rücken noch ein fantastisches Ergebnis einfahren", scherzt Binder.

"Komfortabel wird es für ihn aber nicht", ist der Südafrikaner überzeugt und gesteht: "Eine meiner größten Ängste ist es, mir den Oberarm oder den Oberschenkel zu brechen. Das sind dicke Knochen. Es ist eine Sache, den Bruch mit Platten fixiert zu haben. Aber die Schmerzen bleiben."

Binder selbst hatte sich vor zwei Jahren bei einem Sturz in der Moto2-Klasse den linken Unterarm gebrochen. "Ich hatte mir damals nur die Speiche gebrochen, hatte aber Probleme damit. Der Knochen wurde mit drei Platten fixiert. Dann habe ich mir diesen Knochen noch einmal gebrochen. Mein Arm ist zwei Jahre danach noch nicht wieder so wie er vorher war."

Für Aleix Espargaro (Aprilia) ist Marquez' frühe Rückkehr an die Rennstrecke "ein weiteres Beispiel dafür, wie wir Fahrer ticken und wie sehr wir das lieben, was wir tun. Es ist nicht nur ein Job, sondern unsere Leidenschaft".

Marc Marquez' jüngerer Bruder Alex Marquez hält fest: "Wenn du jemanden stürzen siehst und es handelt sich um deinen Bruder, ist das natürlich nicht einfach. Ich habe mit ihm über den Sturz und seine Aufholjagd gesprochen. Er war gerade dabei, sich ein wenig zu beruhigen, und wenn du dich etwas entspannst, wird es gefährlicher, einen Fehler zu machen."

Zu Kurve 3 des Circuito de Jerez, wo der folgenschwere Unfall passierte, sagt Alex Marquez, der nicht nur Bruder, sondern auch Teamkollege von Marc Marquez ist: "Diese Kurve ist ein kritischer Punkt. Wir haben dort einige Stürze gesehen. Solche Dinge passieren eben."

Jorge Lorenzo vergleicht Comeback mit seinem eigenen 2013

Wie denkt Jorge Lorenzo über das frühe Marquez-Comeback? Der Ende 2019 zurückgetretene dreimalige MotoGP-Weltmeister hatte am Assen-Wochenende 2013 ein ähnliches Kunststück vollbracht. Nachdem er sich bei einem Sturz im Freien Training das linke Schlüsselbein gebrochen hatte, flog er nach Barcelona, ließ sich operieren, flog zurück nach Assen und kam im Rennen - nur zwei Tage nach dem Sturz - als Fünfter ins Ziel.

Das Marquez-Comeback sei mit seinem eigenen in Assen aber nicht vergleichbar, wie Lorenzo sagt. "Ich nehme an, er weiß, dass er damit große Risiken eingeht, denn ein weiterer Sturz mit dem gerade operierten Arm kann Folgen haben", sagt Lorenzo gegenüber 'AS'.

Lorenzo weiß, wovon er spricht. Er selbst war 2013 direkt am Wochenende nach Assen erneut auf das linke Schlüsselbein gefallen. Beim Sturz im Freien Training zum Grand Prix von Deutschland auf dem Sachsenring merkte er, wie gefährlich es sein kann, mit einer nicht vollständig auskurierten Verletzung erneut zu stürzen. Das Sachsenring-Rennen musste Lorenzo schließlich auslassen.

Den Fall Marquez ordnet Lorenzo potenziell als schlimmer ein als seinen eigenen. "Ein Bruch des Arms oder in diesem Fall des Oberarms ist komplizierter ist als ein Bruch des Schlüsselbeins. Es ist etwas Ernsteres", mahnt der dreimalige Weltmeister und weiß, dass die Arme vor allem beim Bremsen noch stärker beansprucht werden als die Schultern.

Doch Lorenzo denkt in diesem Zusammenhang nicht nur an das reine Fahren: "Wenn Marc hundertprozentig fit ist, kann er einen drohenden Sturz mit der Kraft, die er hat, verhindern. Mit einem kaputten Arm ist das komplizierter. Ich denke, Marc ist sich bewusst, dass er viel riskiert." Und so schlussfolgert Lorenzo: "Es zeigt vor allem, wie sehr er die Weltmeisterschaft gewinnen will."

Machen sich Kollegen Sorgen, wenn Marquez mit Verletzung fährt?

"Marc ist körperlich in sehr guter Form. Seine Muskeln sind sehr gut trainiert, wodurch er etwas kompensieren kann", meint Aleix Espargaro und merkt an: "Auch Alex Rins probiert es nach einer schweren Verletzung wieder. Die Verletzung von Cal [Crutchlow] war auch nicht ohne. Für ihn wird es auch ein anstrengendes Wochenende."

"Ärzte tun das, was der Fahrer will", bemerkt Miguel Oliveira in diesem Zusammenhang. Der Tech-3-KTM-Pilot weiß, wovon er spricht: "Ich habe Erfahrungen damit. Ich wurde voriges Jahr in Sepang nach meiner Schulterverletzung [vom Sturz auf Phillip Island] für fit erklärt. Ich wusste aber, dass ich stark eingeschränkt war. Fahren kann man natürlich, aber es geht darum, was für einen selbst in Bezug auf die Performance akzeptabel ist."

"Es ist eine Herausforderung und ein Risiko", meint Franco Morbidelli zum Fall Marquez, "aber um die WM gewinnen zu können, muss man Risiken eingehen. Es ist ein Risiko, das er eingeht. Wir werden sehen, wie es laufen wird".

Sorgen, dass Marquez mit seiner Verletzung zu einer Gefahr für andere Piloten werden könnte, macht sich Morbidelli nicht. "Ich mache mir keine Sorgen. Er ist derjenige, der sich Sorgen machen sollte", sagt der Petronas-Yamaha-Pilot und spricht von einer "auf jeden Fall mutigen Entscheidung" seitens Marquez und Honda.

Alex Marquez sieht es gelassen. "Er weiß, was er jetzt zu tun hat. Er ist 27 Jahre alt und damit alt genug, um das zu wissen. Deshalb mache ich mir keine Sorgen", sagt der Rookie im Honda-Werksteam über seinen älteren Bruder.

Nakagami meint: "Wenn er es probieren will, warum nicht? Ich weiß nicht genau wie stark seine Schmerzen sind. Aber wenn er fahren will, dann ist das seine Entscheidung. Diese Saison ist so kurz. Wenn man da einige Rennen verpasst, kann man die Weltmeisterschaft verlieren." Allerdings gibt der Japaner gleichzeitig zu bedenken: "Einerseits kann ich es verstehen, andererseits wäre es für die Sicherheit und die Zukunft besser, Pause zu machen."

Sollte es strengere medizinische Checks geben?

Apropos Zukunft: Sollten nach einem Beispiel wie dem von Marquez anno Jerez 2020 für die Zukunft womöglich strengere medizinische Checks eingeführt werden? "Ich denke nicht", meint Oliveira. "Es steht in den Regeln, dass man nach einer Operation für bestimmte Stunden nicht fahren darf. Die Ärzte werden es in jedem individuellen Fall besser wissen. Ich denke, es liegt an jedem Fahrer selbst, zu entscheiden. Man kann das nicht per Regel entscheiden."

Und auch Aleix Espargaro meint: "Ich glaube, der medizinische Check reicht aus - auch, damit es für die anderen Fahrer sicher ist, wenn wir gemeinsam [mit Marquez] auf der Strecke sind. Doktor Charte ist ein sehr guter Arzt. Wenn er es erlaubt, dann können wir ein MotoGP-Bike fahren. Als ich im Vorjahr den Crash in Barcelona hatte, konnte ich in Assen auch fahren."

Und wie sieht es mit den Aussichten aus, sollte sich Marc Marquez am Samstag tatsächlich entscheiden, das Rennen am Sonntag zu fahren? Ex-Champion Lorenzo ist zwiegespalten: "Wenn er es gut macht, wird er ein Held sein. Wenn er auf das Podium kommt oder in die Top 5, was ich mir im Moment nicht vorstellen kann, wäre das beeindruckend und er wäre ein Held."

"Er wäre aber auch dann schon ein Held sein, wenn er in die Punkteränge kommt", so Lorenzo weiter, um den Bogen zu spannen: "Aber wenn er schlecht abschneidet, wird man ihn als dumm abschreiben, so wie man das bei mir damals in Deutschland hätte tun können. Es kommt immer darauf an, wie es läuft."

Brad Binder, der daran zweifelt, dass Marc Marquez ein Mensch ist, denkt schon weiter und schließt mit den Worten: "Dass er jetzt nach dieser Operation zurückkehrt, setzt für den Rest [der Piloten] womöglich einen neuen Maßstab bei Verletzungen."

Motorsport-Total.com

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