
WTCC: Porto | 05.07.2009
Jubiläum ohne Glanzlichter
Kolonne, Crash und Kontroversen: die Rennen 99 und 100 der Tourenwagen-WM waren keine besondere Reklame für die Meisterschaft.
Nach einem Jahr Pause war wieder der Stadtkurs in Porto als portugiesischer Schauplatz der WTCC an de Reihe. Aus einem Oldtimer-Meeting entstanden, zeichnet sich die Strecke am Meeresufer durch hohe Geschwindigkeiten aus.
Ein gelungener Kurs, aber überholen kann man hier womöglich noch schlechter als im jetzt so geschmähten und für 2010 aus dem Kalender entfernten Pau. Nächstes Jahr wechselt die portugiesische WM-Runde nach Portimao.
Lada kreuzte nicht nur mit mit dem neuen Auto und einer prächtigen Hospitality auf, man stellte auch erstmals das Safety-Car. Und es gibt jetzt einen permanenten Safety-Car-Fahrer. Er kam ausgiebig zum Trainieren!
Promoter Marcello Lotti und sämtliche „Freunde und Verwandten“ der WTCC-Familie feierten das Jubiläum der Meisterschaft: der zweite Lauf in Porto war das hundertste Rennen der Meisterschaftsgeschichte.
Auf Feierstimmung und Tortenschlacht folgte dann aber ein kontroversielles Wochenende. Etwas blass agierte der Lokalheld Tiago Monteiro: kein Besuch am Stockerl für den ehemaligen F1-Piloten, er agierte, genau wie seine Kollegen bei Seat, teamdienlich.
Zugunsten von Tabellenführer Yvan Muller und seinem Hauptrivale in der Tabelle, Gabriele Tarquini, sind die anderen drei Seat-Piloten bereits zum Domestikenstatus degradiert. Der Italiener holte sich die PolePosition für das WTCC-Rennen Nummer 99.
Lauf 1: Frechheit siegt
Das Warm-Up war noch verregnet, bei Rennbeginn war das Wetter aber wieder freundlich. Und Gabriele Tarquini erfreute sich der Führung, zumindest für einige Meter. Denn hinter ihm ging bereits vor der ersten Kurve alles schief.Geteiltes Verschulden: Jaap van Lagen im Lada 110 und Sergio Hernandez im ROAL-BMW kamen einander in die Quere, der Spanier überstand einen harten Einschlag in die Begrenzungsmauer mit leichten Verletzungen. Beim Aufprall wurden die Betonelemente verschoben, die Strecke war blockiert.
Aber es gab keinen Rennabbruch, man gab den Fahrern stattdessen Gelegenheit für einen echten Massencrash einige Kurven weiter. Alain Menu, wieder im „Art Car“ von Chevrolet unterwegs, wurde von Augusto Farfus unsanft in die Mauer komplimentiert. Dann war die Strecke wirklich „zu“, und die roten Flaggen wehten über dem Circuito da Boavista.
Rob Huff im Chevy war der einzige, der Gabriele Tarquini nach dem Neustart gefährlich werden konnte, dahinter nahmen Yvan Muller, Andy Priaulx, Tiago Monteiro und Augusto Farfus die Positionen ein. Echte Spannung kam nicht auf, dafür leichter Ärger.
Denn Gabriele Tarquini kürzte in unverfrorener Manier die Schikane vor Start und Ziel ab, die Offiziellen rührten kein sprichwörtliches Ohrwaschl. Der sieg war dem Italiener nicht mehr zu nehmen, aber der Stil war zweifelhaft.
Groll auch um die Taktik von BMW, denn wo so lange die einzelnen Teams zu Ungunsten der Marke rivalisiert haben, geht man jetzt offenbar den komplett entgegengesetzten Weg: straffe Regie. Farfus, bestplatzierter Fahrer der Marke in der WM-Tabelle, wurde von seinen Kollegen durchgewinkt. Andy Priaulx musste sich hiefür einige Plätze zurückfallen lassen, worüber der dreifache Weltmeister sich nicht freuen konnte.
Damit hatte Farfus Platz 8 und die Pole für das zweite Rennen; Tarquini siegte in einem wenig spannenden Lauf vor Huff und Muller. Die „Independents“ waren an diesem Tag sicher in der Hand von Stefano d’Aste im Wiechers-BMW.
Lauf 2: Chevy-Hunter is back
Wir schicken voraus: auch das Jubiläumsrennen war um keinen Deut spannender, dafür gab es noch mehr Blechsalat. Hinter Augusto Farfus machte sich ein Seat-D-Zug mit Rickard Rydell, Jordi Gené, Tiago Monteiro und Yvan Muller breit.Dahinter ließ Nicola Larini den schnelleren Rob Huff passieren, Gabriele Tarquini wollte gleich nachsetzen, dieses Manöver endete im Kreisverkehr am Meeresstrand in den Reifenstapeln. Gerechte Strafe für Tarquini?
In der Folge kurvte der marokkanische Seat-Privatier Mehdi Bennani, schon in Lauf 1 immer nahe dem „Epizentrum“ der Unfälle zu finden, in einem ausweichmanöver zwischen den beiden gestrandeten Autos durch und vergaß dann den Blick in den Seitenspiegel. Tom Bordman in einem zweiten Benzin-Leon konnte nicht mehr ausweichen: harter Aufprall, Strecke blockiert, Safety-Car!
Nach dem Restart ging vier Runden lang alles gut, Yvan Muller durfte seine Seat-Gefährten nach und nach passieren. Stefano d’Aste hatte die Indie-Wertung sicher im Griff, hinter ihm rangelten Felix Porteiro und Franz Engstler um Privatier-Platz 2.
Eng, enger, Engstler
Das „Opfer von Pau“ schlüpfte diesmal in die Täterrolle. Franz Engstler verpatzte zunächst das Überholmanöver gegen Porteiro und rutschte beinahe von der Strecke.Dann verteidigte er seine Position, eigentlich unnötigerweise, hart gegen Alain Menu, der ihm als Werksfahrer ja keine Punkte streitig machen kann.
Und der Chevy-Jäger darf sich nach dem Safetx-Cruze in Frankreich eine weitere Trophäe an die Wand hängen; er schickte Alain Menu zum zweiten Mal an diesme Tag in die Barriere. Der Schweizer war unverletzt, das Auto endgültig Schrott, und das Rennen abgebrochen.
Für ganze zwei Runden gab es nach den Aufräumungsarbeiten einen Neustart, umrahmt von Unsicherheiten über Yvan Mullers Startposition und einem neuen Safety-Car-Gag: die Blinklichter waren defekt…
Der „dash for cash“ fiel nicht spektakulär aus, es blieb beim Sieg für Augusto Farfus vor Yvan Muller und Rickard Rydell.. Der Brasilianer ist mit insgesamt elf Erfolgen damit der nach Siegen erfolgreichste Fahrer der WTCC. Und der anerkannte BMW-Favorit für den Titel, denn er hat bis auf einen Punkt zu Tarquini aufgeschlossen. An der Spitze hält sich weiterhin der Titelverteidiger Yvan Muller recht bequem.
Die Independents sehen weiterhin Felix Porteiro an der Spitze. Und bei den Rennen 101 und 102 der WTCC in Brands Hatch sehen wir hoffentlich wieder mehr Spannung, weniger Schrott und nachvollziehbare Entscheidungen der Stewards.