
Motorrad-WM: Silverstone | 12.06.2011
Stoner übernimmt die WM-Führung
Casey Stoner gewinnt das Regenrennen von Silverstone überlegen vor Andrea Dovizioso und Colin Edwards. Jorge Lorenzo nach Unfall out.
Foto: Bridgestone
Der Grand Prix von Großbritannien in Silverstone fand unter nassen, kühlen und widrigen Bedingungen statt. Weltmeister Jorge Lorenzo (Yamaha) stürzte und warf seine WM-Führung weg. Auch Marco Simoncelli (Gresini-Honda) und Ben Spies (Yamaha) machten Bekanntschaft mit dem britischen Asphalt.
Honda-Pilot Casey Stoner fuhr dagegen ein perfektes Rennen und feierte seinen vierten Saisonsieg. Andrea Dovizioso sorgte für einen Honda-Doppelerfolg. Überraschungsmann war Colin Edwards (Tech-3-Yamaha), der eine Woche nach seinem Schlüsselbeinbruch Dritter wurde.
Lorenzo kam perfekt von der rutschigen Startlinie weg und bog als Führender in die erste Kurve. Stoner folgte als Zweiter, wurde jedoch im Verlaufe der ersten Runde von Dovizioso überholt. Simoncelli folgte als Vierter. Am Ende der ersten Runde übernahm das Repsol-Honda-Duo die Führung. Valentino Rossi (Ducati) beendete den ersten Umlauf als Zwölfter. Lorenzo fiel noch hinter Simoncelli auf Platz vier zurück.
In der zweiten Runde übernahm Stoner die Spitze und fuhr Dovizioso sofort auf und davon. Das Feld zog sich rasch auseinander. Lorenzo konnte den Anschluss an das Honda-Trio nicht halten und fuhr sicher auf dem vierten Platz. Sein Teamkollege Spies fuhr wenige Sekunden dahinter einsam an der fünften Stelle. Währenddessen kämpfte Rossi gegen Hiroshi Aoyama (Gresini-Honda) um die elfte Position.
In der vierten Runde verbremste sich Simoncelli in der ersten Kurve und wäre fast abgeflogen. Die asphaltierte Auslaufzone rettete den Italiener, der sich hinter Lorenzo als Vierter wieder einreihte. Mit Fortdauer des Rennens schob sich der Viererpulk wieder zusammen. Stoner konnte zunächst nicht auf und davon fahren. Lorenzo und Simoncelli schlossen mit schnellen Runden auf Dovizioso auf.
Innerhalb einer Runde ging bei Yamaha alles schief. Spies stürzte im achten Umlauf und zerstörte seine M1. Kurz darauf flog Lorenzo in der ersten Kurve ab. Enttäuscht stapfte der Spanier durch das Kiesbett. Zuvor hatte er sich ein Duell mit Dovizioso um Platz zwei geliefert, weshalb Stoner an der Spitze einen Vorsprung herausfahren konnte. Somit kämpften die beiden Italiener Dovizioso und Simoncelli um den zweiten Platz.
Auch dieses Duell wurde durch einen Sturz entschieden. Simoncelli rutschte in der ersten Kurve auf einer Pfütze aus und lag auf der Nase. Auf seinen ersten Podestplatz muss der Italiener weiterhin warten. Durch die Ausfälle der beiden Yamahas und Simoncelli rückte Edwards auf den dritten Platz nach vor. Erst vor einer Woche hat sich der Tech-3-Pilot das rechte Schlüsselbein bei einem Sturz in Barcelona gebrochen.
Mit einer Titanplatte und 13 Schrauben wurde der Knochen fixiert. Größere Probleme bereiteten ihm aber seine Rippen, die er sich bei dem Sturz angeschlagen hatte. Acht Tage nach der Operation lag der "Texas Tornado" Podiumskurs. Ducati-Pilot Hayden nahm in der Anfangphase einmal den Notausgang und fuhr dann ein sicheres Rennen. Durch die Ausfälle wurde der US-Amerikaner auf Platz vier nach vorne gespült.
An der Spitze ließ Stoner nichts anbrennen. Sicher fuhr der Australier auf der regennassen Fahrbahn und feierte im sechsten Saisonrennen seinen vierten Sieg. Damit hat der Weltmeister von 2006 auch die WM-Führung von Lorenzo übernommen. Der Spanier liegt nun 18 Punkte hinter dem Honda-Piloten. Dovizioso hatte keine Chance gegen seinen Teamkollegen und kam mit 15 Sekunden Rückstand als Zweiter ins Ziel. Damit wiederholte er sein Ergebnis aus dem Vorjahr.
Edwards kämpfte sich tapfer über die Distanz und kletterte nach den Mühen der vergangenen Woche als Dritter auf das Podium. Zum ersten Mal seit Donington 2009 verspritzte der Routinier Champagner und ließ sich von den britischen Fans feiern. Damals war es übrigens auch ein Regenrennen. Sein Tech-3-Teamkollege Cal Crutchlow konnte nach seinem Schlüsselbeinbruch vom Samstag nicht am Rennen teilnehmen.
Hayden fuhr den vierten Platz sicher ins Ziel. Suzuki-Pilot Alvaro Bautista zeigte ein starkes Rennen und sah die karierte Flagge als Fünfter. Das war das beste Ergebnis für den Spanier in diesem Jahr. Rossi kämpfte sich auf den sechsten Platz nach vorne. Sein Rückstand auf Sieger Stoner betrug über eine Minute. Rookie Karel Abraham (Ducati) machte keine Fehler und wurde bei schwierigen Bedingungen Siebter.
Moto2-Weltmeister Toni Elias (LCR-Honda) blieb ebenfalls auf seiner Maschine sitzen und sorgte mit Platz acht für ein gutes Resultat in seiner bislang schwierigen Saison. Hinter dem Spanier kämpften Loris Capirossi (Pramac-Ducati) und Hiroshi Aoyama (Gresini-Honda) ein enges Duell bis zur Ziellinie. Schlussendlich setzte sich der Japaner durch und belegte die neunte Position.
Weit abgeschlagen kämpften Hector Barbera und Randy de Puniet um den letzten Platz. Das Duo fuhr bis zu sechs Sekunden langsamer als Stoner und wurde von dem Australier auf der längsten Strecke im Kalender überrundet. Die rote Laterne leuchtete schließlich bei de Puniet. Mehr als zwölf Piloten kamen nicht ins Ziel.
Moto2: Bradl auch im Regen unschlagbar
Die Moto2-Weltmeisterschaft entwickelt sich immer mehr zur One-Man-Show des Stefan Bradl. Der 21 Jahre alte Augsburger hat am Sonntag den Grand Prix von Großbritannien gewonnen und damit seinen vierten Sieg im sechsten Rennen gefeiert. Der überlegene Sieg im verregneten Silverstone bedeutet, dass Bradls Vorsprung in der Gesamtwertung auf 62 Punkte angewachsen ist.
Bei kühlen, regnerischen Witterungsbedingungen übernahm Bradl bereits unmittelbar nach dem Start von Startplatz drei kommend die Führung von Pole-Setter Marc Marquez. Der Spanier war im Warmup am Sonntagmorgen gestürzt und fühlte sich auf nasser Fahrbahn sichtlich unwohl. Während der 125er-Champion bereits in der ersten Runde um sieben Plätze zurückfiel, zog Bradl dem Feld in den ersten Kurven davon.
Doch am Ende der ersten Runde musste der WM-Leader feststellen, dass das Rennen auf dem 5,9 Kilometer langen Silverstone Circuit kein Selbstläufer werden würde. Einen Rutscher, der sich beinahe zu einem fatalen Highsider auswuchs, konnte Bradl mit Glück und Geschick noch abfangen, allerdings übernahm dadurch Scott Redding die Führung. Bradl ließ es daraufhin für die nächsten drei Runden etwas vorsichtiger angehen und studierte hinter dem Lokalmatadoren die Streckenbedingungen.
Allerdings war bereits in dieser Phase sichtbar, dass Bradl womöglich schneller fahren könnte als der in Führung liegende Redding. Während Mattia Pasini den Abstand zum Führungsduo zusehends verkürzte, griff Bradl Redding in der vierten Runde auf der früheren Start-Ziel-Geraden an und übernahm vor Copse erneut die Führung beim Grand Prix von Großbritannien.
Eine Runde später zog auch Pasini an Redding vorbei, der das Tempo an der Spitze nicht mehr mitgehen konnte. Dafür war ein anderer Engländer deutlich auf dem Vormarsch: Bradley Smith, nach einem verkorksten Qualifying von Startplatz 28 ins Rennen gegangen, lag am Ende der ersten Runde schon auf Platz 13 und übernahm im fünften Umlauf bereits Rang fünf.
Im sechsten Umlauf war Bradl seine Führung wieder los. Pasini zeigte sich sehr angriffslustig, zog am Kiefer-Piloten vorbei und setzte sich sogleich an der Spitze ab. Der Italiener ließ sogleich eine neue schnellste Rennrunde folgen und Bradl vergewisserte sich ob seines Abstands zum in dem Moment drittplatzierten Kenan Sofuoglu. Der WM-Leader dachte zu diesem Zeitpunkt offenbar an die Gesamtwertung und ließ Pasini ziehen.
Doch Pasini übertrieb es: Am Ende der siebten Runde rutschte der FTR-Pilot aus, sein Rennen war schlagartig vorbei. Bradl übernahm zum dritten Mal die Führung - und sollte sie bis zum Ziel nicht mehr abgeben. Unterdessen setzte Smith seinen Landsmann Redding immer stärker unter Druck, während Sofuoglu den zweiten Platz sicher zu haben schien.
Die äußerst rutschigen Streckenverhältnisse wurden jedoch auch dem Türken zum Verhängnis. Am Ende der zwölften Runde rutschte der ehemalige Supersport-Weltmeister aus, rappelte sich nach dem Sturz aber wieder auf und setzte das Rennen als Elfter fort. Smith erbte den zweiten Platz, dahinter kämpften Michele Pirro, Jules Cluzel und Redding um den letzten Platz auf den Siegertreppchen.
Letztlich war es der Italiener, der diesen Dreikampf für sich entscheiden konnte. Ganz vorne überquerte Bradl zum vierten Mal in dieser Saison als Erster die Ziellinie, Smith freute sich über den zweiten Platz nach einer famosen Aufholjagd bei seinem Heimrennen. Randy Krummenacher beendete den Grand Prix als Elfter, einen Rang vor Max Neukirchner. Tom Lüthi sammelte als 15. den letzten WM-Punkt, während Andrea Iannone - im Warmup am Sonntagmorgen noch Zweitschnellster - als 16. ohne Punkte blieb.
125 ccm: Folger feiert ersten Grand-Prix-Sieg!
Im regennassen und bitterkalten Silverstone hat Jonas Folger am Sonntagnachmittag seinen ersten Grand-Prix-Sieg gefeiert. Der 17 Jahre alte Aprilia-Pilot aus dem bayrischen Mühldorf gewann bei schwierigsten Bedingungen das 125er-Rennen vor seinem Ajo-Teamkollegen Johann Zarco und Aspar-Pilot Hector Faubel. Der WM-Führende Nicolas Terol begnügte sich mit Platz acht, einen Rang hinter Sandro Cortese.
Bereits unmittelbar nach dem Start schob sich Folger, der als Fünfter aus der zweiten Startreihe gestartet war, an die Spitze. Bereits am Ende der ersten Runde hatte Folger den in dieser Saison bislang überragenden Terol als Führenden abgelöst. Pole-Setter Maverick Vinales konnte seine gute Startposition dagegen nicht umsetzen und fiel bereits auf den ersten Metern zurück.
Schon in der zweiten Runde zeichnete sich ab, welche Fahrer am Sonntagnachmittag um die Plätze auf dem Siegertreppchen kämpfen würden. Während sich Folger zunächst mit einer neuen schnellsten Rennrunde an der Spitze leicht absetzen konnte, folgte Zarco mit 0,8 Sekunden Rückstand. Terol war hingegen 3,5 Sekunden langsamer als Folger und sollte fortan in der unteren Hälfte der Top 10 um Positionen kämpfen.
In den folgenden zehn Runden entwickelte sich an der Spitze zwischen Folger und Zarco ein spannender Zweikampf um den Sieg. Die beiden Ajo-Piloten hatten bislang noch nie einen Grand Prix gewinnen können. Während der Franzose über weite Strecken den etwas schnelleren Eindruck machte, zeigte er sich auch anfälliger für Fahrfehler. Zarco konnte seine wild rutschende Aprilia allerdings immer wieder rechtzeitig bändigen und setzte Folger stets unter Druck.
Im Laufe des Rennens wechselten sich die beiden Kontrahenten immer wieder an der Spitze ab - jeder wollte mal dem anderen den Vortritt lassen, um die Linienwahl seines Konkurrenten studieren zu können. Diese taktische Fahrweise ging jedoch nicht auf Kosten der Geschwindigkeit, denn der lange Zeit drittplatzierte Vinales konnte den Speed des Führungsduos nicht mitgehen.
In der zwölften Runde leistete sich Vinales allerdings einen folgenschweren Fahrfehler und stürzte auf der glitschigen Rennstrecke ins Aus. Faubel übernahm Platz drei, während Folger eine Runde später den rennentscheidenden Angriff lancierte: Im Kurvengeschlängel vor der neuen Start-Ziel-Geraden bremste sich der Youngster innen an Zarco vorbei und übernahm erneut die Führung.
Die letzten vier Runden entwickelten sich dann zu einer Demonstration von Folgers Stärke bei Regen. Seit Wochen von einer Grippe geschwächt, quält sich der 17-Jährige von Rennwochenende zu Rennwochenende und hoffte nach der Qualifikation am Samstagnachmittag inständig, dass es am Sonntag regnen würde. Nur im Regen rechnete sich Folger überhaupt Chancen aus, die komplette Renndistanz über 17 Runden körperlich durchstehen zu können.
Folger hatte Glück, der Wettergott tat ihm diesen Gefallen, und Folger ergriff die ihm sich bietende Chance mit beiden Händen. Bei seinem 43. Grand-Prix-Start gelang ihm der erste Sieg. In der Gesamtwertung der 125er-Weltmeisterschaft rückte Folger zudem auf den zweiten Platz vor und ist nun erster Verfolger von WM-Favorit Terol.