Tourenwagen-WM: Istanbul | 19.09.2005
Doppelter Doppelsieg
Doppelter Doppelsieg für Alfa Romeo, die italienische Truppe gewinnt mit Giovanardi und Thompson Lauf 1, im 2. Heat sind Tarquini und Farfus top.
Johannes Gauglica
News vor dem Rennen in Istanbul: Peugeot zieht sich mit sofortiger Wirkung aus der WTCC zurück. Nachdem sich der bildschöne 407 in den letzten Rennen in Spa-Francorchamps und Oschersleben als nicht konkurrenzfähig erwiesen hat, wollen Peugeot Sport und das Team des dänischen Importeurs, der diesen Einsatz initiiert hat, auf die Saison 2006 vorbereiten.
DaimlerChryslers erste zaghafte Absetzbewegung von der DTM? Gerüchte sprechen vom Einstieg einer weiteren Marke im nächsten Jahr, nämlich – gemeinsam mit der „Neueinführung“ am europäischen Markt - Dodge.
Damit wären die „Big Three“ aus Detroit in der Weltmeisterschaft komplett versammelt. Zum Zug kommt vermutlich das Kompaktmodell Caliber. Es wäre jedenfalls nicht der erste Dodge-Tourenwagen nach europäischem Zuschnitt: bereits in der Super-Touring-Ära gab es ein Auto auf Basis des damaligen Stratus.
Man wird auf den neuen BMW 320 treffen: auf der IAA haben die Bayern ihren Renn-Dreier für die WTCC und diverse nationale Meisterschaften vorgestellt. Die massige Karosse widerspricht dem derzeitigen Downsizing-Trend (Seat steigt um auf den Leon, Alfa vielleicht auf den 147), unter der Haube arbeiten aber nur mehr vier statt wie bisher sechs Zylinder in Reihe. Basis ist das limitierte Sondermodell 320si, die Motorleistung wird vorerst mit 275 PS angegeben.
Unsicherheit gibt es hingegen um Alfa Romeo: in einem Interview mit der britischen Zeitschrift „Autosport“ beziffert Teamchefin Monica Sipsz die Chance für eine Fortsetzung des Alfa-Werksprogrammes mit 50%. Sofern es nächstes Jahr weitergeht, wird der 147 zum Einsatz kommen, dann allerdings nur zwei Autos. Dieses Jahr kämpft die Autodelta-Mannschaft noch um den Tourenwagen-Weltmeistertitel.
Premiere in Istanbul
Beim ersten Auftreten der WTCC auf der Strecke von Istanbul lag der brandneue Kurs, der nach der gelungenen F1-Premiere bereits als einer der besten Europas angesehen wird, der italienischen Werkstruppe eindeutig am besten. In der zweiten Trainingssession gelang noch dem Franzosen Stephane Ortelli im Seat Toledo Cupra die beste Zeit, aber im Qualifying konnte niemand mit den Alfa 156 mithalten.
Gabriele „Spiderman“ Tarquini holte sich die Pole Position vor seinen Markenkollegen: James Thompson, Heißsporn Augusto Farfus jr. und Fabrizio Giovanardi lagen alle weniger als 0.5 Sekunden hinter Tarquinis Pole-Zeit von 2:04.525. Dahinter war Ortelli weiterhin der stärkste Herausforderer, gefolgt von Peter Terting im Seat des spanischen Werksteams.
Seats auch an achter und neunter Stelle (Jordi Gene und Rickard Rydell), und dazwischen einsam Andy Priaulx als bester BMW. Am unzufriedensten mit seinem Trainingsresultat war wohl Jörg Müller: im Qualifying ohnehin nur Vierzehnter, wurde er wegen eines Regelverstoßes (er ließ nach dem Ende des Trainings sein Auto nicht abwiegen) ganz ans Ende der Startaufstellung versetzt.
Dort traf er Seat-Privatier Tom Coronel, der sich wegen eines Motorwechsels hinten anstellen mußte, und Rob Huff, dessen Chevrolet Lacetti sich während des gesamten Qualifyings nicht aus seiner Box rührte. Bester der Unabhängigen war Adriano de Micheli im JAS-Honda nach einem langen Fernduell mit Carl Rosenblad im Crawford-BMW.
Lauf 1
Schon in der ersten Runde schwindelt Priaulx im Auto des BMW Team UK sich an Gene und Terting vorbei; der junge Deutsche im Seat wird dann das Opfer eines Mißverständnisses mit seinem Markenkollegen Ortelli. Für Terting ist das Rennen praktisch sofort zu Ende, Ortelli plagt sich noch einige Runden mit seinem angeschlagenen Auto ab, dann gibt auch er auf. Nach einem Jahrzehnt Abwesenheit vom Tourenwagensport findet sich der Monegasse noch immer nicht ganz zurecht.
In Runde 2 das erste deutliche Zeichen von Teamorder innerhalb des Alfa-Teams, Fabrizio Giovanardi wird von Tarquini vorbeigelassen. Er ist Alfa Romeos Kandidat Nr. 1 für den Titel. Die vier 156er fahren in der Reihenfolge Giovanardi-Tarquini-Thompson-Farfus dem Rest des Feldes einfach davon.
Der Fünftplatzierte Andy Priaulx müht sich mit seinen 60 Kilo Erfolgsgewicht redlich ab, mit dem Alfa-Geschwader Schritt zu halten, kommt aber unter Druck von Gene im neuen Seat Leon und den BMW des Teams Italien-Spanien, Alex Zanardi und Antonio Garcia. Die Mannschaft von Roberto Ravaglia ist im BMW-Lager tonangebend. Dunkles Wochenende dagegen für Team Schnitzer: Ausfall und somit keine Punkte Für Jörg Müller in Lauf 1, auch Dirk Müller verzeichnet einen „Nuller“.
Zanardi (mittlerweile auch italienischer Tourenwagenmeister 2005) verpatzt sich mit einem Ausrutscher den Stockerlplatz, Garcia läßt spät im Rennen noch Andy Priaulx vorbei, das wird ihn im Ziel ärgern – er verliert damit den dritten Platz.
Aus dem Vierfach-Formationsfinish der Alfa wird nämlich nichts: Reifenplatzer ereilen sowohl Tarquini als auch Farfus, und auch den Seat von Gene, in der letzten Runde; immer ist es der rechte Vorderreifen, der explodiert. Alle drei schaffen es mit zerfetzter Karosserie ins Ziel; Gene rutscht auf den 17. Platz ab, Tarquini wird Siebenter, Farfus Achter – und ist somit auf der Pole für Lauf 2. Doppelsieg immerhin für die Italiener: Giovanardi vor Thompson.
Bei den Privatiers gibt anfangs Tom Coronel den Ton an, er holt vom Ende des Feldes auf und kämpft hart mit Alain Menu im Chevy um einen Platz in den Top 10, dann platzt der Tauschmotor. Somit ist Carl Rosenblad im BMW komfortabel in Führung und beißt sich an Menu fest; er wird letztlich Elfter. Abgesehen von Menu hat Chevrolet auf dieser Power-Strecke nicht viel zu melden, dasselbe gilt leider – mit einem Totalausfall des Hotfiel-Teams - für Ford.
Resultat Lauf 1
Lauf 2
Drama bei Alfa Romeo: das Auto von Tarquini wird zu spät an die Box geschleppt, die Reparaturzeit läuft. Die Alfa-Crew hat statt zehn Minuten nur deren vier, den 156er durchzusehen und notdürftig zusammenzuflicken. Tarquini und Farfus nehmen ihre Plätze in Reihe 1 ein, dahinter Zanardi und Garcia. Priaulx’ üblicher Blitzstart geht schief, er verliert Platz um Platz.
Wieder Teamwork bei Alfa: Tarquini wird an Farfus vorbei in Führung beordert, der Brasilianer ist nicht ganz zufrieden mit seiner Rolle als „klarer Zweiter“ und deutet einige Male an, daß er überholen könnte. Weiter hinten macht „Thommo“ für Giovanardi den Schrittmacher, nach zwei Runden gibt es auch hier den Tausch.
Zwischen Giovanardi und dem „Stockerl“ sind nur noch die beiden italienischen BMW. Runde 4: Giovanardi probiert es mit Auto-Billiard, „verbremst sich“ an Zanardi vorbei und kickt Antonio Garcia von der Strecke. Der alte Rennfuchs Zanardi erkennt die Situation und trickst Giovanardi umgehend wieder aus. Von da an hat Zanardi den dritten Platz sicher, Giovanardi fällt hinter Thompson und Dirk Müller zurück.
Letzte Runde, und an der Spitze revoltiert Farfus gegen die Stallorder: er bremst Tarquini aus und geht in Führung. Sein Traum währt bis zur letzten Kurve, dann wird sein Alfa langsamer („eine unerklärliche Vibration“) und Tarquini bekommt seinen Sieg.
Alain Menu nimmt als Achter wieder einmal einen Punkt für Chevrolet mit, sein Kollege Rob Huff hat alle Hände voll mit den Privatiers zu tun, dieses Mal klopft Giuseppe Ciró einige Male an. Ciró wird von Rydell angerempelt und verliert den „Independents“-Sieg in der letzten Runde; bester Privatfahrer wird Marc Hennerici im Wiechers-BMW als Elfter, noch vor Jörg Müller, dessen Meisterschaftschancen sich damit erledigt haben dürften.
Resultat Lauf 2
Priaulx führt in der Gesamtwertung jetzt mit 74 Punkten vor Dirk Müller (73) und Giovanardi (70), Hennerici ist bester Privatier.
Tabelle
Stimmen nach dem Rennen:
Gabriele Tarquini: „Rennen 1 war für mich sehr unglücklich, wäre der Reifenplatzer nicht gewesen, hätte ich mehr Punkte gemacht und Giovanardi im Kampf um den Titel geholfen. Das war schade, aber ich bin froh, daß dasselbe Problem nicht im zweiten Rennen aufgetreten ist. Dieses Rennen war anders weil Farfus und ich einen Abstand zu den anderen hatten, deshalb habe ich nicht so hart gekämpft wir im ersten Rennen.“
Fabrizio Giovanardi: “Unser Auto war großartig, und wir haben im Qualifying gute Arbeit geleistet und waren in einer guten Position.. Im zweiten Rennen vom achten Platz zu starten ist immer schwierig, weil man so viel Autos überholen muß. Ich wollte Zanardi überholen und habe Garcia nicht gesehen.
Das Anbremsen war schwierig, weil drei Autos (gleichzeitig) in die Kurve eingebogen sind, und ich habe Antonio gerade noch berührt, aber ich glaube, es war ein normaler Rennunfall. Der Titelkampf wird richtig aufregend jetzt. Vier Punkte (Rückstand auf Priaulx) ist nicht viel.“
Augusto Farfus: “Alles in allem war das Wochenende gut fürs Team. Was mir und Gabriele in der letzten Runde des ersten Rennens passiert ist, war Pech, aber die Pole Position für Rennen 2 hat es uns leicht gemacht, und wir haben einen guten Job abgeliefert.“
Alessandro Zanardi: “Heute habe ich im zweiten Rennen Glück gehabt, das hat mich wieder aufs Podium gebtacht, aber mein Teamkollege Garcia war nicht so glücklich; ich glaube, er wäre schnell genug gewesen, zu gewinnen.”
Andy Priaulx: „Ich bin in der Meisterschaft zwar in Führung, bin aber etwas enttäuscht weil Lauf 2 für mich katastrophal war. Das Auto war das ganze Wochenende nicht gut ausbalanciert, und ich habe das Team gebeten, zwischen den Rennen eine große Änderung vorzunehmen, weil ich so verzweifelt war. Die Entscheidung hat sich als falsch herausgestellt.“