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Laufsiege für Priaulx und Zanardi

Packende Action in Oschersleben: Zwei tolle Rennen und ein Sieg für die Geschichtsbücher. Priaulx schließt in der WM-Wertung zu Dirk Müller auf.

Johannes Gauglica

Hier finden Sie zahlreiche Fotos.

Nachtrag zu den Rennen in Spa: der Brasilianer Augusto Farfus ist wegen unsportlicher Fahrweise disqualifiziert worden, er verliert die Punkte für seinen vierten Platz im ersten Lauf. Alfa Romeo hat noch einige Proteste laufen, bei den Italienern gibt es anscheinend genausoviele Anwälte wie Techniker. Ebenfalls schmerzhaft bestraft wurde Jörg Müller für die „Verursachung einer vermeidlichen Kollision“, wie es im FIA-Amtsenglisch heißt. Seine Meinung nach dem Qualifying im Motopark Oschersleben: „Ich bin recht zufrieden mit meiner Leistung, aber natürlich werde ich nicht auf der Pole Position stehen.” Im Training der Schnellste des WTCC-Feldes, mußte Müller im Schnitzer-BMW 320i nach dem Urteil der FIA auf den elften Platz der Startaufstellung zurückrücken. Er war dennoch zuversichtlich: „Oschersleben ist eine Strecke mit einigen Überholmöglichkeiten, voriges Jahr habe ich das erste Rennen als Zwölfter begonnen und kam am vierten Platz ins Ziel.“

Französische Neuzugänge in der WTCC: Eric Helary ersetzt seinen Landsmann und Peugeot-Werksfahrerkollegen Soheil Ayari im Team von Peugeot Sport Dänemark. Helary war bereits Anfang der 90er-Jahre ein Peugeot-„Junior“ und 1993 Teil des Peugeot-Siegerteams in Le Mans. Und das europäische Superteam Oreca betreut unter der Nennung von Seat France einen werksunterstützten Toledo Cupra, pilotiert vom eher aus der Sportwagenszene bekannten ehemaligen Porsche-Werksfahrer und amtierenden FIA-GT2-Champion Stephane Ortelli. Vor dem Start war Ortelli nervös, kein Wunder nach zehn Jahren Tourenwagen-Absenz.

Im Seat-Werksteam wurde derweil die für Valencia geplante Premiere des neuen Leon um ein Rennen vorverlegt, nachdem Jordi Genes Toledo sich nach dem schweren Crash von Spa als irreparabel herausstellte. Reparabel waren die Ford Focus des Hotfiel-Teams nach den beiden Unfällen in Spa, und ein Blick auf die Zeitenlisten des Qualifyings in Oschersleben wies die Runderneuerung als Erfolg aus. Hotfiel hatte am Motopark Heimvorteil: das Team ist hier zuhause. Aber Alfa Romeo hatte die Nase vorn: James Thompson und „bad boy“ Farfus nahmen für Lauf 1 die besten Plätze ein, Andy Priaulx als Dritter sprengte die rote Phalanx. Am anderen Ende des Feldes das österreichische IPZ-Team mit dem Ford Focus und Fahrer Sascha Plöderl: in der deutschen Meisterschaft ein Top-Team, gegen die Werksautos der WTCC leider bei allem Bemühen chancenlos.

Lauf 1:
Gleich am Start holt sich Priaulx im Auto von BMW UK den zweiten Platz und beginnt seinen Landsmann Thompson zu attackieren. Der freut sich der Führung nicht lange: wegen eines Regelverstoßes seines Teams muß er in der Box eine Zeitstrafe absitzen. Priaulx bekommt es mit den Werks-Seat zu tun, der „moralische Trainingsschnellste“ Jörg Müller arbeitet sich alsbald auch nach vorn. Die Alfa von Farfus und Tarquini machen mörderischen Druck auf Priaulx.

Bei Seat hat sich Peter Terting vor dem deutschen Publikum einiges vorgenommen, aber der Leader bei Seat ist der schwedische Routinier Rickard Rydell. Er zeigt seinem jungen Teamkollegen mit einem Bodycheck, wer der Herr im Haus ist, und hetzt dann den ersten Drei hinterher. Mit Ortelli und Gene sind zwei weitere Seat in den Top 10. Farfus zeigt mittlerweile wieder suspekte Manöver gegen seinen Lieblingsfeind Jörg Müller. Der Alfa ist langsamer als die Konkurrenz hinter ihm, davon profitiert Priaulx, er baut seine Führung aus. Nach zehn Runden Blockade verbremst sich Farfus und eine ganze Meute von Autos zieht an ihm vorbei. Damit beginnt das Match Deutschland gegen Spanien, Alfa Romeo ist nach einem Dreher von Giovanardi nicht mehr an der Spitze vertreten.

Während der wunderschöne Peugeot seinen Auftritt frühzeitig beendet, ist Rydell am zweiten Platz, die Müllers hinter ihm. Hart, aber fair hält der Schwede sich die beiden BMW vom Leib; Priaulx holt sich derweil ungefährdet den ersten Laufsieg der Saison.

Die „Independents“-Wertung geht an Adriano de Micheli im Honda Accord R des JAS-Teams; Sascha Plöderl läßt als letztes Fahrzeug auf der Strecke noch Tarquinis Alfa und den Peugeot hinter sich.

Resultat Lauf 1

Lauf 2
Für den zweiten Lauf wurden die ersten acht Platzierungen umgedreht, somit stand der achtplatzierte Alessandro Zanardi auf der Pole. Fünfzehn Runden später gab es im gesamten Motopark Oschersleben kein trockenes Auge. In den Worten von Jörg Müller war es „ein historisches Rennen nicht nur für die WTCC, sondern auch für behinderte Sportler“. Auf jeden Fall war es der (vorläufige) Höhepunkt des größten Comebacks der Motorsportgeschichte. Niemand, der vor fünf Jahren Alex Zanardis Blut am Asphalt des Lausitzring-Ovals gesehen hat, hat es damals für möglich gehalten, daß der Italiener jemals wieder in einem Rennwagen sitzen würde – geschweige denn auf einem Podium stehen.

Gelernt ist gelernt: einmal an der Spitze des Feldes, muß dem ehemaligen IndyCar-Champion aus Bologna niemand sagen, was er zu tun hat. Er bekommt auch nichts geschenkt: in der Anfangsphase setzt er sich gegen ein halbes Dutzend Verfolger zur Wehr (darunter auch Gene in einem starken Debut für den neuen Seat Leon), und die letzte Runde wird eine ganz knappe Partie. Vom achten Startplatz setzt sich Priaulx an die dritte Stelle, und das BMW-Trio ist am Schluß unter sich.

Letzte Kurve: nach einem Verbremser Zanardis sieht Müller seine Chance, er geht außen vorbei. Zanardi hält die Linie, Müller rutscht in die Wiese, er wird nur Dritter. Priaulx setzt sofort nach und versucht innen an Zanardi vorbeizukommen. Die beiden gehen nebeneinander auf die Zielgerade, am Ende entscheiden 0.232 Sekunden zugunsten von Alex Zanardi.

Und dann war alles wie früher: Die Fans haben ihn nicht vergessen, und auch der „Donut King“ weiß noch, wie man die Reifen rauchen läßt. Nebenbei ist dies auch der erste Sieg für Roberto Ravaglias BMW Team Italy-Spain. Bester Privatier wird Tom Coronel mit dem Seat, Sascha Plöderl im IPZ-Focus wird mit drei Runden Rückstand als 22. gewertet.

Resultat Lauf 2

In der Gesamtwertung ist sechs Rennen vor Schluß (je zwei in Instanbul, Valencia und Macao) noch alles offen; Titelverteidiger Andy Priaulx ist bis auf einen Punkt an Dirk Müller herangekommen. Aber das war heute gar nicht so besonders wichtig. „Ich bin sehr zufrieden, daß Alex gewonnen hat“, war Priaulx’ Kommentar, und dem kann man sich nur anschließen.

Stimmen nach dem Rennen:

Alessandro Zanardi: “Mein größter Dank gilt meinem Team, denn gestern abend haben sie mir vertraut und Dinge geändert; nach diesen Änderungen hat sich das Auto heute früh ganz anders angefühlt. Ich habe mein voriges Auto in Spa zerstört und das Team hat mir ein neues bauen müssen, deshalb haben sie keinen Urlaub gehabt, aber jetzt haben sie mir verziehen! Es war eine knappe Sache im Lauf 1 und ich habe einen schlechten Start erwischt, weil die Ampel mich überrascht hat. Ich habe ein gutes Auto gehabt und habe Farfus in der letzten Runde glücklich überholen können, das hat für mich die Pole im Lauf 2 bedeutet. In dem Rennen habe ich mich nur auf den Start konzentriert und bin es dann Kurve für Kurve, Runde für Runde angegangen. Es war schwierig, solch großartige Fahrer hinter mir zu halten. Ich war nicht überrascht, als Jörg versucht hat, zu überholen; denn es ist in der Natur dieser Fahrer, anzugreifen. In gewisser Weise wäre Imola mein Traumtag gewesen [dort war Zanardi am Weg aufs Podium, bevor Farfus ihn eliminierte], aber jetzt bin ich froh, daß es nicht passiert ist, denn natürlich hätten die Leute gesagt „ja, aber er hat es auf einer Strecke geschafft, die er sehr gut kennt“. Aber hier [in Oschersleben] habe ich mich in der Vergangenheit schwergetan, deshalb war es wirklich etwas Wunderbares, das mir heute widerfahren ist.“

Andy Priaulx: “Es war ein absolut fantastisches Wochenende für mich, aber was es ganz besonders gemacht hat war, Alex siegen zu sehen. Es ist ein sehr technisch anspruchsvoller und komplizierter Kurs, und er war unter Druck durch uns [Müller und Priaulx]; und da so zu fahren, wie er es getan hat, ist sensationell. Was mich betrifft, hat mein neues Auto den „sweet spot“ getroffen. Es fühlt sich so an, als hätte ich das Vorjahresauto wieder zurück! Das bedeutet, daß ich mit Vertrauen und Aggressivität fahren kann, und es wird sich hoffentlich auswirken. Wir haben noch einen langen Weg zu gehen aber ich habe ein gutes Gefühl in Bezug auf die noch ausstehenden Strecken, und ich werde hart arbeiten, um alle Rennen zu beenden.“

Jörg Müller: ”Ich glaube nicht, daß mein Start im Lauf 1 großartig war, umgekehrt dürften alle anderen geschlafen haben! Voriges Jahr bin ich vom 12. auf den 4. Platz gefahren, deshalb weiß ich, daß dies eine Strecke ist, wo man überholen kann. Ich habe mir gedacht „bleib ruhig und bleib in den Top 3“, was ich ja in beiden Rennen getan habe. Im zweiten Rennen wollte ich zu Alessandro nicht unfair sein und ich muß sagen, er hat keine Fehler gemacht. Ich bin froh, ein Teil eines der erinnerungswürdigsten Rennen für die Tourenwagengeschichte, und wahrscheinlich auch für behinderte Sportler, zu sein.“

Rickard Rydell: ”Es war ein positives Wochenende für uns. Uns gefällt die Strecke und ich bin froh, daß wir imstand waren, mit den BMW zu kämpfen. Das Seat-Team hat seinen Job sehr gut gemacht, denn es war eine schwierige Aufggabe, den neuen Leon und gleichzeitig den Toledo weiterzuentwickeln. Ich freue mich auf das Rennen mit dem Leon in Valencia. Ich glaube wir brauchen noch etwas mehr Testarbeit, aber dieses Wochenende war ermutigend, das Auto hat eine gute Kurvengeschwindigkeit und Downforce. Wir müssen an der Balance arbeiten, aber es hat viel Potential.“

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