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Dreikampf um den WM-Titel

Beim WTCC-Meeting in Valencia gab es trotz zwei klaren Laufsiegen durch Jordi Gené (Seat) und Jörg Müller (BMW) jede Menge Spannung.

Hier finden Sie zahlreiche Fotos aus Valencia.

Ein weiterer Hersteller interessiert sich für die Tourenwagenweltmeisterschaft: AvtoVAZ, oder in anderen Worten Lada, hat die Teilnahme an einigen Läufen 2006 angekündigt, 2007 soll die komplette Meisterschaft gefahren werden. Als Basis dient das noch nicht erhältliche Stufenheckmodell Priora; die Entwicklung geschieht in Zusammenarbeit mit der deutschen Firma MTEC-Sport, die auch am Super1600-Rallyeauto der russischen Firma mitgearbeitet hat. Die WTCC wird somit immer mehr zur echten Weltmeisterschaft, einzig die asiatischen Hersteller lassen sich (wenn man die „europäischen“ Chevrolet aus Korea ausklammert) noch bitten.

Beim WTCC-Meeting in Valencia gab es trotz zwei klaren Laufsiegern jede Menge Spannung. Der Circuito Ricardo Torno galt nach dem doppelten Vierfach-Sieg der 156er letztes Jahr als Alfa-Strecke, davon war heuer aber nichts mehr zu bemerken. Die Alfa-Fahrer klagten, daß Änderungen an den Kerbs die Charakteristik der Strecke verändert hätten. Außerdem war die Asphalttemperatur am Renntag satte fünfzehn Grad niedriger als noch im Training, kein Auto hatte wirklich guten Grip. Umso kurzweiliger war die Action für die ungefähr 40.000 Zuschauer. Vor dem ersten Rennen führte Titelverteidiger Andy Priaulx aus England (BMW) mit 74 Punkten vor Dirk Müller (BMW, 73) und Fabrizio Giovanardi (Alfa, 70) die Meisterschaftstabelle an.

LAUF 1:

Eviva Jordi: Lokalmatador Jordi Gené holte die erste Trainingsbestzeit für den Seat León Cupra. Gegenüber den Stufenheck-Autos hat der León als Hatchback eigentlich einen aerodynamischen Nachteil, aber das hat den Fahrern offenbar niemand mitgeteilt: drei neue León waren im Einsatz, und Gené machte von Anfang an keinen Hehl aus seiner Ambition, sein erstes Rennen für Seat zu gewinnen. Der deutsche Team-Junior Peter Terting, zweiter der Startaufstellung, schirmte Gené vom Start weg unter Einsatz seiner Karosserie ab. Er blockte den drittplatzierten Dirk Müller gleich am Start recht vehement und hielt ihn rundenlang hinter sich.

Chevrolet durfte sich nach einigen kleinen Konzessionen der FIA über mehr Leistung freuen, die positive Überraschung war Rob Huffs vierter Startplatz, aber die Freude währte nur zwei Kurven: Huff kollidierte mit Rickard Rydells Seat und dem Alfa Romeo von Augusto Farfus jr., sein Arbeitstag war beendet. Gleich in der ersten Runde machten Priaulx (von 15 auf 8) und Giovanardi (von 13 auf 5) eine Menge Plätze gut, hinter den drei Führenden begann zwischen diesen beiden und Jörg Müller im zweiten Schnitzer-BMW ein intensives Gerangel um den vierten Platz. Vor allem der Umgangston zwischen den BMW-Kollegen und Meisterschaftsrivalen Dirk Müller und Andy Priaulx war überaus ruppig.

Priaulx setzte sich in Runde 8 dann hart, aber fair gegen Giovanardi durch, damit waren die Positionen bezogen. Aufgrund einer kürzeren Übersetzung litt Priaulx etwas unter Top-Speed-Mangel. Alfa-Pilot Giovanardi war an diesem Tag praktisch auf sich allein gestellt, die übliche Teamarbeit war wegen der Ausfälle von Farfus und Thompson und eines ungewohnt schwachen Gabriele Tarquini diesmal nicht möglich - im zweiten Rennen sollte das dann noch deutlicher werden.

Haudegen Nicola Larini war der Star bei Chevy, der siebente Platz in Lauf 1 bedeutete endlich wieder Punkte für ihn, dahinter schaffte Alessandro Zanardi vom 21. Startplatz noch Rang 8, und damit die Pole Position im zweiten Lauf. Klarer Sieger dieses Rennens war aber Jordi Gené - somit haben alle drei Seat-Werksfahrer jetzt einen Sieg auf dem Konto, und der Seat León hat bereits in seinem dritten Rennen zum ersten Mal gewonnen.

In der Privatiers-Wertung waren Adriano de Micheli mit dem JAS-Honda Accord, Giuseppe Ciró (ProTeam-BMW) und Tomas Engström mit dem Accord des Honda Dealer Team Sweden im Ziel nur durch vier Sekunden getrennt, sie belegten gesamt die Plätze 11 bis 13.

Nach diesem Rennen war also Dirk Müller mit 81 Punkten wieder in der Tabelle vorne, dahinter Priaulx (79) und Giovanardi (73). Während die BMW-Fahrer zumindest teilweise auf werksinternes Teamwork hoffen konnten, war Giovanardi in dieser Gruppe völlig isoliert, kein anderer Alfa Romeo in den Top 10.

LAUF 2:

Der rasche Ampelwechsel am Beginn des zweiten Rennens überraschte einige Fahrer, am meisten jedoch Larini, der seinen Start fürchterlich verhaute und nach hinten durchgereicht wurde. Ein Ausrutscher wenige Runden später beendete seine Hoffnungen auf ein gutes Resultat endgültig. Zanardi kam am besten weg, Jörg Müller und Andy Priaulx erwischten ihre Starts ebenfalls gut und setzten dem Italiener in den ersten Runden sehr zu.

Nach dem Gewinn der italienischen Meisterschaft klingt der „Mitleidsbonus“ für Zanardi langsam etwas ab, trotzdem ist seine Pace in der zweiten Saisonhälfte bemerkenswert; für 2006 muß man ihn zu den Titelkandidaten rechnen. In diesem Rennen mußte der ehemalige IndyCar-Star sich alsbald dem Druck Müllers und Giovanardis beugen und reihte sich am dritten Platz ein, während dahinter zwischen Dirk Müller und Priaulx die Gangart wieder hart wurde. In den nächsten zwei Runden kristallisierte sich das Szenario für den Rest des 13-runden-Rennens heraus: Jörg Müller fuhr einem für ihn wichtigen Sieg entgegen: er ist bislang bei Team Schnitzer noch nicht für 2006 bestätigt, vielleicht ändert sich das jetzt. Dahinter gab es ein packendes Gefecht der direkten Meisterschaftsrivalen Giovanardi, Dirk Müller und Andy Priaulx.

„Gio“ bot eine grandiose Defensivleistung und hielt mit dem deutlich langsameren Alfa absolut fair, aber ohne jeglichen Fehler die wütend drängelnden BMW hinter sich. Alfa-Teamchefin und „Queen of Cool“ Monica Sipsz litt an der Boxenmauer mit, während ihr Fahrer um seine und Alfa Romeos letzte Titelchance kämpfte. Dirk Müller und Priaulx waren zeitweise neben dem Alfa 156, fanden aber keinen Weg vorbei. Zwischen diesen beiden wechselte der dritte Platz einige Male, durchaus auch mit der Brechstange. Dahinter hatten Zanardi und sein Kollege Antonio Garcia in den beiden Ravaglia-BMW die Order, ihre Markenkollegen abzuschirmen, und hielten das restliche Feld in Schach. Garcia geriet kurz unfreiwillig zwischen Priaulx und Müller, steckte aber schleunigst wieder zurück. Am Schluß behauptete sich Priaulx auf Platz 3 und probierte bis ins Ziel sämtliche Tricks und Finten, aber es nützte nichts: Giovanardis Glanzleistung wurde mit dem zweiten Platz belohnt (und wann ist ein zweiter Platz das letzte Mal so hart erkämpft worden?), seine Titelhoffnungen sind weiter völlig intakt.

Beste Privatiers wurden Engström und Ciró als Gesamt-Neunter bzw. Zehnter mit zwei Hunderstelsekunden Differenz, dahinter abgeschlagen Tom Coronel im Seat von GR Asia (13. Platz). Der Sieg ging mit Riesenvorsprung (zeitweise zehn Sekunden, im Ziel noch 7,7) an Jörg Müller, der klarerweise mit dem Resultat nach dem Rennen ebenso zufrieden war wie Giovanardi. Von Zufriedenheit konnte bei Priaulx und seinem Team RBM allerdings wenig Rede sein. Priaulx’ Teamchef Bart Mampaey machte Schnitzer-Boss Charly Lamm gegenüber seinem Ärger über die harte Fahrweise des Schnitzer-Piloten Dirk Müller unmißverständlich Luft.

Resultat Lauf 1 | Resultat Lauf 2

WM-Tabelle | Independent-Wertung

Alles in allem war es ein ideales vorletztes Wochenende: Die Positionen für das Finale sind bezogen, aber die Entscheidung ist vertagt. Nur eine einziger Punkt trennt Dirk Müller (86) und Priaulx (85), Giovanardi (81) ist in Lauerstellung. Entschieden wird dieser emotionsgeladene Dreikampf ausgerechnet beim gnadenlosesten Rennen des Tourenwagensportes, in den engen Straßenschluchten von Macau am 20. November.

Originaltöne:

Jordi Gené: „Das ist der glücklichste Tag meines Lebens. Das erste Rennen war unglaublich, aber es sit mir in Wahrheit länger vorgekommen als ein 24-Stunden-Rennen, weil ich so Angst gehabt habe, daß ich Fehler mache oder daß etwas schief geht. Das Auto ist fantastisch, und damit gleich im dritten Rennen zu gewinnen ist großartig. Der Erfolg geht auf jeden Fall aus Konto der harten Arbeit von Seat, und wir dürfen darauf stolz sein. Die einzige Sache, an der wir noch arbeiten müssen, ist der Speed auf der Geraden, deshalb war es im zweiten Lauf zu schwierig, um Plätze zu kämpfen. Das Auto war genauso schnell wir im ersten Rennen, aber ich habe nicht überholen können, weil es zu riskant war.“

Jörg Müller: “Dies ist der dritte Sieg meiner Saison, und ich bin drüber sehr glücklich. Ehrlich gesagt war das zweite Rennen recht leicht, als ich einmal in Führung war. Im ersten Lauf bin ich am Start getroffen worden und war um meine Lenkung besorgt, das hat mich aufgehalten. Dann habe ich einen Fehler gemacht und mehr Plätze verloren. Ich habe dann begonnen, mich wieder zurückzukämpfen, und hatte einen guten Kampf mit Giovanardi. Es war grade so, wie die WTCC sein sollte, darum war ich auch mit meinem Resultat im ersten Lauf (5. Platz) zufrieden.“

Dirk Müller: “Ich habe nach dem ersten Lauf wieder in Führung in der Meisterschaft und bin darüber wirklich froh. Ich gehe als Führender nach Macau und das gibt mir Selbstvertrauen. Voriges Jahr war ich 12 Punkte vorn und habe verloren, aber heuer habe ich einen Punkt Vorsprung, und werde es packen.“

Andy Priaulx: “Es ist schwierig, Meisterschaften zu gewinnen, also hatte ich in Lauf 2 hart zu kämpfen. Es war heute wirklich 'tough' und ich habe es immens genossen. Fabrizio (Giovanardi) hat sich sehr gut verteidigt und wir beide haben zwei saubere Rennen gehabt. Ich bin zufrieden, beide Rennen beendet zu haben. Ich sehe mich nicht unter Druck, denn ich habe bereits eine Meisterschaft gewonnen, deshalb werden wir sehen, was in Macau passiert.“

Fabrizio Giovanardi: “Es war nicht leicht, die BMW hinter mir zu halten, aber ich habe gewußt, daß es sein mußte, wenn ich im Titelkampf bleiben wollte. Heute war es schwer, aber es war meine letzte Chance auf ein paar weitere Punkte, drum habe ich gesagt: 'Jetzt oder nie'. Ich bin mit meiner Leistung zufrieden und ich habe (die Rennen) heute sehr genossen. In Macau bin ich 1988 gefahren, aber natürlich zählt das nicht viel. Ich hoffe, die Strecke schnell kennenzulernen, damit ich bis zum bitteren Ende im Rennen (um die Meisterschaft) bleiben kann.“

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