WTCC: Brands Hatch | 22.05.2006
Alain Menü stört Seat-Festspiele
Die Seat-Piloten geben im regnerischen Brands Hatch den Ton an, im 1. Rennen siegt Yvan Muller, im 2. Heat schlägt Alain Menü (Chevrolet) zu.
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In England regnet es gerne, und es hört ungern wieder auf: Ölzeug, Schirm und Gummistiefel gehören zur Grundausstattung des britischen Rennfans. Der englische Frühsommer zeigte sich nach etlichen Wochen der Trockenheit von seiner unangenehmsten Seite, das gesamte Rennwochenende der WTCC war hoffnungslos verregnet, und die Bedingungen verschlechterten sich auch am Renntag noch kontinuierlich.Die Zuschauermenge war trotz erfrischender 13 Grad und Wolkenbruch einer Weltmeisterschaft würdig. Fad wurde dem Publikum bei der gebotenen Show auf keinen Fall. Im Training gab sich das Wetter wechselhaft und führte etliche Teams im Reifenlotto in die Irre. Auch Andy Priaulx und seine Crew vergriffen sich in der Reifenwahl, der Titelverteidiger im BMW 320si war nur Zehnter in der Startaufstellung.
Als einzige Hecktriebler im Feld taten sich die BMW auf dem wunderschönen, aber klatschnassen alten Grand Prix Circuit in Brands Hatch besonders schwer. Vorneweg waren die SEAT León; vor allem der Brite James Thompson hatte Ambitionen auf die Pole. Er musste sich hinten anstellen, Rickard Rydell (S) und Brands-Novize Peter Terting (D) positionierten sich in der ersten Reihe, für den Schweden die erste WTCC-Pole.
Dahinter mit Rob Huff schon der schnellste Chevrolet; Huff schmiß seinen Lacetti allerdings noch in den letzten Minuten des turbulenten Qualifyings in die Reifenstapel. Ebenfalls in den Top 10 die schnellsten Privatiers: Tom Coronel (NL) im neuen SEAT Léon von GR Asia auf der 7. Position, und Pierre-Yves Corthals (B) im Honda Accord auf Platz 9.
„Nobody expects the Spanish Inquisition!”: nach der ersten Kurve waren bereits fünf Léon an der Spitze, nur Huff im Chevy war ein verbissener Verfolger. Als große Ausnahme im SEAT-Lager hatte ausgerechnet der Spanier Jordi Gene ein schwarzes Wochenende. Rydell konnte seine Pole Position nicht nutzen und fiel hinter Yvan Muller und Peter Terting zurück, James Thompson machte im internen SEAT-Kampf Druck auf den Schweden.
Gabriele Tarquini war der Langsamste der Schnellen und gab sich Huff geschlagen, in dieser Formation drehten die Top 6 dicht beisammen die nächsten Runden. Dahinter raufte Priaulx die längste Zeit mit Dirk Müller um Platz 8, den letzten erhältlichen Punkt und die Pole für Lauf 2; er setzte sich letztlich durch.
In Runde 9 mußte Terting in der Senke von Dingle Dell kurz vom Gas. Dadurch wurden seine Teamkollegen Rydell und Thompson eingebremst, „Thommo“ ging an die vierte Position.
Zwei Runden später war Terting wieder abseits der Rennlinie, Thompson übernahm Platz 3; Huff überrumpelte Rydell im Druids Corner und war Vierter. Brands-Neuling Terting war er gab bei seiner Premiere, unter Druck von Thompson und Huff, eine Star-Performance: trotz seiner zwei Fehler war er in der letzten Runde drauf und dran, Muller doch noch den Sieg abzujagen.
Muller hatte 45 Kilo Erfolgsballast an Bord, Terting fuhr leer; zwei Zehntel entschieden dann doch zugunsten des Routiniers aus Frankreich, der jetzt auch seinen ersten WTCC-Sieg hat. Ebenso knapp dahinter zischten Thompson und Huff praktisch nebeneinander über die Ziellinie. Thommo hatte die Nase vorne, somit hatten die Gelben aus Spanien das Siegerpodest für sich: Coronel im privaten Léon gewann in einem ebenso dramatischen Rennen die Independents-Wertung gegen seinen Teamkollegen Maurizio Ceresoli im alten Toledo und dessen Landsmann Diego Romanini im Wiechers-BMW.
Resultat Lauf 1
Für Lauf 2 nahm sich der englische Wettergott noch einmal richtig zusammen und schmiß dem WTCC-Feld alles entgegen, was er zu bieten hatte. Durch Ströme von Regen und Matsch führten Priaulx und Alain Menu im Chevy die Meute in die erste Runde. Der Schweizer Menu lebt und fährt seit vielen Jahren in Großbritannien, er kennt solche Verhältnisse nur zu gut.
Es war ein Rennen der Eigenfehler: Rob Huff war nach seiner starken Leistung in Lauf 1 der motivierteste der Chevy-Fahrer, er rutschte schon in Runde 1 im Druids Corner ohne irgendwelche fremde Hilfe geradeaus von der Strecke – klassisches Aquaplaning. Priaulx hatte als Führender halbwegs klare Sicht, dahinter war das Feld in einer einzigen Gischtwolke verschwunden.
Tarquini, Rydell und Thompson waren hinter Menu die die SEAT-Jagdgruppe, dahinter nach einem tollen Start Marcel Costa (E) und Alex Zanardi in den 320si von BMW Italy-Spain. Privatier Romanini versenkte seinen BMW in Westfield, draufhin kam das Safety Car auf die Strecke. Nach zwei langsameren Runden war das Rennen wieder frei, Priaulx durfte seine Führungsarbeit von vorne beginnen.
Weit kam er nicht: gleich am Ende der Start-Ziel-Gerade, in der langen Bergab-Linkskurve von Paddock Hill, verlor er die Traktion und driftete durchs Kiesbett. Er vermied den Einschlag in die Barriere, aber zehn Autos zogen vorbei. Das Rennen war für Priaulx verloren, und mit Menu hatte zum ersten Mal ein Chevy-Fahrer eine reelle Siegchance.
Keine Teamorder bei SEAT: Tarquini fiel in die Klauen von Rydell, der sich sofort absetzte und Menu hinterherjagte, dann ging auch „Thommo“ am Italiener vorbei. Zur Halbzeit des Rennens stellte Jörg Müller seinen Schnitzer-BMW nach einem frustrierenden Sonntag an den Boxen ab, während Namens- und Teamkollege Dirk Müller auf Platz 5 die bayrischen Flaggen einigermaßen hochhielt. Dahinter drehte sich Costa, ebenfalls mit Eigenfehler, in den Kies, und Priaulx begann mit Zanardi um den achten Platz zu raufen.
Auch Privatier Corthals im Honda endete sein Rennen im Kies, sein Teamkollege Ryan Sharp führte die Independent-Wertung an und hielt Coronel unter Kontrolle. Alles unter Kontrolle auch an der Spitze: noch in der vorletzten Runde drehte Alain Menu die schnellste Rennrunde. Erschöpft, aber glücklich: bei grauenhaften Bedingungen holte ein Schweizer für die vom Schweizer Emigranten Louis Chevrolet gegründete Marke und das schottische Team RML den ersten Sieg in der Tourenwagen-Weltmeisterschaft.
Resultat Lauf 2
Im Trockenen fehlen den Lacettis zum Gewinnen noch die PS, aber ein Saisonziel – der erste Sieg - wäre für Chevrolet Europe Motorsport damit schon erreicht. Waren voriges Jahr noch BMW und Alfa tonangebend, zeichnet sich jetzt die Wachablöse ab: Chevy und vor allem SEAT machen die Schlagzeilen. Spanische Dreifachführung auch in der Punktetabelle mit Muller (32 Punkte) vor Thompson (25) und Tarquini (24); Priaulx (23) ist auf Platz 4 abgerutscht.
Tabelle
Independents-Tabelle
Die nächsten beiden Rennen folgen in Oschersleben in Deutschland am 3. und 4. Juli.
Stimmen nach dem Rennen:
Yvan Muller: „Es war mir wichtig, ein Rennen zu gewinnen, ich wollte zum WTCC Winners Club gehören! Für den zweiten Lauf habe ich mich nur drauf konzentriert, auf der Strecke zu bleiben; bei Halbzeit hat die Öldruck-Warnlampe aufgeleuchtet, das war etwas beunruhigend, aber ich habe es bis ins Ziel geschafft. Meine Streckenkenntnis hat geholfen, aber viele Fahrer kennen die Strecke. Wichtig ist, dass ich wieder in Führung der Meisterschaft bin, denn das war das Ziel.“
Alain Menu: “Es war ein phantastisches Wochenende! Am Freitag war ich unzufrieden mit dem Auto, aber wir haben es über drei Tage hinweg verbessert, wir haben sogar zwischen den Rennen Dinge geändert. Als Andy (Priaulx) rausgerutscht ist, habe ich gewusst, ich muß die Konzentration behalten und ins Ziel kommen! Unser Ziel für heuer war ein Laufsieg, und wir habens geschafft! Ich habe hier in Brands Hatch viele Rennen gewonnen, aber ich muß sagen, das war eins der besten.“
Peter Terting: „Das erste Rennen war wirklich hart, und es war wirklich großartig. Schwierig auch, weil ich mit Teamkollegen gefightet habe, auf dieser Strecke ist wegen der Eigenart der Strecke und wegen der Bedingungen das Überholen schwer gewesen. Ich habe Yvan eingeholt, aber es war nicht genug, um ihn zu überholen; das wäre zu riskant gewesen. Für das zweite Rennen habe ich die falschen Reifen gewählt. Ich habe zu abgenützten Reifen mit wenig Grip gegriffen; aber nach ein paar Runden in dem schweren Regen konnte ich unmöglich schnell sein.“
Rickard Rydell: „Ich freue mich für SEAT, es war für uns ein gutes Wochenende. Ganz persönlich habe ich mir mehr erwartet, und ich weiß, dass ich jetzt an Punkten aufholen muß. Dennoch ist es positiv, dass ich in beiden Rennen gepunktet habe. Im zweiten Lauf sind meine Scheibenwischer stehengeblieben und ich habe aus dem Seitenfenster schauen müssen um zu wissen, wos hingeht!“
James Thompson: „Obwohl ich über den zweiten Platz in der Meisterschaft froh bin, habe ich mir schon erwartet, mich weiter vorn zu qualifizieren; und ein Sieg wäre möglich gewesen. Aber in Anbetracht der Bedingungen gebe ich mich mit den beiden drittne Plätzen zufrieden, vor allem weil ich im Lauf 2 die Servolenkung verloren habe. Ich freue mich fürs Team, die SEAT waren immer an der Spitze des Feldes.“
Tom Coronel: “ Der Léon ist in vieler Hinsicht anders als der Toledo. Er klingt anders, lässt sich anders fahren, hat mehr Grip, fühlt sich besser an. Nach diesem Wochenende habe ich Vertrauen in die Fähigkeiten des Autos. Im ersten Lauf hatten wir ein falsches Setup und ich hatte es mit viel Untersteuern zu tun, trotzdem habe ich gewonnen. Als wir dann zum zweiten Rennen kamen, war meine Scheibe völlig angelaufen und ich habe bis auf ein kleines Loch nichts mehr gesehen.“
Ryan Sharp: “Hier zu gewinnen, ist ein gutes Gefühl, denn hier bin ich meiner Heimat in Schottland am nächsten! Mir waren die Bedingungen recht, und es ist wichtig für mich, so was zu erleben; ich lerne noch immer dazu, wann immer ich im Auto sitze. Der erste Lauf war etwas enttäuschend, aber der zweite war großartig."