Rallye: Interview | 05.07.2006
Manfred Stohl im motorline.cc-Exklusiv-Interview
Manfred Stohl im Gespräch mit motorline.cc: Über das Erdgas-Projekt und dessen drohendem Ende, OSK-Beschlüsse und FIA-Kalender.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: GEPA, motorline.cc
Manfred, ein aktuelles Thema: Das Erdgas-Auto.
Zunächst muss ich sagen: Das ist für uns eine sehr interessante Aufgabe, eine sehr schwierige Aufgabe. Das ist etwas ganz anderes, als nur ein Rallye-Auto zu bauen. Wir bauen ja sehr viele Rallye-Autos - aber das Erdgas-Projekt war für uns eine wirklich schwierige und komplett neue Aufgabe. Man hat in unserem Team gesehen, wie wir alle plötzlich vom Ehrgeiz gepackt wurden. Ein neues Projekt, neue Möglichkeiten. Die Leute haben zusammengehalten, jeder hat gekämpft, jeder hat für dieses Projekt gefightet. Für unsere Firma war oder ist das ein schönes Erlebnis.
Das hat euch noch mehr zusammengeschweißt.
Genau. Wenn du immer wieder Rallye-Autos baust, dann wird das irgendwann einmal zu einem normalen Ablauf, zu einer Routine. Irgendwann erreichst du den Punkt, an dem sich die Leute nicht mehr so anstrengen müssen, weil ohnehin jeder weiß, wie es geht. Wenn dann so ein Projekt auf den Tisch kommt, weiß keiner Bescheid, keiner weiß, wie es funktioniert, welchen Weg man einzuschlagen hat. Plötzlich sind wieder Ideen gefragt - auf einmal wird wieder viel mehr kommuniziert. Man tauscht sich aus - man fragt: Wie würdest du dieses Problem lösen? Da wird viel mehr miteinander gesprochen - wenn ich den fünften Benzinmotor baue, weiß ich schon, wie ich vorgehe.
Und diese Aufbruchstimmung hat sich auf alle Bereiche in deiner Firma übertragen.
Ja. Und man weiß ja, dass man im Normalfall nicht übermäßig viele Überstunden absolvieren möchte - aber bei so einem Projekt ist das egal, da wird gearbeitet. Das ist dann ein sehr schönes Gefühl. Wenn du siehst, dass sich dieser Ehrgeiz nicht nur auf die Geschäftsführung ausbreitet, sondern auf alle Mitarbeiter im ganzen Haus. Ob im Büro oder in der Werkstatt.
2007 werden die Erdgas-Autos von den Diesel-Autos getrennt in einer eigenen Alternativkraftstoff-Klasse gewertet - es droht jetzt, kurz nach dem Start, schon wieder das Ende. Was hältst du von dieser Trennung?
Diese Frage können wir als Firma nicht beeinflussen und sie liegt nicht in meinem Bereich - und ich möchte auch keine Politik betreiben, wie gewisse andere Leute in Österreich. Wenn die OSK eine solche Entscheidung trifft, dann ist diese zur Kenntnis zu nehmen. Es ist zwar schade, aber wir werden andere Möglichkeiten, andere Projekte und neue Ziele finden.
Wie ist es deiner Meinung nach zu dieser Aufteilung gekommen?
In dem Fall ist es meiner Meinung nach so, dass diese Trennung nur deshalb vollzogen wurde, weil sich andere Hersteller darüber aufregen, dass wir zu stark oder zu schnell sind. Jeder, der halbwegs eine Ahnung hat von diesem Sport weiß, dass dieses Diesel-Kitcar mit einem einem Top-Fahrer am Steuer - damit möchte ich Kogler nicht abwerten, er ist ein junger aber eben noch unerfahrener Pilot - Kreise um die Konkurrenz fahren würde, und zwar um alle. Und da hat sich bislang keiner aufgeregt. Wir haben eben ein Paket geschnürt, bei dem das Auto stimmt, bei dem der Fahrer stimmt - da brauchen wir nicht zu diskutieren, Beppo gehört zu den Besten.
Dann gab es auch noch den Regen, der war auch hilfreich.
Ganz klar, der Regen hat uns auch in die Hände gespielt. Man sollte bedenken: Das hätte auch ganz anders ausgehen können. Und wir hätten natürlich auch einen Fahrer nehmen können, der nichts kostet oder sogar noch Geld bringt. Der wäre dann im Nirvana herumgefahren.
Dann hätte sich niemand aufgeregt, glaubst du?
Dann hätte sich kein Mensch aufgeregt. Da wir jedoch einen der besten österreichischen Piloten genommen haben, hat sich jeder aufgeregt. Aber im Grunde kann ich nur lachen über diese Geschichte. Da sieht man halt wieder, wie schlecht es eigentlich um unseren Sport bestellt ist. Und man sieht, dass die Menschen gewisse Zusammenhänge nicht mehr erkennen.
Am liebsten wäre ihnen, wir hätten für zehn Autos zehn Meistertitel. Mich würde interessieren, wem das etwas bringen soll, wenn ich jedem einen Meistertitel umhänge? Außer denjenigen, die gerne einen solchen Titel hätten. Aber: Nur ein Meistertitel ist etwas wert, nicht fünf Meistertitel.
Euer Projekt ist ja bestens geeignet, um ein Signal zu setzen, auch in punkto Umwelt.
Erstens das, wir können im direkten Duell zeigen, dass Erdgas eine umweltfreundliche und zugleich auch leistungsstarke Lösung ist. Zweitens: Wenn ich mir die Alternative Klasse bei der Ostarrichi-Rallye ansehe, wo der Erste ein Skoda war, der Zweite ein Mitsubishi, der Dritte ein VW, der Vierte ein FIAT - was willst du mehr? Mehr Vielfalt kann man sich nicht wünschen.
Und diese Klasse der Alternativkraftstoffe, so wie sie in diesem Jahr noch betrieben wird - also alles daran teilnimmt, was keinen Benzinantrieb vorweist - das ist doch super. Denn was will man denn erreichen? Man will ja beweisen, dass man mit Gas schneller fährt als mit Diesel. Was nützt mir das, wenn ich gegen den Danzinger fahren kann? Wenn zwei Autos gegeneinander fahren? Und dann sage ich: 'Ich bin der Gaspokalsieger!' Das interessiert keinen Menschen.
Es geht ja auch darum, zu demonstrieren, dass Gas nicht nur eine brauchbare, sondern auch eine starke Alternative darstellt.
Ja, ganz genau. Bevor wir an den Start gegangen sind, hat niemand geglaubt, dass wir es überhaupt an den Start schaffen werden. Die haben uns ja ausgelacht. Und das wiederum hat meine Leute hier im Haus umso mehr motiviert - ich kann mich nur immer wieder bei den Leuten bedanken, die uns ausgelacht haben und die uns überhaupt nicht ernst genommen haben, die haben zur Motivation meiner Leute einen großen Teil beigetragen.
Zurück zu den Regeln - die OSK hat die A8 gestrichen - deine Meinung dazu?
Das kommt zwei Jahr zu spät. Das habe ich schon damals gesagt. Und jeder, der es nicht glaubt, soll jemanden aus meinem Umfeld fragen, was ich damals im Jahr 2004 gesagt habe. Ich habe bereits im Jahr 2004 gesagt, dass man die A8 abschaffen soll, und zwar gleich für 2005. Ich habe gesagt: 'Die A8 muss weg!' Was ist passiert? Man hat mich ausgelacht. Was soll ich noch dazu sagen?
Auch international tut sich einiges in punkto Veränderungen. Die WM wurde nun doch nicht um ein Halbjahr verschoben. Was sagst du prinzipiell zu dem Lösungsansatz, die Rallyes vermehrt in den Winter zu verschieben?
Dass man im Winter mehr fährt, diese Idee finde ich prinzipiell gut - weltweit betrachtet wäre es besser, die Saison im August zu starten und im Juni zu beenden. Für uns, für den Rallye-Sport beziehungsweise die Sportbetreibenden hier in Österreich, wäre das schlecht.
Warum?
In Österreich ist im Sommer nichts los, da wird über den Rallye-Sport berichtet. Aber im Winter brauchst du nicht zu einer Zeitung zu gehen oder zu anderen Medien - denn im Winter gibt es nur den Skisport, da gibt es sonst nichts anderes. Im Sommer gibt es sonst keine Sportarten, die wirklich brauchbare Erfolge liefern. Auch die Formel 1 trifft uns nicht - solange die österreichischen Formel 1-Fahrer keine Erfolge haben. So gesehen ist es also für uns Österreicher schlechter, wenn die Rallye-WM in den Winter verlagert wird.
Die Verschiebung wäre ja auch deshalb nur schwer möglich gewesen, weil viele Veranstalter einfach nicht von ihrem Termin abrücken wollten.
Ja, genau da liegt das Problem. Da habe ich mich immer gefragt: Wie wollen sie das nur lösen? Wie soll das funktionieren?
Jetzt gibt es endlich einen Kalender - ohne den hat man bislang ja wenig tun können in punkto Zukunftsplanung?
Was die Zukunftspläne betrifft: Pläne hätte ich genug - nur: Bislang haben tatsächlich alle auf den 5. Juli gewartet. Damit wir überhaupt einmal wissen, welchen Kalender es künftig geben wird. Denn da wusste man ja noch nicht: Haben wir jetzt eine halbe oder eineinhalb Saisonen? Beginnen wir im Sommer oder wie immer im Winter? Du konntest bis jetzt überhaupt nichts machen - wenn du verhandeln wolltest, sagte jeder nur: Was sollen wir verhandeln? Wir wissen ja noch überhaupt nichts. Erst mit dem heutigen Tag geht es los - jetzt beginnen die Verhandlungen.