
Rallye-WM: Hintergrund | 08.03.2008
Zerstört Latvala die Karriere von Hirvonen?
Jari Matti Latvala ist für viele bereits der wahre Grönholm-Nachfolger, während Mikko Hirvonen von manchen als "ewige Nr.2" abgeschrieben wird.
Michael Noir Trawniczek
Beim Saisonauftakt in Monte Carlo erlebte der frischgebackene Ford-Werkspilot Jari Matti Latvala so etwas wie eine kalte Dusche - er war einer der ersten, die wegen des Mousse-Verbots Hand anlegen und Reifen wechseln mussten. Dabei verlor er mehr als drei Minuten. Dazu gesellte sich eine große Portion Selbstkritik - zerknirscht gab Latvala zu Protokoll: "Ich muss noch sehr an meinem Fahrstil arbeiten." Damals hat er wohl nicht einmal im Traum erwartet, dass er schon bei der nächsten Rallye Motorsportgeschichte schreiben wird.
In Schweden trug sich der 22-jährige Latvala dann als jüngster Sieger der Rallye-Weltmeisterschaft in die Geschichtsbücher ein. Der eigentliche Nr. 1-Pilot bei Ford, Mikko Hirvonen, erklärte: "Jari Matti hat schon am Freitag klargemacht, dass er der Mann der Rallye ist." So hat sich Hirvonen mit dem zweiten Platz abgefunden und sich mit der Führung in der Weltmeisterschaft getröstet.
Diese Führung konnte er auch nach der Mexiko-Rallye behalten - doch auch dort stand Hirvonen im Schatten des Jari Matti Latvala, der am Freitag sogar Weltmeister Sébstien Loeb bezwingen und die Führung übernehmen konnte. Wegen eines Problems am Turboschlauch wurde Latvala zurückgeworfen, konnte aber als Dritter abermals einen Podestplatz erringen. Wichtiger aber war: Latvala konnte die Rallyewelt offensichtlich restlos von seinem Talent überzeugen. Nicht wenige zählen ihn nun als den wahren Nachfolger von Marcus Grönholm.
Rosen von Loeb & Grönholm
Sébastien Loeb sprach nach der Mexiko-Rallye von einem "neuen jungen Finnen", der nun also als Nachfolger seines Dauergegners Marcus Grönholm zu bezwingen sei. Und er meinte damit nicht Hirvonen, sondern Latvala. "Jari Matti ist jedes Mal schneller, als wir erwartet hatten - er ist ein neues Problem und ich muss wohl härter kämpfen", streute Loeb dem 22-jährigen weitere Rosen.
Grönholm selbst hat schon vor dem Saisonbeginn erklärt, dass er Hirvonen nicht zutrauen würde, gegen Loeb um die WM kämpfen zu können. Nach der Mexiko-Rallye erklärte der "Rallye-Pensionist" gegenüber Journalisten: "Ich bin schon überrascht von Jari Mattis Vorstellung. Wir alle wussten, dass er schnell ist - aber ich hätte nicht gedacht, dass er es so schnell ganz nach oben schafft. Ich denke, da wird Mikko Hirvonen wohl ein Problem bekommen."
Hirvonen: "Muss den Speed finden..."
Hirvonen gab sich nach der Mexiko-Rallye selbstkritisch: "Ich muss den Speed finden, um gegen Sébastien und Jari Matti kämpfen zu können - wenn mir das nicht gelingt, kann ich mich von der Weltmeisterschaft verabschieden." Diese Aussage wurde dann auch prompt von den Medien falsch interpretiert - hätte Hirvonen statt "Weltmeisterschaft" das Wort "WM-Titel" verwendet, hätte man ihm keine Rücktrittsgedanken unterjubeln können.
"Loeb hat Mikko nicht mehr auf seiner Rechnung..." Armin Schwarz
Der frühere deutsche WM-Pilot Armin Schwarz erzählte gegenüber Motorsport Total: "Sébastien hat zu mir gesagt: 'Ich glaube, es kommt da ein neuer Marcus Grönholm!'. Man sieht schon, dass er Mikko Hirvonen gar nicht erwähnt. Er erwähnt nur Marcus oder eben jetzt Latvala. Hirvonen hat er gar nicht mit auf der Rechnung. Es ist schon irgendwo bezeichnend, wie er seine Gegner ausmacht, also wo er Gegner hat und wo er keine hat. Und Latvala ist anscheinend momentan der Einzige, den er als Gegner ausmacht."
Schwarz: "Hirvonen zu brav"
Laut Schwarz liegt das Problem des Mikko Hirvonen in dessen Persönlichkeit: "Ich glaube, dass Mikko ein sehr, sehr braver Fahrer ist. Mikko ist auch vom Typ her ein ganz netter und anständiger Kerl und sehr zurückhaltend. Er hat sich jahrelang, seitdem er fährt, unterordnen müssen. Egal ob das mit Tommi Mäkinen bei Subaru war oder dann bei Ford mit Marcus Grönholm. Mikko war immer die gesetzte Nummer zwei. Und genauso fährt er heute noch Auto. Er umgeht jedes Risiko und schaut, dass er Punkte sammelt." Doch das Punktehamstern allein würde nicht ausreichen, um einen Sébastien Loeb bezwingen zu können, ist Schwarz überzeugt.
Latvala denkt noch nicht an den Titel
Latvala selbst versicherte, dass er "noch nicht an den WM-Titel denken" würde: "Nach Schweden habe ich darüber nachgedacht. Aber der Titel ist noch nicht mein Ziel. Ich werde besser, aber Weltmeister zu werden ist nicht das Wichtigste. Den Titel zu holen, wäre natürlich ein ganz großer Bonus. Aber dafür ist es wahrscheinlich noch etwas zu früh. Ich muss auf Asphalt besser werden. Schauen wir einfach mal, wie viele Schritte nach vorn ich in diesem Jahr machen kann." Bescheiden meinte Latvala auch: "Ich mach noch einige Fehler, ich muss noch mehr an mir arbeiten, um näher an Loeb heranzukommen."
Eines scheint klar zu sein: Bei den kommenden Rallyes ist es Mikko Hirvonen, der zulegen und Latvala in die Schranken weisen muss - sonst droht ihm tatsächlich und endgültig der Status des ewigen Nr.2-Piloten. Im Grunde ist es für den 27-jährigen derzeit wichtiger, gegenüber Latvala zu bestehen, als Loeb zu besiegen. Für Hirvonen geht es um sein Standing innerhalb des Ford-Werksteams und um seine weitere Karriere. Allerdings konnte Hirvonen schon einmal in letzter Minute das Ruder herumreißen, als er Ende 2004 von Subaru nicht mehr verpflichtet wurde und sich mit guten Leistungen in einem zwei Jahre alten Ford Focus für sein heutiges Werkscockpit empfehlen konnte. Man sollte also Mikko Hirvonen noch nicht abschreiben. Interessant wird der Machtkampf der beiden Ford-Piloten allemal...