
Rallye: News | 14.12.2010
„Eine wahr gewordene Vision“
Gerwald Grössing spricht über den Gewinn des Innovationspokals, die Vorteile von Bioethanol und kritisiert, dass CNG 2011 1mm mehr Luftdurchlass erhält.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: Landwirtschaftskammer, Daniel Fessl
Im Rahmen einer gemeinsam von Landwirtschaftskammer und ÖAMTC abgehaltenen Pressekonferenz zum Thema Bioethanol wurde auch der von BRR entwickelte und mit Superethanol betriebene Mitsubishi Lancer Evo IX präsentiert, mit dem Gerwald Grössing heuer den Innovationspokal der OSK für umweltschonende Kraftstoffe gewinnen konnte. Grössing setzte sich also auch gegen Manfred Stohl im Erdgas-Auto durch.
Im exklusiven Interview mit motorline.cc erklärt der Großgrundbesitzer und Forstwirt auch, warum er Bioethanol im Vergleich zum Erdgas für den wahren Alternativkraftstoff hält und warum er nicht einsieht, dass die OSK dem Erdgasauto im kommenden Jahr einen Millimeter mehr Luftdurchlass gewährt.
Gerwald, gratuliere zum Gewinn des Innovationspokals für Alternativkraftstoffe der OSK. Das ist demnach der Höhepunkt eines 2008 gestarteten Projekts, nicht wahr?
Ja, das ist richtig. Wir haben 2008 damit begonnen, dieses Auto zu entwickeln. Wir hatten anfängliche Probleme, die wir aber relativ rasch aussortieren konnten. Wir haben dann das Projekt kontinuierlich weiter entwickelt, was darin gegipfelt hat, dass wir 2010 den Innovationspokal der OSK gewonnen haben.
Es sind anfangs auch Motoren zu Schaden gekommen – wie teuer war die Entwicklung eures Bioethanol-Projekts?
Die Entwicklung war dahingehend relativ kostenintensiv, dass man den Motor samt Kabelbaum auf den Prüfstand stellen musste, um die verschiedenen Mappings herauszufiltern. Dabei verschleißt der Motor natürlich extrem. Konkrete Zahlen kann ich nicht nennen, aber die Entwicklung des Projekts war anfangs schon sehr kostenintensiv.
Dein Gegner im Kampf um den Innovationspokal ist Manfred Stohl mit dem von der OMV unterstützten Erdgas-Auto. Heuer wollte man mit einem mit CNG betriebenen Super 2000-Peugeot antreten, wobei es aber mit dem Saugermotor Probleme gab und man wieder auf einen herkömmlichen Turbo zurückwechselte. Hast du heuer gewonnen, weil es bei Stohl Racing Probleme gab oder weil euer Bioethanol-Projekt so stark war?
Wir waren zum einen fahrerisch sehr konstant – das muss man einmal ganz klar dazusagen. Wir haben von Beginn an eine solide und gute Leistung geboten, wir haben uns im Frühjahr schon ein gutes Polster für den Herbst heraus gefahren. Der Manfred Stohl hat fahrerisch unbestritten seine Qualitäten, ansonsten wäre er auch nicht Gruppe N-Weltpokalsieger geworden. Das ist auch anzuerkennen. Nur zählt das Gesamtpaket. Der Fahrer ist nur so gut wie sein Gesamtpaket. Und da waren wir heuer eindeutig die Besseren.
Prinzipiell: Meinst du, dass Bioethanol besser ist als CNG?
Davon bin ich natürlich überzeugt. Und zwar deshalb, weil wir es besser weiterentwickelt haben. Wir haben ein gutes Auto gebaut. Und weil das Bioethanol-Auto in Kombination mit Gerwald Grössing besser war als das Erdgas-Auto mit Manfred Stohl. Und den Stohl zu schlagen, in welcher Kombination auch immer, ist nie leicht.
Für deinen Treibstoff wird Getreide angebaut, hier in Österreich, oder?
Ja. Das Getreide wird zudem auf jenen Flächen angebaut, die bis vor wenigen Jahren brach lagen. Aufgrund der weltweiten Überproduktion hat die EU den Bauern sehr viel Geld dafür gezahlt, dass sie ihre Anbauflächen teilweise brach liegen lassen.
Und auf diesen Flächen wird jetzt Weizen für Bioethanol angebaut. Wir nehmen also weder irgendeinem Dritte Welt-Staat etwas zum Essen weg, noch greifen wir sonst in irgendeiner Form ins Getriebe ein.
Das ist unsere ökologische Botschaft: Wir nutzen jene Flächen, welche bisher ungenutzt waren – wir bauen dort eine spezielle Weizensorte an, welche relativ minderwertig ist, also nicht Brotweizen. Trotzdem kommt ein Nebenprodukt sehr wohl der Tierfutterindustrie zugute.
Du zweifelst zugleich auch an, dass CNG ein alternativer Kraftstoff ist?
CNG kann kein alternativer Kraftstoff sein. Weil es ein fossiler Brennstoff ist. Ein Alternativkraftstoff muss aus erneuerbarer Energie gewonnen werden. Das heißt: Es muss nachwachsend sein.
Ob das ein Ethanol der ersten Generation ist, wie wir es heute verwenden. Oder in fünf bis sieben Jahren das Ethanol der zweiten Generation, wo wir dann auch aus Holzrinde Treibstoff erzeugen können – da wird man sehen, wie sich die Geschichte entwickelt.
Aber das ist jedenfalls die klassisch erneuerbare Energie, wir haben einen echten Alternativkraftstoff. Dass CNG als Alternativkraftstoff verkauft wird, ist natürlich absoluter Blödsinn.
Jetzt haben wir darüber gesprochen, was quasi vorne reinkommt – wenn wir jetzt darüber sprechen, was hinten raus kommt, wie siehst du da den Vergleich zwischen CNG und Bioethanol?
Bioethanol hat de facto keinen CO2-Ausstoß. Die CO2-Menge ist derart gering, dass sie nicht mehr im messbaren Bereich liegt.
CNG ist wohl ein schadstoffarmer Treibstoff, jedoch als Alternativkraftstoff mit Ethanol überhaupt nicht vergleichbar.
Jetzt gibt es im nächsten Jahr Neuerungen im Reglement…
Die sehen so aus, dass das Bioethanol zu den handelsüblichen Kraftstoffen gezählt, jedoch weiter am Innovationspokal der OSK teilnehmen wird. Aber mit dem Unterschied, dass die Gasautos beziehungsweise das Gasauto, denn es gibt ja nur eines, vom Restriktor her mit einem Millimeter mehr Luftdurchlass fahren darf.
Und damit bist du nicht einverstanden, oder?
Ich sehe es so: BRR hat ein Ethanolauto auf die Füße gestellt, das funktioniert. Und zwar im Rahmen der vom Reglement vorgegebenen technischen Möglichkeiten. Obwohl auch wir anfangs Probleme hatten und beispielsweise bei niedrigen Außentemperaturen nicht wussten, wie man das Auto starten kann. Wir hatten also auch Probleme, haben diese aber sukzessive und konsequent aussortiert.
Auf der anderen Seite hab ich ein Gasauto, das vom Potential her sicherlich mehr leisten könnte, als gezeigt wird. Bei dem jedoch offensichtlich der Entwicklungsstand nicht mehr vorangetrieben werden kann. Warum auch immer. Ich sage das vollkommen wertfrei. Gas ist offenbar am Ende der Entwicklungsfähigkeit. Ethanol dagegen ist extrem ausbaufähig.
Wenngleich wir diese Vorteile, wie sie uns mitunter nachgesagt werden, auch nicht haben. Das heißt: Wir sind in unserer Entwicklung so weit, dass wir eine Alternative zu Benzin darstellen, wir sind aber nicht besser als Benzin. Aber unser Auto funktioniert – und zwar im Rahmen des Regelwerks.
Das Gasauto braucht offensichtlich einen Millimeter mehr Luft, denn sonst ist es überhaupt nicht konkurrenzfähig. Bitte: Welche Entwicklung soll das sein? Ich gebe dem Gasauto mehr Luftdurchlass, um die Chancengleichheit zu erhöhen – nur weil der Rennstall nicht in der Lage ist, die Probleme mit dem Gas auszusortieren. Wo ist da die Logik des Motorsports?
Jeder Rennstall entwickelt sein Produkt – so gut wie möglich. Und wenn mein Produkt nicht gut ist, muss ich es einstellen. Dann hat es nicht funktioniert. Dass die OSK jetzt einen Millimeter mehr Luftdurchlass gibt, ist natürlich ein Ansatz, weil sie sagen: Wir wollen, dass die Entwicklung in diese Richtung weitergeht. Das kann ich auch nachvollziehen und akzeptiere das auch.
Nur: Letztendlich aber ist das nicht der richtige Weg. Auch in der freien Wirtschaft ist es doch so: Wer schwach ist, wer nicht funktioniert, wird aussortiert!
Etwas künstlich am Leben zu erhalten ist aus der Sicht des freien Wettbewerbs einfach falsch, zumindest zu einem großen Teil. Es hat natürlich einen Hintergrund, das verstehe ich schon, warum man dieses Projekt weiter dabei haben möchte. ABER: Man muss ganz klar sagen, Leute, ihr müsst einfach besser entwickeln! Ihr müsst vielleicht auch mal mehr Geld in die Hand nehmen und ihr müsst mehr tun, eben innovativer sein. Man darf technisch nie auf der Stelle treten. Wo ist hier eine Entwicklung geschehen? Was haben die über die letzten fünf Jahre gemacht? Ich weiß es nicht. Sie hatten am Anfang Probleme und sie haben heute dieselben Probleme – da hat sich nichts geändert!
Das ist für mich ein Stillstand. Und daran ändert 1 mm mehr Luftdurchlass im Restriktor auch nichts.
Du musst es aber trotzdem akzeptieren. Traust du dir auch mit einem Millimeter weniger Luftdurchlass 2011 den Kampf gegen das CNG-Auto zu?
Selbstverständlich traue ich mir den Kampf zu – sonst würde ich nicht fahren. Wir haben ein extrem gutes technisches Paket, wir sind nach wie vor extrem dahinter, es weiter zu entwickeln. Interessant ist, von der Innovation her, dass wir im Vergleich zum aktuellen Bioethanol-Auto bereits so weit sind, dass wir unseren Motor bereits mit E100 betreiben können, wohl mit gewissen Einschränkungen, da gibt es schon noch ein paar Dinge auszusortieren, aber dem Grunde nach läuft das Ding. Wir entwickeln also das Auto weiter, ich persönlich entwickle mich fahrerisch ebenfalls weiter.
Ich sage es einmal so: Auch mit einem Millimeter mehr Luftdurchlass wird sich Stohl im nächsten Jahr strecken müssen, er wird mich nicht so einfach biegen können. Wenngleich ich eines immer wieder betonen muss: Manfred Stohl fährt einfach saugut Auto. Er ist fahrerisch immer noch eine Instanz, obwohl er vom Alter her mittlerweile auch schon ein Auslaufmodell ist. Das muss man auch mal ganz ehrlich sagen. Aber er ist nach wie vor ein extrem schneller Mann, den ich als Fahrer voll respektiere.
Du wurdest auf dieser Pressekonferenz der Landwirtschaftskammer präsentiert - wie weit wirst du von der Landwirtschaftskammer oder von landwirtschaftlichen Firmen unterstützt?
Es ist so, dass die Ethanolproduktion in diesem Land gesehen hat, wie weit man dieses Produkt heranziehen kann, um sportliche Leistungen zu vollbringen. Aus diesem Grund erhalten wir auch eine entsprechende Unterstützung seitens der Industrie.
Das heißt: Was bei Manfred Stohl die OMV ist, ist bei dir die Agrana?
Es gibt eine Zusammenarbeit und diese ist auch ausbaufähig. Schauen wir mal, was daraus wird…
Zusammengefasst: Was ist die Botschaft eures Bioethanol-Projekts?
Unser Projekt ist eine wahr gewordene Vision, eine zur Verfügung stehende, bereits existierende Technik so grün zu machen, dass wir bedenkenlos und ohne unsere Ressourcen auszubeuten und auch ohne befürchten zu müssen, dass wir für die Nachwelt etwas kaputt machen unseren Hochleistungsmotorsport auf extrem gutem Niveau präsentieren können.
Es war immer für mich als Forstwirt, als Landwirt, als naturverbundener Familienvater mit drei Kindern so, dass ich darüber nachgedacht habe und ich ja auch von Berufs wegen mit dem Thema Umweltbewusstsein konfrontiert werde. Dass man eben auch schaut, dass alles möglichst umweltschonend stattfindet.
Diese Grätsche zusammenzubringen, dass ich mich dann trotzdem ins Rallyeauto setzen kann und dabei aber den gleichen Grundsätzen treu bleibe – das ist für mich eine tolle Umsetzung meiner Vision.
Das hat mich immer schon fasziniert. Und es ist uns gelungen. Das macht mich auch stolz. Und dass es dann gekrönt wird mit dem Innovationspokal, ist einfach ein Punkt, an dem wir angelangt sind, wo wir sagen können, dass wir etwas geschafft haben.