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ERC/ORM: Jännerrallye 2013

„Die Jännerrallye bringt der ORM nicht nur Licht, sondern auch Schatten“

W4-Veranstalter Helmut Schöpf begrüßt das internationale Rampenlicht über Freistadt, zeigt sich aber auch besorgt hinsichtlich eines Schattens über der ORM…

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Matthias Österreicher, Daniel Fessl/www.motorline.cc, Sportpressedienst, Photo4

Helmut Schöpf ist derzeit, streng genommen, eigentlich „nur“ der Veranstalter der Waldviertel-Rallye, neben der Jännerrallye Österreichs zweite Veranstaltung mit einem FIA-Prädikat (European Rally Cup) – doch bis vor einiger Zeit war er auch so etwas wie das „Gehirn“ der IG Rallye, der Interessensgemeinschaft der heimischen Rallye-Veranstalter. Schöpf wollte die Rallye-ÖM respektive die ORM, wie sie seit 2013 offiziell heißt, medial stärken. Er schrieb Konzepte, wollte die heimischen Importeure stärker involvieren, installierte die “new generation“ - weil er wohl auch spürt, dass die Meisterschaft und ihr Auftritt modernisiert werden sollten…

Wie alle Modernisierer wird Schöpf mitunter belächelt - weil er beispielsweise in Internetforen das Feedback der Fans sucht und sich dort auch oftmals kritischen Stimmen zu stellen hat. Wie alle Erneuerer muss sich auch Helmut Schöpf mit dem alltäglichen Gegenwind auseinandersetzen, der unabhängig von den involvierten Personen quasi ganz von selbst entsteht, weil Erneuerung immer auch Veränderung und damit das Aufgeben gewisser Positionen beinhaltet. Zwar sind die Veranstalterklubs der Waldviertel-Rallye, der ÖAMTC-ZV Baden sowie der MSRR Neulengbach weiterhin Mitglieder der IG Rallye, sein persönliches Engagement im Interesse einer einheitlichen Linie der heimischen Rallye-Veranstalter jedoch hat Schöpf in letzter Zeit reduziert – vielleicht auch deshalb, weil gerade in schwierigen Zeiten jeder seine eigene Richtung verfolgt, um nicht unterzugehen…

Freistadt im Rampenlicht

Die Jännerrallye als ERC-Auftakt bringt dem heimischen Rallyesport am Beginn des Jahres die volle Aufmerksamkeit der internationalen Rallyewelt. Die Veranstaltung in Freistadt richtet den internationalen Fokus nach Oberösterreich und wird im Jänner nur noch von der weltberühmten Rallye Monte Carlo überstrahlt. Ferdinand Staber, der OK-Chef der Jännerrallye und Vorstand des Veranstalters Rallye Club Mühlviertel genießt ein internationales Ansehen, das seinesgleichen sucht - im Rahmen eines Eurosport-Dinners in Sanremo konnte sich motorline.cc persönlich davon überzeugen: Einzig die Nennung des Landes Österreich hatte zur Folge, dass Eurosport-Mitarbeiter von den Managerqualitäten des Ferdinand Staber und von den „wunderschönen Sonderprüfungen im Mühlviertel“ zu schwärmen begannen…

Die Jännerrallye richtet den Fokus der internationalen Medienwelt auf Freistadt - umgekehrt wird der Fokus der heimischen Medienwelt auf das internationale Starterfeld der Jännerrallye gerichtet…

Jedes Licht erzeugt auch Schatten

Dabei jedoch kann mitunter das eine oder andere Licht der heimischen Rallyewelt quasi in den internationalen Schatten gestellt werden (siehe „Tohuwabohu um Simon Wagner“ in der Navigation rechts oben) – die internationale Jännerrallye bringt der heimischen Rallye-Meisterschaft also einerseits viel „Licht“, aber auch viel „Schatten“. So zumindest empfinden es kritische Beobachter, einer von ihnen ist Helmut Schöpf. Er wandte sich an motorline.cc, weil er hinsichtlich der ORM besorgt sei, versicherte er. Es sei „natürlich eine herausragende Ehre für den österreichischen Rallyesport, die neue Rallye-Europameisterschaft mit Eurosport als Promotor eröffnen zu können“, zugleich jedoch seien „die Rahmenbedingungen und auch die Folgeerscheinungen für den Rallyesport in Österreich teilweise gut, aber leider auch teilweise schlecht“, befürchtet Schöpf…

Wenn sich der Veranstalter der zweitgrößten Rallye besorgt um die Rahmenbedingungen rund um die größte heimische Rallye zeigt, bringt er sich natürlich in die Gefahr, als „Neider“ oder gar als „Ans-Bein-Pinkler“ verstanden und dargestellt zu werden – weshalb Schöpf auch etwas Zeit verstreichen ließ, um seine kritischen Worte auch mit Fakten belegen zu können. Weshalb auch motorline.cc ein zuerst mündlich geführtes Interview zurückstellte und die Form einer schriftlichen Stellungnahme vorschlug, um Schöpf die Möglichkeit einzuräumen, wirklich jedes Wort seiner Kritik wohl überlegen zu können…

Zugleich hat sich Helmut Schöpf in der Vergangenheit schon oft als einer gezeigt, dem nicht nur das eigene Süppchen, sondern auch das Wohl der gesamten Meisterschaft am Herzen liegt. Die folgenden Kritikpunkte eines wesentlichen ÖM-Veranstalters sollen daher nicht als grundlegende Kritik an der Jännerrallye oder gar als Ablehnung der Jännerrallye verstanden werden - vielmehr sollen Aspekte beleuchtet werden, die für den heimischen Rallyesport von Bedeutung sind. Zumal auch die Waldviertel-Rallye ein FIA-Prädikat aufweist (European Rally Cup) und sich Schöpf besorgt zeigte, dass auch seine Veranstaltung unter einem „internationalen Schatten“ leiden, sprich von den heimischen Startern gemieden werden könnte…

Der Fokus hat seinen Preis

Helmut Schöpf schreibt: „Dass ein Veranstalter in Österreich geradezu gezwungen wird, internationale Prädikate anzustreben, ist leider Tatsache. Die ORM alleine ist schwierig bis gar nicht vermarktbar, das sieht man auch am Sponsorenverhalten. Während bei der ORM eigentlich alle namhaften Sponsoren der letzten Jahre verschwunden sind, schaffen es nur die internationalen Bewerbe, neue Sponsoren zu motivieren. Das sagt leider einiges aus.“

Schöpf fügt hinzu: „Die kolportierten Summen der bei der Jännerrallye anfallenden Medienkosten liegen bei 450.000 Euro. Ob das so stimmt, wage ich zu bezweifeln - aber wenn es auch nur die Hälfte sein sollte, hoffe ich nur, dass die Kooperation mit den Unterstützern dieser Sache auch weiterhin Zukunft hat, da es sonst sicherlich unfinanzierbar wird.“

Der Fokus der internationalen Medienwelt hat also auch seinen Preis – national jedoch gibt es laut Schöpf aber auch „Schattenseiten“ zu beklagen. Der W4-Veranstalter bezieht sich auf einen Artikel in der oberösterreichischen Ausgabe der Kronen Zeitung, in dem zum einen die 120.000 Zuschauer hinterfragt werden („Trotz des Sauwetters sollen auch heuer wieder (offiziell) 120.000 PS-Fans entlang der 18 Sonderprüfungen gestanden sein“ und „Fraglich nur, wie viele Zuschauer es tatsächlich gewesen sind“), zum anderen werden in dem Artikel auch umgekippte Strommasten und Flurschäden als „Nachwehen“ beklagt, zudem heißt es dort: „Dank der Hilfe des Landes Oberösterreich konnte man den sechsstelligen Betrag bezahlen, dank dem die ‚Jänner‘ zum zweiten Mal den EM-Status erhielt. Im Gegenzug stellt Rallye-EM-Promotor Eurosport bei der Ski-WM in Schladming 30-sekündige Werbe-Einschaltzeiten zur Verfügung, die ‚Jänner‘-OK-Chef Staber an die Voest verkauft hat: ‚Eine wichtige Einnahmequelle für uns…‘“

“Hätte viel mehr Fingerspitzengefühl erhofft“

Schöpf dazu: „In dem Artikel war einiges zwischen den Zeilen zu lesen, bei diesem Artikel hat man das Gefühl, die Euphorie im Land scheint doch nicht mehr so herausragend zu sein - vielleicht auch, weil sich die Beteiligung der Lokalhelden in Grenzen gehalten hat und die mediale Vernachlässigung dieser ja auch mehr als deutlich transportiert wurde.“ Tatsächlich wurden die Starter des nationalen Feldes in den offiziellen Presseaussendungen der Jännerrallye mit keinem Wort erwähnt - man habe den Fokus auf das internationale Starterfeld gelegt, schließlich habe es gegolten, einen ERC-Lauf zu vermarkten – begründete der zuständige Sportpressedienst.

Helmut Schöpf dazu: „Freunde schafft man sich damit sicherlich nicht. Für den Rallye Club Mühlviertel ist es natürlich vorrangig wichtig, die ERC zu promoten - ich hätte mir dabei aber viel mehr Fingerspitzengefühl erhofft.“

"Mehr für die FIA als mit der FIA"

Ein weiterer Kritikpunkt des Helmut Schöpf ist die Anpassung an das Reglement der Internationalen Sporthoheit FIA – auch hier hätte man laut Schöpf sensibler im Interesse der heimischen Starter vorgehen können. Schöpf schreibt: „Man kann als Veranstalter mit oder für die FIA leben, bei der Jännerrallye scheint das in ausgeprägter Form für die FIA stattzufinden.“

Schöpf begründet: „Unzählige Vorschriften und auch unzählige Strafen, die beweisbar auch ungerechtfertigt ausgesprochen wurden, machen es den ORM-Teams dann auch nicht einfacher und auch nicht wirklich schmackhaft, bei einem FIA Lauf im eigenem Land antreten zu wollen. Gerade bei der Jänner hat man seit 2011 das Gefühl, dass die ORM nur als Starterlieferant dient und eher als Klotz am Bein angesehen wird.“

Schöpf fügt hinzu: „Medial wird das nationale Feld totgeschwiegen, die neue FIA-Vorschrift der Listentrennung verstärkt zudem diesen Effekt. Mir persönlich missfällt dieser Umgang mit den österreichischen Teilnehmern, da er sich auch auf die Einstellung zu einem FIA Bewerb negativ auswirken kann und auch wird. Ich muss aber damit leben und kann nur versuchen, es bei meiner Veranstaltung deutlich besser zu machen.“

Auch was das Reglement anbelangt, würden sich Nachteile für heimische Teilnehmer ergeben, kritisiert Helmut Schöpf. Er geht ins Detail: „Ein weiterer Kritikpunkt ist beispielsweise die Umsetzung der Rally2- respektive Superally-Bestimmungen, die in Österreich unterschiedlich zur FIA gehandhabt werden. Bei der FIA fliegt man aus der Gesamtliste, kann dafür aber Tagespunkte holen. In der ORM-Ausschreibung ist definiert, dass mit Strafzeiten weitergefahren werden kann und dass man im Endergebnis aufscheint und auch Punkte in der ORM erhält. Bei den letzten FIA-Bewerben wurde diese für die ORM-Fahrer wichtige Möglichkeit zugunsten des FIA-Regulativs gekillt, gerade hier brauchen wir aber eine faire Lösung für die ORM-Teilnehmer.“

Starterschwund & Sponsorenabgänge

Besorgt zeigt sich Helmut Schöpf auch über die Anzahl der heimischen Starter bei der Jännerrallye: „Wenn man den Stand von der Jännerrallye 2013 nimmt, wo erstmals mehr tschechische Teilnehmer als Österreicher im FIA/ÖM-Feld gefahren sind, können wir voraussichtlich in der ORM nur mehr auf starke Gruppe H-Felder hoffen.“ Zugleich fürchtet Schöpf: „Das Gruppe H-Feld für einen FIA-Bewerb zu motivieren, wird dann wieder extrem schwierig werden.“

Das Ende des Gasprojekts von Manfred Stohl sei ein weiteres Beispiel dafür, dass nationale Projekte mitunter auch stark unter dem Schatten des internationalen Scheinwerferlichts leiden würden, findet Schöpf. Bekanntlich musste Stohl sowohl bei der Jännerrallye als auch bei der Waldviertel-Rallye im nationalen Feld hinter dem internationalen Feld herfahren – so musste Stohl seinem Sponsor erklären, warum er im hinteren Teil des Gesamtfeldes starten musste und warum er beispielsweise trotz einer tadellosen sportlichen Leistung vom Gesamt-Podium verbannt wurde…

Helmut Schöpf schreibt dazu: „Unterschwellig hat Manfred ja angedeutet, dass die FIA-Startordnung sein Projekt zu Fall gebracht habe – nur deshalb wird es wohl nicht passiert sein, aber mitgespielt kann das schon haben.“

Den Schwund an heimischen Startern bei der Jännerrallye (2011 fuhren 48 Österreicher im nationalen Feld, 2012 waren es 38, heuer nur noch 25) erklärt sich Helmut Schöpf folgendermaßen: „Die Jännerrallye war schon immer polarisierend - von vielen geliebt, von anderen gehasst. Die negativen Meinungen stehen dabei immer im Zusammenhang mit dem Termin und vor allem mit den Kosten dieser Veranstaltung. Es gibt viele Teams, die aber auch nur (oder nur deshalb) die Jänner fahren. Am Anfang der Saison 30 bis 50 Prozent des Jahresbudgets zu verpulvern, ist halt auch nicht jedermanns Sache. Dies dürfte auch einer der Hauptgründe sein, warum in der ORM-Wertung bei dieser Veranstaltung immer weniger Starter zu finden sind.“

“ORM geht in eines der schwierigsten Jahre“

Ganz allgemein befürchtet Helmut Schöpf, dass der heimischen Rallye-Meisterschaft eine Ausdünnung droht, wie es schon länger nicht mehr der Fall war: „Aus meiner Sicht geht es in der ORM 2013 in eines der schwierigsten Jahre. Der anfangs so hoch geschätzten 2WD werden die Helden untreu, sie sehen in der Ferne ihre Bestimmung. Aber gerade für diese Teams wird der finanzielle Rahmen den Erfolg begrenzen, der ORM werden sie jedenfalls fehlen.“

Schöpf spricht damit die ERC-Projekte von Hannes Danzinger, Hermann Neubauer und auch Michael Kogler sowie die mögliche Verlängerung des internationalen Projekts von Andi Aigner an. Die im Vorjahr spannende heimische 2WD-Meisterschaft könnte 2013 zu einem Alleingang des starken Michael Böhm werden – zwar gibt es Gerüchte über einen namhaften ehemaligen Rallye-Staatsmeister in einem R3-Boliden, doch offiziell bestätigt wurde dessen Engagement bislang nicht…

Helmut Schöpf befürchtet neben einem ausgedünnten 2WD-Starterfeld auch einen Schwund am hinteren Ende des ORM-Feldes – dies würden die Starterzahlen der Waldviertel-Rallye (bis 2009 lag man nur zweimal knapp unter der 100er-Marke, seither wurde 2012 mit 78 Startern das Maximum erreicht) untermauern, aber auch die Starterfelder der Lavanttal-Rallye (2010 waren es noch 132 Starter, 2011 starteten 114, im Vorjahr nur noch 109 Teams) würden das belegen, wenn man die Anzahl der slowenischen Meisterschaftsteilnehmer subtrahieren würde.

Helmut Schöpf stellte motorline.cc auch die umfangreiche Starter-Statisitik zur Verfügung, siehe folgender Link: [pdf, 49 KB]

Abwanderung in die ARC

Einer der Gründe für diesen Starterschwund ist laut Helmut Schöpf der hohe Kostenfaktor, welcher mit einem ORM-Start verbunden sei: „Der ORM wird leider auch immer mehr der Unterbau entzogen, da aus der Austrian Rallye Challenge (ARC) keine Fahrer in die ORM wechseln. Die sogenannte zweite Liga namens ARC ist schon lange keine zweite Liga mehr, sie ist vielmehr eine Alternative zur ORM geworden.“

Diese Worte aus der Feder eines ORM-Veranstalters stellen durchaus so etwas wie ein Alarmsignal dar – vielleicht sollte man die kritischen Worte des Helmut Schöpf zum Anlass nehmen, um darüber nachzudenken, wie man künftig beides unter einen Hut bekommen könnte: Das Licht der internationalen Rallyewelt und das (Über-)leben der heimischen Rallye-Staatsmeisterschaft…

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