ERC/ORM: Jännerrallye 2013 | 06.01.2013
Talentprobe von Simon Wagner
Der 19-jährige Mauthausener Simon Wagner und sein fast ebenso alter Mitsubishi Lancer Evo III knallten auf SP3 eine Gesamtbestzeit hin.
Was sich bei der Jubiläumsausgabe der Jänner-Rallye ereignet hatte, kann man – speziell aus der Sicht des Teams Race Rent Austria – nur mit einem Satz charakterisieren: Zu toll, um wahr zu sein. Simon Wagner hatte zugeschlagen, ausgerechnet bei diesem Kult-Event, mit dem die Rallye-Europameisterschaft 2013 eröffnet wurde.
Auf SP3 (St. Oswald) hatte seine große Stunde geschlagen: Mit einem Mitsubishi Lancer Evo III, der beinahe so alt ist wie er selbst, schaffte der erst 19-Jährige eine Gesamt-SP-Bestzeit.
Und das vor Stars wie Ex-Weltmeister Stig Blomqvist, Skoda-Werkspilot Jan Kopecky oder den Franzosen Francois Delecour und Bryan Bouffier, beide Gewinner der Rallye Monte Carlo. Und selbstverständlich auch vor der österreichischen Elite, wie Raimund Baumschlager oder Beppo Harrach. So etwas hat die Rallye-Welt schon lange nicht mehr gesehen.
Simon Wagner (2. v. l.) und sein Team
Die erste Prüfung begann mit Gesamt-Platz 23 noch relativ „normal“. Aber dann kam SP 2 (Liebenau), und dort ging’s los: Plötzlich klopften Simon Wagner und Michael Gallistl als Drittschnellste bei den ganz Großen an – inmitten einer Armada von Super-2000-Fahrzeugen.
Mit dieser Sensation gelang ihnen nebenbei der Sprung auf Platz 14 in der Zwischenwertung – natürlich wiederum gesamt. Hier hatte sich auch zum ersten Mal die Reifenwahl richtig bezahlt gemacht. Noch idealer waren die schmalen, vollbespikten Pirelli-Räder auf der SP 3 (St. Oswald) und der Umstand, dass diese Prüfung für alle Piloten vollkommen neu war.
Simon hat die Gabe, sich nach nur zweimaliger Besichtigung eine Strecke fast auswendig merken zu können. Und man ahnt, was nun kommt: Der bereits angesprochene SP-Sieg bei schlechter Sicht und Nebel, auf Schnee und Eis war fällig, über sechs Sekunden vor dem Zweitschnellsten. Das große Wunder der 30. Jänner-Rallye, ein unvergleichlicher Moment.
Damit waren Simon Wagner und Michael Gallistl bis auf den fünften Platz der Gesamtwertung vorgestoßen. So konnte es natürlich nicht weitergehen, ohne sich selbst und den Mitsubishi Lancer Evo III zu überfordern. Man begnügte sich in der Folge damit, Top-Zeiten in der Gruppe H zu fahren – immer noch eine hervorragende Leistung gegen diverse Mitsubishi Lancer Evo V oder VI.
Doch nach der sechsten Prüfung hatte sich Simon bei einer Zeitkontrolle in Freistadt vom Auto entfernt, um die Toilette aufzusuchen – unerlaubterweise, wie sich herausstellte. Zwei Stewards hatten das beobachtet, und flugs war er seine überlegene Gruppe H-Führung los: Drei Minuten Strafzeit
Damit nahm das Desaster seinen Lauf, denn so etwas kann das innere Gleichgewicht schon gewaltig stören. Der übersteigerte Ehrgeiz, die verlorene Zeit so gut als möglich wieder aufzuholen, verschärfte die Gangart, und schließlich war das Tempo dann doch eine Schuhnummer zu groß – auch für Wagner’sche Verhältnisse.
Auf der siebenten Prüfung war man extrem schnell unterwegs, ist dann auf den Vordermann aufgelaufen, musste überholen und berührte kurz vor dem Ziel mit dem Vorderrad einen Randstein, die Felge brach und auch der Reifen war sofort kaputt. Unlenkbar rammte der Mitsubishi mit der rechten Seite eine Hausmauer. Nach kurzer Schadensbesichtigung wechselten Wagner/Gallistl den vorderen Reifen und beendeten SP 7 mit 10 Minuten Zeitverlust.
Auf dem Weg zu SP 8 traten erneut Schwierigkeiten auf, diesmal an der Kühlung. Ein Folgeschaden der beschädigten Stoßstange. Vater Friedrich hatte zwar noch rechtzeitig Wasser zum Nachfüllen beschafft, doch dann wurde der Copilot von Übelkeit und Kreislauf-Schwierigkeiten befallen, das Aufgeben war unvermeidbar. Zumindest für die Freitags-Etappe.
Über Nacht hatten sich sowohl Michael Gallistl als auch der Mitsubishi Lancer Evo III auf wundersame Weise erholt, bei Race Rent Austria wurde eifrig am Gerät gearbeitet, und so konnte der Samstag unter der Anwendung der SupeRally-Regelung zu Reifen- und Fahrwerkstest genützt werden.
Die ganze Sache wurde jetzt ohne Druck angegangen, aber auf der letzten Prüfung – die besonders lange und schwierige Aisttal – wollte Simon es doch noch einmal wissen und fuhr wieder einmal eine Bestzeit in der Gruppe H und 20. Gesamtzeit in der ERC.
Dies war das Ende einer mehr als abenteuerlichen Jänner-Rallye, bei der die Höhen die Tiefen eindeutig überragten. Mit seinen Top-Zeiten auf den Prüfungen 2 und 3 mit absolut unterlegenem Fahrzeug hat Simon Wagner sein unglaubliches Talent bewiesen und hofft jetzt auf Unterstützung, denn jetzt hätte eine volle Rallye-Saison allererste Priorität.
Großen Respekt verdient neben Simon auch sein Beifahrer Michael Gallistl, der trotz schmerzhafter Prellungen hervorragend angesagt hat. Hervorgehoben werden muss auch der Einsatz des Teams von Race Rent Austria, welches nicht nur sehr zuverlässige Fahrzeuge zur Verfügung stellt, sondern auch zwischen den Etappen (genauer gesagt: bis nach Mitternacht) ein doch einigermaßen zerstörtes Auto wieder in Form gebracht hat.
Und auch wenn das Fahrzeug mit Fragezeichen „dekoriert“ war (wegen des derzeit noch akuten Sponsorenmangels), so sagen doch alle Beteiligten: Wir kommen wieder – keine Frage.