Hans Peter Voglhuber's Kolumne | 26.11.2001
Back to the roots! Formel1 pur!
Die Formel 1 gehört von unsinnigem Reglement-Ballast befreit, um endlich wieder ihrem Anspruch, die Königsklasse des Motorsports zu sein, gerecht zu werden.
Hans Peter Voglhuber
Wenn FIA Präsident Max Mosley sagt, dass der Rallyesport eine echte Konkurrenzserie zur Formel1 werden kann und soll, dass beim Rallyeracing noch wirkliche Autos und Fahrer am Werk sind und dass diese Form von Motorsport ein enormes Potential in sich birgt, dann hat er zweifellos recht. Der Umstand, dass Mosley FIA Präsident ist, lässt jedoch seine Aussagen in einem anderen Licht erscheinen. Besonders dann, wenn ich daran denke, was aus der Formel1 gemacht wurde.
Jetzt ist offenbar der Rallyesport dran. Schließlich sind die Rallye-Meisterschaften schon längst weltweit beliebte Events, welche das ganze Jahr über von Millionen Zuschauern an der Piste und im TV verfolgt werden. Der heutige Rallyesport ist von seiner Komplexität schon sehr nahe an der Formel1 dran und die Werksteams buttern inzwischen Geldbeträge in die Querfeldein-Formel, als gäbe es kein morgen. Die Rallye-Teams wissen, was sie wert sind, und das wollen sie in Zukunft auch haben. Somit ist zu befürchten, dass demnächst auch der Rallyesport den Zusehern und TV-Anstalten teuer zu stehen kommen wird.
Reglement-Chaos:
die F1 muss endlich wieder eine echte Rennformel werden
Womit wir wieder bei der Formel 1 sind. Seit Jahrzehnten wird am Reglement der Autos, an den Rennstrecken und an der allgemeinen Fahrordnung herumgedoktert. Da gibt es einmal mehr Rillen in den Reifen, dann wieder weniger, Bretter als Unterböden lassen eher auf Seifenkisten, denn auf Hightech-Formel1-Renner schließen, Siege werden per Lineal vereitelt, Schikanen werden an den unmöglichsten Stellen eingebaut und auch Bodenmarkierungen können ganz schön aufregen, wenn sie ein Fahrer verbotenerweise überfährt.
Keine Frage, Ordnung muss sein. Aber bitte nicht so. Als ein Grund wird gern die Sicherheit genannt, wo die ganze Formel1-Familie bisher Großartiges geleistet hat, was vom Formel1-Regelwerk leider nicht behauptet werden kann. Überhaupt hat es ganz den Anschein, dass eine klare, langfristige Reglementierung im Formel1-Business gar nicht gefragt ist.
Dabei wäre es höchste Zeit, dass die Formel 1 endlich wieder eine echte Rennformel wird. Es ist ja wirklich jenseits von gut und böse, wenn einerseits Heerscharen von Technikern in milliardenteuren Windkanälen und Produktionsstätten testen, rechnen und tüfteln, um optimale Wettbewerbsfahrzeuge auf die Räder zu stellen, während auf der anderen Seite hochbezahlte Bremser sich immer neue Schikanen und Verbote ausdenken, um damit die Hightech-Renner wieder zurückzustutzen.
Back to the roots:
nur mehr die wichtigsten Maße sollen vorgeschrieben werden
Wenn die Formel1 die Königsklasse des Automobilrennsports sein soll, muss den Rennställen technische Entfaltungs- und Gestaltungsfreiheit gewährt werden. Demnach sollten nur mehr die wichtigsten Maße und die Konstruktionsmerkmale des Motors vorgeschrieben werden. Das Mindestgewicht ergibt sich weitgehend allein schon durch die vorgeschriebenen Sicherheitskriterien. Das hieße in der Folge, dass die Bretter an den Fahrzeugböden und die Reglementierung der Bodenfreiheit genauso weggehören, wie etwa die Rillenreifen und anderer Unfug.
Sollten diese Edelrenner tatsächlich nicht mehr zu bändigen sein, dann kann ja noch immer der Hubraum verringert werden;- auf zweieinhalb, zwei oder gar eineinhalb Liter. Bevor man jedoch die Boliden motorseitig kastriert, müsste vorher die Sicherheit auf den Rennstrecken noch weiter erhöht werden. Dazu gehört auch, dass unsinnige Schikanen, wie etwa in Monza, zurückgebaut werden müssten. Spitzkehren sind ok, aber Schikanen haben im Formel1-Sport nichts zu suchen, schließlich handelt es sich um Autorennen und nicht um Geschicklichkeitswettbewerbe.
Nebeneffekt:
die kleineren Teams würden bei weitgehender Technikfreiigabe von der Bildfläche verschwinden
Bedenken, dass ein großzügigeres Regelwerk die Formel1 zu gefährlich machen könnte, kann ich so nicht teilen. Denn die Formel1 ist grundsätzlich lebensgefährlich. Die vielen, meist glimpflich verlaufenen Abflüge in den letzten Jahren haben das deutlich gezeigt. Dass es dabei nicht schon den einen oder anderen tödlichen Unfall gegeben hat, kann höchstens mit "Glück gehabt!" kommentiert werden.
Es bedarf daher schon einer gewissen Schizophrenie, um bei jedem Highspeed-Crash aus allen Wolken zu fallen, ganz so, als wüsste niemand, dass eine Bruchlandung jenseits von zweihundert Stundenkilometern zu gröberen Beschädigungen oder zur totalen Zerstörung von Mensch und Maschine führen kann. Da aber die heutigen Formel1-Boliden extrem crashfest sind, ist zu befürchten, dass einmal in einem relativ unbeschädigten Cockpit ein toter Rennfahrer sitzt, dessen Körper die beim Crash aufgetretenen Kräfte nicht mehr ausgehalten hat.
Die weitgehende Freigabe der Technik würde die kleineren, ärmeren Teams ohne Zweifel hart treffen. Andererseits stellt sich hier die berechtigte Frage, wie lange diese kleinen "Privat-Rennställe" in der derzeitigen internationalen Konzernmeisterschaft überhaupt noch mitstrampeln können, bzw. wann diese Teams von den Konzernen endgültig geschluckt werden.
Eine von unsinnigem Regelballast befreite Formel1 plus ein faireres WM-Punktesystem würde auf alle Fälle wieder mehr Spannung in künftige Formel1-Weltmeisterschaften bringen. Zudem würde ein klares, langfristig gültiges Regelwerk den Teams und den Reifenerzeugern ein zukunftsorientiertes Entwickeln ermöglichen und auch noch helfen, einiges an Kosten einzusparen.
Ihr Hans-Peter Voglhuber