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Der Anfang vom Ende?
Die Formel1 ist in ihrer bisher größten Krise

Sportliche und wirtschaftliche Pleiten in der Formel 1, wie lange wird (kann) es die Königsklasse in ihrer jetzigen Form noch geben?

Hans-Peter Voglhuber

Die Weltmeisterschaft 2002 ist sicherlich die bislang unsportlichste F1-Saison seit Bestehen dieser Rennformel. Der Umstand, dass das Prost-Team erst gar nicht aus dem Startloch kam, kann dabei noch als vernachlässigbares Ereignis angesehen werden. Denn was sich bis jetzt, 4 GP vor Ende der Weltmeisterschaft abspielte, spottet jeder Beschreibung und ist im Grunde genommen eine sportliche Bankrotterklärung.

Ein Beispiel ist das hinlänglich bekannte und heuer oft gespielte Reifen-Kabarett. Nach so vielen Jahren sind plötzlich weder Reifenhersteller, noch Rennställe fähig, zeitgerecht eine miteinander funktionierende F1-Einheit auf die Räder zu stellen. Einzig Ferrari hat vom Start weg einen Siegerwagen und der ist ein Vorjahresmodell. Das regt nicht nur ausgesprochene Anti-Ferraristi auf, sondern Motorsportfreunde an - nämlich zum Nachdenken.

Kuriositäten-Stadl:
Sündhaft teure Neukonstruktionen haben gegen den alten Ferrari keine Chance

Was bitte sind denn das für fantastische Entwicklungen von renommierten Rennställen, für die jedes Jahr angeblich Unsummen ausgegeben werden, wenn dann das Vorjahresmodell eines Teams reicht, um all diese "innovativen Neukonstruktionen" zu verblasen? Es scheint, als wären die jährlichen Präsentationsshows rund um die neuen F1-Boliden, die protzigen Motorhomes, die umfangreichen Luftflotten und die Traumgagen von Fahrern und Teammanagern das wirklich einzig Teuere an diesem F1-Kuriositätenstadel.

So gesehen verhielt es sich heuer mit der Formel1 wie mit den Aktien - beide wurden weit überbewertet und mit beiden wurde eine Unmenge Geld vernichtet! Einige Formel1-Zampanos haben sich dabei wieder eine goldene Nase verdient, der weitaus größere Teil der Teams kracht jedoch inzwischen wie eine frische Kaisersemmel und ein gar nicht so kleiner Rest der Renn-Teams ist froh, wenn noch rechtzeitig das Geld für den nahenden Konkurs zusammengekratzt werden kann.

Inzwischen ist die Formel1 auch für die ganz großen Sponsoren (zu) teuer geworden. Trotzdem wird im Formel1-Zirkus weiterhin von all der gesponserten Kohle am wenigsten im Feuer des Rennsports verbrannt. Die schlechte Weltwirtschaftslage - die Globalisierungsfalle ist längst zugeschnappt - tut ein Übriges, dass die Geldströme auch in der Formel1 künftig nicht mehr so üppig fließen werden, wie bisher.

Denn ganz wie in der übrigen Finanzwelt auch, müssen plötzlich immer mehr Teams zugeben, dass sie Schulden haben, die es nach kaufmännischen Kriterien eigentlich gar nicht geben dürfte. Aber in unserer großen, weiten DKT-Welt (DKT = Die Kaufmännischen Trottel) schien ja zumindest bisher - wie im Lotto - alles möglich.

Sport adé?
Fairness, Sportlichkeit und Rennsportphilosophie sucht man derzeit eher vergebens

Mindestens so schlimm wie die Bankrotterklärungen im wirtschaftlichen Bereich sind jene im sportlichen Bereich des Formel1-Zirkus. Zur Zeit scheinen die Verantwortlichen vollständig ihr Augenmaß für Fairness, Sportlichkeit und Rennsportphilosophie verloren zu haben. Es ist ihnen nachhaltig gelungen, den Sinn eines Autorennens grundsätzlich in Frage zu stellen.

Die in Österreich praktizierte Boxenstrategie von Ferrari führte den Begriff RENN-Sport ad absurdum und war ein Affront gegenüber jedem Rennsportfan. In Ungarn "gewann" nun Barrichello, wobei es sich Schumacher nicht verkneifen konnte, kurz vor Schluss noch eine fabelhafte Rundenbestzeit hinzuknallen und vor dem Ziel dicht zu seiner "Nummer Zwei" aufzurücken, um zu zeigen, wer der Chef in Wahrheit ist.

Womit wir wieder einmal beim Unfug der "Weltrekorde" und ewigen "Besten-Listen" wären. Diese sind nicht einmal das Papier wert, auf dem sie gedruckt werden, denn die Manipulationen, die in der F1 schon immer in verschiedenster Form stattgefunden haben, verfälschen viele Rennergebnisse und machen somit die diversen WM-Punktestände und WM-Besten-Listen bedeutungslos.

Es ist wirklich schwierig, bezüglich der heurigen F1-Saison positive Worte zu finden. Selbst das haushoch überlegene Ferrari-Team hat es geschafft, dass man eher negativ als positiv über die roten Renner aus Maranello schreibt. Die Teams von Jaguar, BAR und Toyota haben mit ihrem miserablen Kosten-Leistungsverhältnis das schlechte Image der Formel1 als reine Geldvernichtungsmaschine bestätigt. Viel Lärm und noch viel mehr Geld um Nichts, so lautet das Resümee diese drei Rennställe betreffend.

Dazu kommt ein stehend angezählter Eddie Jordan, welcher dank Ford wenigstens für 2003 wieder hoffen darf, ein unauffällig mitfahrendes Sauber-Team, die nach wie vor sympathische, aber hoffnungslos hinterherfahrende Minardi-Crew und ein Arrows-Team, das gleich nur mehr Trainingsrunden dreht, um in der Riege der „Im-Kreis-Fahrer“ bleiben zu dürfen.

Nachfolger gesucht:
Kommt mit dem Abgang von F1-Zampano Bernie Ecclestone auch der Untergang der Formel 1

Williams-BMW und McLaren-Mercedes, die beiden noch halbwegs ernstzunehmenden Widersacher von Ferrari lügen sich von Rennen zu Rennen in den eigenen Sack und schöpfen nach jedem Treppchenplatz aufs Neue Hoffnung, den roten Rennern endlich und auf Dauer ebenbürtig zu sein. Doch während Ferrari grundsätzlich als potentieller Sieganwärter angesehen werden muss, haben die beiden Konkurrenten lediglich einmal mehr und einmal weniger Siegchancen. Einzig bei Renault ist heuer ein Aufwärtstrend zu bemerken, wenngleich auch hier die Leistungen bisher noch sehr unterschiedlich waren.

Ein Ende der Formel1 könnte also schneller kommen, als sich das viele Leute vorstellen können. Man kann zu Ecclestone stehen wie man will, aber er hat die Formel1 zu dem gemacht was sie heute ist. Nun geht die Ära Ecclestone langsam aber sicher ihrem Ende zu und kein adäquater Nachfolger ist in Sicht.

Ich habe das Gefühl, als hätte Ecclestone eine heimliche Freude daran, bei der Vorstellung, dass ohne ihn die Formel1 in einem Sumpf von Intrigen und Streitereien unter den nachfolgenden Möchtegern-Zampanos versinken könnte. Damit bliebe die Formel1 sein alleiniges Werk.

Eine immer wieder ins Gespräch gebrachte industrialisierte Formel1, wie sie gerade angedacht wird, ist schwer vorstellbar. Während nämlich Rennställe mit den Höhen und Tiefen als tägliches Brot des Rennsports leben können, ist das den Autokonzernen auf Dauer unmöglich. Autokonzerne brauchen ausschließlich den Erfolg.

Schon jetzt tummeln sich zu viele Autokonzerne in der Formel1 und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der eine oder andere Autohersteller wegen Erfolglosigkeit wieder verabschiedet. Eine Formel1, welche größtenteils oder ausschließlich von Auto-Konzernen beschickt wird, dürfte daher auf Dauer keine Zukunft haben. Die echten Rennställe werden aber dann schon längst vor den horrenden Kosten kapituliert haben.

Ihr Hans-Peter Voglhuber

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