Hans Peter Voglhuber's Kolumne | 13.05.2002
Ferrari-rot - die Farbe der Trauer
Die Scuderia hat sich mit der Schmierenkomödie von Spielberg ein Eigentor geschossen - das Image der Roten ist gehörig angekratzt...
Hans Peter Voglhuber
Was sich beim Grand Prix von Österreich abspielte, wurde zwar schon oft in der Formel1 praktiziert, aber noch nie war eine Stallorder so unnütz und kontraproduktiv wie jene von Ferrari am A1-Ring. Was da ablief, fällt eindeutig unter die Kategorie Betrug am zahlenden Publikum, welches eine faire und spannende Formel1-Weltmeisterschaft sehen will und an allen, die zum Beispiel auf einen Sieg von Rubens Barrichello Geld verwettet haben.
Allein der große WM-Punktevorsprung von Michael Schumacher und die Tatsache, dass noch nicht einmal Halbzeit in der GP-Saison ist, machen die Ferrari-Entscheidung zur Farce. Es ist ein Trauerspiel ersten Ranges, bei dem Ferrari-rot die Farbe der Trauer ist. Es ist eines so traditionellen Rennstalles, wie es Ferrari ist, unwürdig und ich kann mir nicht vorstellen, dass der verstorbene Enzo Ferrari damit einverstanden gewesen wäre, was da seine Nachfolger auf der Formel1-Bühne zum Besten gaben.
Traurig:
Manche Herren scheinen jegliches Gespür für Sinn und Zweck des Rennsports verloren zu haben
Grundsätzlich war die Formel1 schon immer die Bühne der rasenden Schmierenkomödianten, weil im Fall des Falles bis jetzt noch jeder Teamchef zur sogenannten Stallorder gegriffen hat. Schließlich geht es zwar auch um Ruhm und Ehre, aber noch viel mehr geht es um Millionen, Millionen und Millionen. Manche Herren in der Vollgas-Branche scheinen inzwischen jedoch jeglichen Sinn für die Realität verloren zu haben.
Sinn und Zweck eines Rennens scheinen ihnen völlig fremd geworden und die Bedürfnisse des Publikums völlig egal zu sein. Taktik, tarnen und täuschen sind heute mehr denn je die Trümpfe in der Formel1. Die Fahrer sind trotz millionenschwerer Gagen längst zu entmündigten Vollgasmarionetten degradiert worden. Auch wenn Schumacher versucht hat, sich bei der Siegesfeier und beim Interview gegen diese Entmündigung aufzulehnen, in dem er Barrichello zum Sieger erklärte, ist sein Image als bester Rennfahrer der Welt – was immer das auch heißen mag – schwer in Mitleidenschaft gezogen.
Kurzsichtig: Ferrari hat mit dieser Entscheidung seinem Image geschadet
Die Verantwortlichen von Ferrari haben im Eifer des Gefechts offensichtlich nicht bedacht, was sie mit dieser überflüssigen Aktion Barrichello, Michael Schumacher und dem gesamten Formel1-Sport antun. Möglicherweise gibt es schon bei den nächsten Formel1-Rennen auch spürbare finanzielle Einbußen.
Mit dem Entscheid, Schumacher gewinnen zu lassen, hat Ferrari die Formel1-Siege allgemein und den Rang eines Formel1-Weltmeisters im Besonderen entwertet. Was kann denn bei solch linken Machenschaften ein Sieg, ein WM-Titel schon noch wert sein? Der Beste möge gewinnen? Wer glaubt denn das nach diesem 12. Mai 2002 noch?!
Ferrari hat mit dieser unfassbaren Dummheit den eigenen Mythos und den von Michael Schumacher nachhaltig geschädigt. Und auch der Ruf von seinen genialen Mitarbeitern Jean Todt und Ross Brawn dürfte darunter leiden. Schließlich besteht der Verdacht, dass sie in die Entscheidung, Barrichello zurückzupfeifen, eingebunden oder zumindest darüber informiert waren. Ein Makel, den die beiden Superhirne von Ferrari nicht mehr so schnell los werden sollten.
Tröstlich: Barrichello hat den Betrug aller Welt vor Augen geführt...
Tröstlich dabei ist nur, dass Barrichello zwar Schumacher vorbeiließ, aber in seinem gekränkten Stolz den Betrug der ganzen Welt deutlich vor Augen führte. Wäre Barrichello wirklich der eiskalte durchtriebene Vollgasganove, dann hätte er seinen Ferrari die letzte Runde „angeschlagen“ ins Ziel gerollt, der Betrug wäre perfekt gewesen und durch den Äther hätte es geprüllert: „Das gibt`s doch nicht! Eine Runde vor Schluss und jetzt so was. Barrichello, der ewige Pechvogel!“ Doch zum Glück gibt es immer noch unberechenbare, menschliche Regungen. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass Barrichello für seine trotzige Bremsdemonstration vor der Ziellinie von der roten Führungsgarnitur noch gehörig getadelt wird.
Interessant war aber auch die zornige, rotzfreche Reaktion von Ralf Schumacher, Michaels jüngerem Bruder: „Die sollen doch alle die Klappe halten . . .!“ Damit meinte er alle Kritiker, welche sich erlaubten, die Stallorder von Ferrari nicht gutzuheißen. Ich frage mich, ob dieser verbale Ausfall allein auf innige Bruderliebe zurückzuführen ist oder ob Ralf Schumacher von Ferrari bereits die Zusage hat, seinen älteren Bruder im traurig-roten Rennstall beerben zu dürfen, wenn der Seniorbruder für immer den Renn-Overall auszieht und an den berühmten Nagel hängt. In ein, zwei Jahren werden wir es ganz genau wissen.
Konsequenz: Die FIA wird sich mit dem Rennausgang von Österreich noch einmal beschäftigen müssen...
Als ich voriges Jahr FIA-Präsident Max Mosley mein neues WM-Punktesystem vorschlug, antwortete er mir unter anderem: Mit der Änderung des WM-Punktesystems würde man auch Vergleiche, wie zum Beispiel Michael Schumacher als Fahrer mit den meisten WM-Punkten der Welt, verlieren. Ich denke, der heutige Tag hat uns eindrücklich gezeigt, was von solchen statistischen Vergleichen grundsätzlich zu halten ist – nämlich nichts.
Eines ist für mich jetzt schon klar: Wenn Mosley und die FIA wollen, dass der Formel1-Zirkus weiter erfolgreich um die Welt tourt, werden sie sich ernsthaft mit dem Rennausgang auf dem A1–Ring beschäftigen und klare Maßnahmen ergreifen müssen. Für diese Schmierenkomödie müssten Ferrari sämtliche, am A1-Ring errungenen Punkte, sowohl für die Fahrer, wie auch für die Konstrukteurs-WM, gestrichen werden.
Aber egal, welche Maßnahmen nach diesem 12. Mai 2002 auch ergriffen werden, die künftigen „Regietricks“ lassen sich leider jetzt schon erahnen. Dank der heutigen Technik können die Boliden führender Nummer 2-Fahrer ja notfalls auch per Fernsteuerung von der Box „ausgeknipst“ werden.
Ihr Hans-Peter Voglhuber