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Hans Peter Voglhubers Kolumne

Kommt die Formel 1 „light”?
Weniger kann oft mehr sein.

Nach Jahren fahrlässiger Geldvernichtung haben die Formel-1-Granden plötzlich die Notwendigkeit des Sparens entdeckt.

Hans-Peter Voglhuber

Meine erste F1-Kolumne für Motorline am 3. 8. 2001 hatte den Titel „Die Formel 1 in der Globalisierungsfalle”. Acht Jahre später ist der Inhalt dieser Kolumne aktueller denn je und meine Vorhersagen betreffend die Weltwirtschaft und die Autokonzerne sind leider wahr geworden. Nach Jahren fahrlässiger Geldvernichtung und Protzerei haben die Formel-1-Granden plötzlich die Notwendigkeit des (Ein)Sparens entdeckt. Plötzlich darf, respektive muss es überall auch ein bisschen weniger sein. Und wurden früher die Formel-1-Launches zelebriert, als handelte es sich dabei jeweils um die Präsentationen kleiner Weltwunder, so beschränken sich heute die meisten Teams auf eine mehr oder weniger bescheidene Entblößung ihrer vierrädrigen Kreationen, welche nun, all ihrer unzähligen Flügelchen und Leitflächen beraubt, wieder mehr den Rennern der 90er Jahre ähneln. Mir gefallen die 2009er Boliden jedenfalls besser als ihre Vorgänger. Angesichts diverser Front- und Heckflügel scheint die Botschaft des „weniger ist oft mehr” bei einigen genialen Eierköpfen aber immer noch nicht angekommen zu sein.

McLaren Mercedes ist diesbezüglich ein besonders gutes Beispiel, wie wahnsinnig Kreativität, beziehungsweise wie kreativ Wahnsinn sein kann, obwohl der Silberpfeil sonst optisch durchaus gelungen ist. Sollte jedoch das neue WM-Reglement, bei dem die meisten Siege zählen, tatsächlich zur Anwendung kommen, dann könnte die WM schon entschieden sein, ehe die Sternfahrer ihre Probleme in den Griff bekommen haben.

Der Ferrari ist elegant und schnittig wie immer. Ob das allerdings schon den Gewinn des WM-Titels garantiert, darf bezweifelt werden. Trotzdem gehören die roten Renner aus Italien auch heuer wieder zum Favoritenkreis.

Die Leute von Toyota sind ihrer konservativen Linie weitgehend treu geblieben. Allerdings könnte es heuer mit etwas Glück – speziell in der ersten Hälfte der Saison – zu einem GP-Sieg reichen. Podestplätze sollte es für Glock und Trulli in jedem Fall geben.

Die Williams müssen heuer regelmäßig punkten, sonst könnte es für das Team 2010 eng werden. Auch für Rosberg wäre ein weiteres Seuchenjahr eine Katastrophe, denn trotz seiner fahrerischen Qualitäten dürfte für ihn im nächsten Jahr in keinem der Spitzenteams ein Platz frei sein, es sei denn, Heidfeld wird bei BMW aussortiert.

Der BMW Sauber sieht richtig gut aus. Ich denke, Kubica und Heidfeld haben heuer von Anfang an ein konkurrenzfähiges Gerät für Podestplätze, mit dem auch Siege möglich sein dürften.

Bei Alonso und Renault habe ich meine Zweifel, dass sie gleich bei den ersten Rennen ganz vorn dabei sind. Ich sehe das Renault-Team erst in der zweiten Hälfte so richtig in Fahrt kommen. Der Gewinn der WM ist dennoch möglich, sofern das neue WM-Reglement tatsächlich eingeführt wird und in der ersten Hälfte der WM die Sieger aus mehreren Teams kommen.

Für Red Bull Racing gilt das Gleiche wie für Williams. Es müssen Erfolge her. Auch wenn ich nicht glaube, dass einer der RBR-Chauffeure heuer Weltmeister wird, so traue ich ihnen doch ordentliche Ergebnisse zu. Interessant wird sein, wie die Leistungskurven von Webber und Vettel während der WM verlaufen werden.

Wird es allen Dementis zum Trotz möglicherweise doch die letzte Saison des Toro Rosso Teams sein? Abgänge wie Gerhard Berger und Sebastian Vettel können nicht so einfach kompensiert werden und dass Bourdais nicht ein Ausnahmetalent wie Vettel ist, liegt auf der Hand. Auch Sébastien Buemi wird trotz seines Talents in seinem ersten Jahr sicherlich noch keine Bäume ausreißen. Obwohl der Toro Rosso F1 ein Ableger des RB5 ist, scheinen mir Podestplätze für die Italo-Bullen heuer nur schwer erreichbar. Dies umso mehr, als die Konkurrenz heuer viel größer sein wird, als in der vergangenen Saison.

Wirklich gut dürfte es beim Force India Team auch heuer nicht laufen. Optisch und aerodynamisch eher plump, lässt der Renner eine durchgängige harmonische Linienführung vermissen. Das einzige echte Plus ist der Mercedes-Motor. Während das alles für Giancarlo Fisichella auf Grund seines Alters kein großes Problem mehr sein sollte, schwinden für Adrian Sutil mit jeder neuen Saison die Chancen, jemals noch echte F1-Höhenluft in einem Topauto schnuppern zu können.

Brawn GP – das ist die Story einer Wunderheilung. Die japanische Sonne ging unter und das Brawn GP-Team stieg wie Phoenix aus der Asche des massenhaft verbrannten Honda-Geldes auf. Ich frage mich, ob die Honda-Chefs über das Potential des neuen, nunmehrigen Brawn-GP-Boliden genau Bescheid gewusst haben, ehe sie den Rückzug von Honda aus der Formel 1 bekannt gaben.

Das Design des Brawn-Renners ist geradezu genial schlicht und wie sich bis jetzt zeigte, relativ problemlos und ziemlich erfolgreich. Dass dieses Team den Weltmeister heuer stellen wird, halte ich zwar nicht für ausgeschlossen, aber auch nicht für sehr wahrscheinlich. Eine echte Bereicherung ist Brawn GP auf alle Fälle und so wie es aussieht, ist der Renner auch ein Jungbrunnen für Rubens Barrichello und Jensen Button, welche durch die früher zumeist chancenlosen Honda-Krücken schon leicht lethargisch waren.

Was das neue WM-Reglement anlangt, so habe ich bereits in meiner zweiten Kolumne am 16. 8. 2001 unter dem Titel „Punktgenau” das WM-Punktereglement kritisiert und vorgeschlagen, zur Ehrlichkeit zurückzukehren, was heißt, dass zum Beispiel bei zweiundzwanzig Startern für den Sieger 22 Punkte, für den Zweiten 21 Punkte, für den Dritten 20 Punkte usw. vergeben werden, sodass auch der Letzte noch einen Punkt bekommt.

Obwohl in vielen Sportarten die Unsitte praktiziert wird, dass der Sieger unverhältnismäßig mehr Punkte bekommt, wie der Zweite, der Dritte etc., ist diese Vorgehensweise nicht wirklich plausibel zu erklären. Es stimmt ganz sicher nicht, dass durch derartige Reglements eine Meisterschaft spannender wird. Das Gegenteil ist der Fall, die Leistungen werden dadurch arg verfälscht.

Am 16. November 2001 schickte mir FIA-Präsident Max Mosley ein Fax, in dem er meinen Vorschlag zur Vergabe der WM-Punkte als „sehr vernünftig” bezeichnete. Seine fadenscheinigen, nicht nachvollziehbaren Argumente, warum ein derartiges WM-Punktesystem trotzdem nicht zur Anwendung kommen kann, erspare ich dem Formel-1-Fan. Dafür gebe ich Max Mosleys Schlusssatz im O-Ton wieder: „Thank you nevertheless, for an interesting idea, which our predecessors should perhaps have adopted fifty years ago.”

Das WM-Finale vom vergangenen Jahr wird wahrscheinlich nicht mehr getoppt werden können, dennoch erwarte ich auch heuer wieder eine spannende F1-Weltmeisterschaft. Allerdings scheinen jetzt schon wieder eine Menge Streitereien und Schummeleien auf Grund des schwammigen Reglements vorprogrammiert zu sein. Spätestens am Ende der WM wissen wir dann, wie viele Schritte die Formel 1 nach vorn oder zurück gemacht hat.

Ihr Hans-Peter Voglhuber

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