
Kilometerstand-Manipulation bei Gebrauchten | 25.10.2015
Frisierter Lebenslauf
Tachomanipulationen nehmen überhand. Wir zeigen, was derzeit dagegen unternommen wird, und wie man sich beim Autokauf absichern kann.
mid/som; Foto: TÜV Rheinland
Ein Mercedes C 220 CDI aus dem Jahr 2005. Laut digitaler Anzeige hat er erst 167.562 Kilometer, sprich 16.765 Kilometer pro Jahr. Durchaus realistisch? Falsch gedacht! Denn der Vorzeige-Gebrauchte hat bereits 585.844 Kilometer auf der inneren Uhr.
Dass 418.282 Kilometer weniger angezeigt werden, liegt aber nicht an einem technischen Fehler. Der Grund ist wesentlich krimineller: Der Tacho wurde manipuliert. Zugegeben, dieser Fall ist ein äußerst extremer, doch selbst die durchschnittliche Manipulation der Laufleistung von über 65.000 Kilometern gibt zu denken.
Dabei spielt es keine Rolle, ob der Gebrauchtwagen von einem Privatmann oder einem Autohaus angeboten wird. "Der Mann mit dem Koffer", wie er gern in Fachkreisen genannt wird, macht auch Hausbesuche und braucht nur wenige Augenblicke für ein paar 10.000 Kilometer.
An der Technik hat sich natürlich im Laufe der Jahre etwas geändert. So brauchte man noch vor 30 Jahren eine Bohrmaschine im "schnellen Rücklauf", um einen VW Käfer zu verjüngen. Heute schaut es aber eigentlich nur ein wenig digitaler aus. Was negativ überrascht, ist die Häufigkeit. Laut Berechnungen der Polizei ist an jedem dritten in Deutschland verkauften Gebrauchtwagen der Tacho manipuliert worden, in Österreich sieht es nicht anders aus.
Das Ausmaß der Tachotäuschungen machen zwei Beispielsberechnungen von TÜV Rheinland deutlich: Reduzieren Betrüger bei einer Mercedes-Benz E-Klasse, Baujahr 2011, die Laufleistung um 66.000 Kilometer von 114.000 auf 48.000, bedeutet das einen höheren Erlös von 5.400 Euro. Bei einem VW Polo, Baujahr 2014, schlägt eine um 36.000 Kilometer verringerte Laufleistung mit 1.200 Euro Mehrgewinn zu Buche.
"Neben der kriminellen Geschäftemacherei spielen bei Tachomanipulation auch Aspekte der Verkehrssicherheit eine Rolle", erklärt Jürgen Brauckmann, Bereichsvorstand Mobilität TÜV Rheinland und betonte: "Geht ein Käufer von einem erheblich geringeren Kilometerstand des Fahrzeugs aus, fährt er möglicherweise zu spät zur Inspektion. So können Defekte oder Verschleiß etwa an Bremse und Fahrwerkskomponenten unentdeckt bleiben."
Derzeit mehren sich die Datenbanken, durch die sich ein Gebrauchtwagenkauf wieder zu einem ehrlicheren Geschäft wandeln soll. Ob nun die Initiative gegen Tachomanipulation, Motory oder Arvato - sie alle haben ein Ziel: Der Gebrauchtwagenkauf soll sicherer werden.
Um Betrügereien und wirtschaftliche Schäden aus Kilometerzählermanipulationen zu minimieren, ist es das Ziel von Arvato Financial Solutions, Kilometerstände über die Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) zu checken. Für jedes Kraftfahrzeug soll zukünftig vom Verkäufer abfragbar sein, welchen Kilometerstand es zu einem bestimmten, gespeicherten Zeitpunkt hatte.
Die Kilometerstände sollen bei Versicherungen, Prüfgesellschaften und weiteren Partnern eingeholt werden. Da der Datenschutz oberste Priorität hat, ist eine solche Lösung aber nur mit der Einwilligung des Verkäufers möglich. Verweigert dieser, weiß man wieder nichts, außer, dass er wohl etwas zu verbergen hat.
Die andere Möglichkeit wäre eine generelle Veränderung seitens der Hersteller. Doch die drücken sich seit Jahren um den Einbau einer geeigneten Software. Wobei an dieser Stelle zu Bedenken gegeben werden muss, dass bislang noch jede Software geknackt wurde.
Bis einige der obengenannten Maßnahmen greifen, bleibt einem immerhin der Hausverstand. Der verlangt zunächst nach einem Check, ob die Abnützung der Sitze, des Lenkrades und der Pedale zum angegebenen Kilometerstand passt.
Weiters lässt man sich vom Verkäufer sämtliche Prüfberichte und Werkstattrechnungen zeigen, darauf ist nämlich immer der jeweils aktuelle Kilometerstand vermerkt. Kann oder will dieser keinen einzigen diesbezüglichen Beweis erbringen, verabschiedet man sich schnell von ihm.
Sollten Unterlagen vorliegen und die jeweiligen Kilometerstände weder chronologisch noch in irgendeiner anderen Form nachvollziehbar sein, ist ebenfalls etwas faul. Auch dann heißt es: Finger weg und weitersuchen.