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Muskeln im Nadelstreif

Infiniti zielt mit dem Q50 direkt auf die gehobene Mittelklasse. Wir testen, ob sich der Mitbewerb vor dem 364 PS starken Hybriden fürchten muss.

Text und Fotos: Johannes Toth

Obwohl der Infiniti Q50 bereits seit 2013 im japanischen Werk in Tochigi produziert wird – gemeinsam mit seinen großen Infiniti-Geschwistern sowie Oberklasse-Limousinen und Sportwagen von Nissan – ist er in unseren Breiten eher selten gesehen. Für das Modelljahr 2018 erhielt er ein leichtes Facelift.

Um ihn kurz zu verorten: mit 4,8 m Länge und einem Kofferraumvolumen von bis zu 500 Litern reiht er sich dimensionsmäßig knapp über BMW 3er, Mercedes C-Klasse, Audi A4 und Konsorten ein. Preislich hält er dagegen deren Niveau - bei besserer Ausstattung - mit einem Basispreis von 40.285 Euro

Als hochwertige Nissan-Tochter beeindruckt Infiniti auch beim Q50 wieder mit einem spannenden Design, das optisch eindeutige Familienzugehörigkeit zeigt und an dem wir uns nicht so schnell satt sehen werden. Das gilt sowohl für das Exterieur, als auch für das Interieur. Die verwendeten Materialien sind durchwegs hochwertig, – wir sagen nur: schöne Metallteile und Doppel-Steppnaht im Leder – und erfreuen durch angenehme Haptik. Das Bedienkonzept ist großteils logisch und vieles lässt sich individuell konfigurieren.

Die Sitze halten uns eng umschlungen und geben guten Seitenhalt. Der Beifahrer wird vom Cockpit umschlossen und ins Fahrgefühl miteinbezogen. Beim Stoppen des Motors mittels Stop-Knopf fährt der elektrische Fahrersitz nach hinten, um ein bequemeres Aussteigen zu ermöglichen.

Das würden wir bei diesem eher in Richtung sportlich tendierenden Fahrzeug nicht erwarten und es birgt auf Grund der Platzverhältnisse im Fond die Unzulänglichkeit, dass dem hinten sitzenden Passagier in diesem Augenblick jedesmal die Beinfreiheit empfindlich reduziert wird. Sozusagen des einen Freud, des anderen Leid.

Das Thema Datensicherheit nimmt Infiniti sehr ernst. Nach absolut jedem Startvorgang erscheint im Display die Meldung „...Zugriff durch Nissan zur Erfassung und Übermittlung von Daten...“ (Bild links - zum Vergrößern anklicken).

Wir können nun zustimmen mit OK, ablehnen oder abbrechen. Abgesehen davon, dass das nervt, stellt sich die Frage nach dem Unterschied zwischen ablehnen und abbrechen bzw. OK und abbrechen. Es ist in Folge nämlich keiner zu bemerken.

Obwohl wir nie OK gewählt haben, fragt das Navi nach mehreren Tagen im selben Carport: „Heimort noch nicht gespeichert. Soll ich speichern?“ Was will uns das Auto damit sagen?

Fühlt es sich einsam – wurde der Q50 in seinem kurzen Autoleben immer nur kalt hochgedreht, grauslich geschunden und danach unter nassen Laternen im Freien abgestellt? Und glaubt er jetzt vermeintlich, endlich einen treuen Freund und ein trockenes Zuhause gefunden zu haben? Wir werden es leider nie erfahren.

Spaß haben kann man mit dem Q50S Hybrid jedenfalls. Das Fahrwerk ist straff, die Bremsen verzögern sehr ordentlich. Der 3,5 Liter V6 Benzinmotor klingt leise und trotzdem kernig. Im Sport-Modus des 7-Gang Automatik-Getriebes quietschen die Reifen vor Freude beim Voll-Anfahren in der Kurve und das Heck schmiert sanft weg.

Denn unterm Blech werden 306 PS des Verbrennungsmotors mit 68 PS des Elektromotors zu einer Gesamtleistung von 364 PS mit 564 Nm Drehmoment kombiniert, was uns in 5,4 Sekunden auf Tempo hundert schnalzt und bei 250 km/h abregelt.

Das Umschalten zwischen Elektro- und Benzinmotor geschieht vollkommen rucklos und ist auch beim langsamen Dahinrollen kaum hörbar. Der große Motor läuft bauartgemäß sehr leise. Bei hoher Autobahngeschwindigkeit nehmen lediglich die Windgeräusche zu, diese allerdings kräftig.

Generell ist dieser Infiniti eher ein Auto zum flotten Gleiten als zum schnellen Hetzen. Das zeigt sich auch an der Schaltprogrammierung der Automatik, die relativ rasch einen höheren Gang einlegt, wenn wir den Zug der Beschleunigung wegnehmen.

Der Schaltvorgang selbst dauert – auch mit den Wippen gesteuert – manchmal gefühlt etwas zu lange. Heutzutage unbegreiflich ist der riesige, lange Schalthebel, der zwar als Handablage praktisch ist, sonst jedoch im wahrsten Sinn des Wortes im Weg herumsteht.

Vom Raumkonzept her ist das Fahrzeug für zwei Personen oder eine Familie mit kleinen Kindern zu empfehlen. In den hinteren Türen gibt es keine Türablagen und über 180 cm Körpergröße wird es im Fond eng um den Kopf.

Da unser Hybridmodell Platz für die Energiespeicher benötigt, fehlt eine klappbare Sitzbank mit Durchlademöglichkeit und das Kofferraumvolumen wird von den 500 Litern der Q50-Benzinmodelle auf 400 Liter eingeschränkt (Bild rechts).

Der Fußraum für den linken Fahrerfuß ist knapp bemessen. Das liegt eventuell daran, dass die Feststellbremse keinen Handbremshebel aufweist, sondern via Fußbremshebel betätigt werden will.

Einen Fehler im System geben wir den Infiniti Ingenieuren noch mit ins Aufgabenheft für die nächste Modell-Überarbeitung: Gleich beim Betätigen des Motor-Stop-Knopfes geht das Radio aus. Na gut – lästig, aber verkraftbar. Es schaltet aber auch die Freisprechanlage des Handys ab. Das ist lästig und nicht verkraftbar.

Wegen der Kosten: ein Q50S Hybrid AWD Sport Tech wie der unsere schlägt mit 67.550 Euro zu Buche. Der ist dann serienmäßig wirklich toll und voll ausgestattet. Die Aufpreisliste bietet als weitere Verbesserungen nur noch die Optionen Glasschiebdach und Metallic-Lack. Den Verbrauch gibt Infiniti mit 6,8 Litern auf gemischten 100 km an. In unserem Testbetrieb lagen wir bei angesichts der Motorleistung herzeigbaren 8,9 Litern.

Plus
+ hochwertige Materialien
+ spannendes Design, das sich aus der Masse hervorhebt
+ kräftiges Hybridsystem, das Fahrspaß bietet
+ logisches Bediensystem bzw. Menüführung
+ umfangreiche Sicherheitsassistenten
+ feines Bose-Soundsystem

Minus
- bei Motor-Aus schaltet Handy-Freisprecheinrichtung ab
- nach jedem Motorstart möchte das Menü die Bestätigung, dass der Fahrer den Datenzugriff erlaubt
- in Österreich nur ein Service- und Händlerbetrieb (im Süden Wiens)
- hinten keine Türablagen

Resümee
Der Q50S Hybrid bringt flottes Gleiten im Nadelstreif, denn Kraft bis zum Abwinken bedeutet Spaß beim Fahren. Allerdings fordert die Batterie des Hybridsystems platzmäßig ihren Tribut. Wer sicher sein will, dass seine Umgebung nicht das gleiche Auto fährt und wer sein redlich verdientes Geld auf dezent-elegante Art ausgeben möchte, wird mit diesem Infiniti seine Freude haben.

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