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Der Senpai der Mittelklasse

Der Mazda6 ist mit großem Abstand der längst gediente Vertreter in Mazdas Line-up. Ja sogar im gesamten Marktumfeld ist kaum ein Auto länger am Markt. Doch Mazda hat beständig sein Bestes getan, ihn immer wieder zu verbessern und aufzufrischen. Mit Erfolg. Als „20th Anniversary“ steht der Mazda6 im Jahr 2023 auf seinem absoluten Zenit und zeigt so manchem Emporkömmling, wie gut ein Mitteklasse-Kombi sein kann.

Johannes Posch

Elf Jahre ist der Mazda6 in aktueller Version nun bereits am Markt. Zur Verdeutlichung, wie lang das nach Automaßstäben eigentlich ist: Ein Jahr nach dem aktuellen Mazda6 führte Mazda die dritte Generation des Mazda3 ein. Diese bekam eine Weile später ein Facelift und wurde sodann 2019 durch die aktuelle, vierte Generation abgelöst, die nun folgerichtig auch schon wieder vier Jahre am Buckel hat und im Grunde für ein Facelift fällig ist. Der 6er hat also selbst Marken-intern bereits zwei volle Modell-Generationen miterlebt. Das faszinierende daran ist aber, dass man das vor dem 6er stehend eigentlich gar nicht so richtig merkt. Das Design etwa ist – vor allem als 20th Anniversary Edition in hinreißendem „Artisan Red“ und mit den todschicken 20-Zöllern – immer noch ein absoluter Hingucker.

Natürlich sollte aber spätestens an dieser Stelle erwähnt sein, dass der Mazda6 in seinen elf Jahren freilich so manch größere und kleinere Modellpflege durchlebt hat, um heute so fit und schick dastehen zu können, wie er es tut. Exterieur, Interieur, Leuchten, Antrieb, Ausstattung … alles wurde früher oder später, mehr oder weniger aktualisiert und immer weiter verfeinert. Und das merkt man. Kaum ein Auto auf unseren Straßen wirkt so ausgereift und feingeschliffen wie der Mazda 6.

Ein Umstand, der einem schon beim Einsteigen unmissverständlich klar wird. Türgeräusch? Satt und voller „Premium-Anspruch“. Sitze und Sitzposition? Erstklassig; das Gestühl ist angenehm gepolstert, mannigfaltig einstellbar und heiz- wie auch belüftbar. Ergonomie & Bedienung? Tadellos; echte Tasten am Volant und in der Mittelkonsole sei Dank. Materialien und Verarbeitung? Luxuriös; zumindest im dann aber auch preislich selbstbewussten Top-Trim „20th Anniversary“, in dem feinst verarbeitetes, hellbraunes Leganu-Vegan-Wildleder für eine helle und noble Atmosphäre sorgt. Detail-Fanatiker werden hier höchstens beanstanden, dass der Farbton der Sitze nicht tausendprozentig mit dem der Armaturenbrett-Verkleidung übereinstimmt. Doch weiter im Text: Ausstattung? Erst einmal auch keine Spur von „Überalterung“: Matrix-LED-Scheinwerfer, Schiebedach, 360°-Kameras, Abstands-Tempomat, Head-up-Display mit Scheibenprojektion, klangstarkes Bose-Soundsystem mit Noise-Cancelling-Technologie, um unerwünscht Frequenzen im Fahrbetrieb zu eliminieren … absolut state-of-the-art also. Bis man sich dem Infotainment zuwendet. Der nach heutigen Maßstäben kleine und niedrig auflösende Screen (samt ebenso pixeligem 360°-Kamerabild) offenbart am ehesten das Alter der Plattform. Zur Ehrenrettung des sei aber angemerkt, dass das „dahinter“ laufende und im Stand mittels Touch und sonst über einen Dreh-Drück-Regler unterm Schalthebel bedienbare System zumindest immer tadellose funktioniert hat. Das kann man ja von so manch anderer, deutlich jüngeren Lösung am Markt nicht unbedingt immer behaupten. Und Apple Carplay (kabellos) und Android Auto (nur mit Kabel) wird auch unterstützt. Dass man hier während der Fahrt dann aber nicht „touchen“ kann, ist zwar in Sachen Sicherheit löblich, aber im gelebten Alltag nicht unbedingt ideal.

Weiter auf die Rückbank: Zwei USB-Anschlüsse zum Laden externer Geräte sind auch 2023 ebenso wenig eine Selbstverständlichkeit wie eigene Luftauslässe und Sitzheizung auf den beiden Außenpositionen. Alles davon wird hier geboten. Ebenso eine bequeme Mittelarmlehne und gut erreich- und nutzbare Isofix-Positionen. Die Platzverhältnisse gehen, ebenso wie das Raumgefühl, ebenso in Ordnung. Selbes kann für den Kofferraum attestiert werden. Ladekante, Nutzbarkeit, Features … alles im guten Marktschnitt.

Grand Routier


In Bewegung macht der Mazda6 ebenfalls eine ausgezeichnete Figur. Und das bitte nicht „für sein Alter“, sondern ganz allgemein und im Vergleich zu allem, was wir sonst so in dieser Klasse kennen. Die Lenkung ist angenehm direkt und gefühlvoll, das Fahrwerk nicht übertrieben hart, kommt aber auch mit sportlicherer Fahrweise bestens zurecht und der Motor potent genug um die 1.551 kg des Testwagens jederzeit souverän durch die Gegend zu befördern. Natürlich muss aber gesagt sein: einen Saugmotor ist man heute kaum mehr gewohnt. Dementsprechend auch nicht, dass die an und für sich stets besonnen agierende Automatik den Murl beim Überland-Überholen beherzt in Begrenzernähe orgeln lässt. Was gäben wir nur dafür, wenn der Mazda6 mit den neuen Reihensechszylinder-Turbodieselmotoren angeboten würde. Spielts aber nicht. Überhaupt gibt’s keine Diesel mehr im Portfolio des Mittelklasse-PKW.

Unter Strich bedeutet das alles aber jedenfalls, dass der Mazda6 auch heute noch – vermutlich sogar mehr als je zuvor – ein Kilometerfresser erster Güte ist. Die Kombination aus feinstem Interieur, manierlichem Fahrwerk und adäquatem Antrieb macht ihn zum perfekten Langstrecken-Begleiter. Auch in Sachen Effizienz, wobei hier das Anmerkungs-Sternderl „für einen Benziner-Kombi mit knapp 200 PS“ angehängt werden muss: 7,6 Liter auf 100 km in unserer Testrunde ist eine exakte Punktlandung am WLTP-Wert und eben „für einen Benziner-Kombi mit knapp 200 PS“ durchaus OK, wer aber die vor allem seit aufkommen der E-Autos so oft und gern ins Feld geführten 1.000 Kilometer Reichweite sucht, wird hier nicht fündig.

FAZIT

Wer es beim Lesen des Titels schon googeln wollte: Senpai beschreibt im Japanischen, den den konfuzianischen „fünf menschlichen Elementarbeziehungen“ folgend, jemanden mit mehr Erfahrung als man sie selbst hat, der einem als untergeordnetem, zumeist jüngerem K?hai Orientierung und Ratschläge geben und eine Vorbildfunktion ausüben soll. Und als genau solchen Senpai verstehen wir den Mazda6. Nicht „alt“, sondern „erfahren und ausgereift“. Er zeigt, wie ein Auto in Sachen Qualitätsanmutung, Fahrverhalten und Packaging im Jahr 2023 dastehen kann, wenn man sich nur richtig Mühe gibt. Ja, da und dort haben ihm nachgefolgte Jungspunde – auch aus seinem eigenen Hause – mehr drauf. Zum Beispiel beim Infotainment oder in Hinblick auf die neuen Sechszylinder-Motoren. Dennoch ist das Gesamtpaket, vor allem im tatsächlich beeindruckenden Top-Trim „20th Anniversary“ ein durch und durch überzeugendes, das auch heute noch bei allen auf der Shortlist landen sollte, die nach einem guten Mittelklasse-Kombi suchen. Domo Arigato Gozaimasu.

Technische Daten:
Mazda 6 Sport Combi G194 AT 20th Anniversary
Hubraum | Zylinder
1.998 cm3 | 4
Leistung 194 PS (143 kW)
Drehmoment 258 Nm bei 4.000/min
0–100 km/h | Vmax 8,1 s | 223 km/h
Getriebe | Antrieb 6-Gang man. | Vorderrad
Ø-Verbrauch | CO2 7,6 l S | 172 g/km (EU6d)
Kofferraum 522 – 1.648 l
Basispreis | NoVA 52.890 € (inkl.) | 14 %

Das gefällt uns: Das Design innen wie außen, der Langstrecken-Komfort
Das vermissen wir: die Aussicht auf einen Nachfolger mit den neuen Sechszylindern
Die Alternativen: Peugeot 508, Volvo V60, Audi A4, BMW 3er und Mercedes C-Klasse, etc.

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