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Zum Abschied Siebzigerstimmung

Benzinduft und Langosgeruch, knatternde Motoren und viele Autogramme - die Motorsportszene gab dem legendären Flugfeld die letzte Ehre.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Stefan Gruber, motorline.cc

Streng genommen handelt es sich lediglich um eine graue, brüchige, in die Jahre gekommene Asphaltfläche. Auf der zu stehen jedoch erweckt Emotionen - bei den zahlreichen Besuchern, den Piloten, den umtriebigen Organisatoren. An diesem heiteren Aprilsonntag, beim Aspern-Revival, heißt es Abschied nehmen von dem ehemaligen Flugfeld Aspern, im 22. Wiener Gemeindebezirk, wo am 28. April 1957 das erste internationale Autorennen in Österreich nach dem 2. Weltkrieg abgehalten wurde.

Man kennt die Bilder aus dieser Blütezeit des heimischen Motorsports, aus den Sechziger- und den Siebzigerjahren - viele davon sind in Schwarzweiß gehalten. An diesem Sonntag jedoch kommt Farbe ins Spiel - und der Geruch von heißem Reifengummi, süßlichem Rennbenzin und frischem Langos. Motorsport vor den Toren Wiens, und: Motorsport zum Anfassen - wer seine Karte einlöst, landet direkt im Fahrerlager, bei den Boliden und ihren Piloten.

Die Legenden, die hier beim vorerst letzten "Grand Prix von Wien" antreten, mischen sich unters Volk: ob Lambert Hofer, Peter Peter, Dieter Quester oder "Mister Formel V" Kurt Bergmann - sie alle lassen quasi noch einmal den Geist aus der Flasche. Es geht um jene Aufbruchstimmung, die in Aspern zu verspüren war, als der Motorsport in Österreich salonfähig wurde.

Die großen Helden des heimischen Motorsports drehten hier, auf dieser brüchigen Asphaltfläche, ihre Runden - Helmut Marko, Niki Lauda, Lambert Hofer, Dieter Quester und viele mehr - allen voran Jochen Rindt. Aber auch internationale Ikonen wie Stirling Moss, Jack Brabham oder Keke Rosberg hinterließen auf dem Asperner Flugfeld ihren Gummiabrieb.

"Der Jochen hat alle mitgerissen, er hat uns alle infiziert", sagt der legendäre Rennwagenkonstrukteur und Teambesitzer Kurt Bergmann*, Formel V-Teamchef zahlreicher Piloten wie Lauda, Marko oder Rosberg im Gespräch mit motorline.cc. Wäre Rindt heute am Leben, hätte er wohl in Aspern seinen 65. Geburtstag noch einmal gefeiert. Und er hätte Autogramme gegeben.

"Wo ist der Heinz?"

Die Autogrammjäger sind mitunter scharf, ihre Opfer zeigen sich geduldig. Die Zuschauer waren es, die in der Blütezeit des österreichischen Motorsports in Scharen zu den Rennen pilgerten - hier in Aspern dürfen Sie ihren Helden auf die Schulter klopfen.

"Wo ist der Heinz?", fragt Organisator Peter Urbanek. "Keine Ahnung, ich hab ihn eben noch gesehen", antwortet einer seiner Mitarbeiter. Der Heinz, das Original, der "Mister Formel 1" ist umtriebig, und wahrlich für alle da - der legendäre ORF-Kommentator ist stets umlagert von seinen Fans - und hat für alle ein offenes Ohr.

Ein unscheinbarer Mann ist schwer bewaffnet - in der einen Hand den Autogrammblock, in der anderen die Videokamera. Er reicht Prüller den Block und während dieser signiert, blinzelt er aufgeregt in den Sucher der Kamera, so als würde er gerade eine UFO-Landung filmen. Ein Pärchen bringt eine Sporttasche voll mit Büchern und sonstigen Drucksorten. "Das machen wir schon, setzen wir uns dort hin", sagt Prüller, der Mann reicht die Bücher an seine Frau weiter, diese wiederum gibt sie Prüller, der sie signiert. Irgendwie rührend, als Prüller einer Frau im Rollstuhl eigenhändig den Weg durch die Zuschauer bahnt und ihr mit einer ausladenden Geste deutet: Hier, das ist meine Welt, die Welt der großen und der kleinen Helden, die in ihren Boliden um Positionen kämpfen.

Eine Sanduhr für Dieter Quester

Die Legenden kämpfen heute jedoch, hier auf dem mit alten Autoreifen ausgelegten Kurs, nicht um Positionen - sie versuchen, möglichst gleichmäßig zu fahren, möglichst wenig Strafpunkte zu kassieren. Haudegen Dieter Quester duelliert sich mit Rudi Lins - am Ende konnte Quester unter Beweis stellen: "Wer schnell fährt, der fährt auch gleichmäßig." Und wie der immer noch aktive Rennfahrer den modernen Opel OPC um die Kurven wirft. "Der lässt es krachen", sagt einer der Zuschauer anerkennend.

Bei der Siegerehrung steht Heinz Prüller, stilgerecht im Siebzigerjahre-Sakko, auf einer LKW-Ladefläche und es gibt nichts und niemanden, zu dem ihm nicht eine kleine Geschichte einfallen würde - seine vertraute Stimme wirkt magnetisch, alle strömen sie hin.

Dieter Quester erhält einen Pokal verliehen und von Kurt Bergmann eine Sanduhr geschenkt. Jetzt könne er endlich seiner Frau ein passables Frühstücksei kochen, scherzt der 66-jährige, dem Prüller zuvor prophezeit hat, noch weitere 70 Jahre erfolgreich Rennen zu fahren. Überall auf der Welt wird Quester das tun können - in Aspern jedoch nicht. Einer der lebenden Legenden spricht aus, was an diesem Tag viele denken: "Es ist eine Schande, dass dieser wunderbare Platz vor den Toren Wiens, wo ein großes Kapitel österreichischer Motorsportgeschichte geschrieben wurde, nun einfach verbaut wird."

*) Ein ausführliches Interview mit Rennwagenkonstrukteur und Teambesitzer Kurt Bergmann finden Sie in den nächsten Tagen auf motorline.cc.

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