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Vater der modernen Auto-Sicherheit

Im März 1907 wurde in der Nähe von Wien Béla Barényi geboren - der Erfinder von Knautschzone, Sicherheitslenkung und Seitenaufprallschutz.

"Lenkung, Lenksäule, Lenkrad, Fahrgestell und Karosserie müssen beim Auto der Zukunft anders aussehen als heute", erklärte Barényi beim Einstellungsgespräch; am 1. August 1939, einen Monat vor Ausbruch des 2. Weltkrieges, begann er seine Arbeit in einer Holzbaracke am Rande des Sindelfinger Mercedes-Werks. Über 2.500 Patente zeugen vom Erfindergeist des begnadeten Ingenieurs, der bis 1972 für Mercedes-Benz tätig war. Sein Knautschzonen-Prinzip ging 1959 erstmals in Serie und bildet bis heute die Grundlage der modernen Pkw-Sicherheit.

Der „Plattformrahmen für Kraftfahrzeuge“ war seine erste Erfindung für den neuen Arbeitgeber. Sie verbesserte den seitlichen Aufprallschutz und bot die solide Basis für eine „gestaltfeste Fahrgastzelle“. Im Februar 1941 wurde die Neukonstruktion patentiert. Barényi war zu diesem Zeitpunkt jedoch mit seinen Gedanken bereits ein ganzes Stück weiter: Seine Vision war eine stabile Fahrgastzelle „umgeben von Knautschzonen vorne und hinten“.

In Grundzügen hatte er diese Idee schon Mitte der Dreißigerjahre entwickelt und ein „Zellenfahrzeug“ konzipiert, dessen einzelne Abschnitte auf mechanische Belastungen unterschiedlich reagieren: Es war steif in der Mitte, aber bei einem Unfall plastisch verformbar an Front und Heck. Im Jänner 1937 meldete Barényi das Patent für dieses „Kraftfahrzeug mit in drei Teile unterteiltem Aufbau“ an. Ergänzungen und Weiterentwicklungen folgten in den nächsten Jahren.

Patent 854 157: Das Grundprinzip der modernen Automobilsicherheit

1952 wurde aus seiner Vision dann ein Patent, das noch heute als das Fundamentalprinzip der passiven Sicherheitstechnik gilt. Den Knautschzonen-Effekt erzielte Barényi vor allem durch die Gestaltung der Trägerstruktur: Während die Längsprofile in der Wagenmitte gerade ausgeführt wurden und zusammen mit den Blechen einen stabilen Sicherheitskäfig bildeten, waren die Träger an Front- und Heckpartie gebogen. So verformten sie sich bei einem Unfall, nahmen dabei einen Teil der Kollisionsenergie auf und schützten die Insassen vor der vollen Aufprallwucht.

Barényi-Erfindungen: Von der Prallplatte bis zum Pagodendach

Schon in den Vierzigerjahren erkannte Barényi eine der größten sicherheitstechnischen Schwachstellen: Lenkrad und Lenksäule, die sich beim Unfall in Richtung Innenraum schoben und schlimme Verletzungen verursachten. „Über die Lenkung habe ich mich stets am meisten geärgert“, sagte der Sicherheitspionier rückblickend bei einem Interview im Jahre 1994. „Sie wurde damals schlichtweg unüberlegt entwickelt.“

Barényis Problemlösungen waren das Pralltopf-Lenkrad und die zweigeteilte „Sicherheits-Lenkwelle“, die er 1963 patentieren ließ. Beide Erfindungen sind im Prinzip noch heute aktuell. Auch der versenkt angeordnete Scheibenwischer, der 1979 realisiert wurde und dem Fußgängerschutz dient, sowie stabile Dachkonstruktionen wie das weltberühmte „Pagoden“-Dach des Mercedes SL von 1963 gehen auf Arbeiten Barényis zurück.

Nach seiner Pensionierung im Jahre 1972 widmete sich Barényi konsequent der Erweiterung seines Archivs. In dieser Zeit wurde der Erfinder und Pionier der passiven Sicherheit immer wieder für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Eine der größten Ehrungen erfuhr er 1994 durch die Aufnahme in die „Automotive Hall of Fame“. Am 30. Mai 1997 starb er im Alter von 90 Jahren. In seinem Sinn wird jedoch rund um die Welt weiter geforscht

Weiterentwicklung: Offset-Knautschzone mit Aufprallebenen

Barényis Knautschzonen-Erfindung zum Beispiel wurde im Laufe der Jahre konsequent weiterentwickelt und auf das reale Unfallgeschehen abgestimmt. Ein wichtiger Meilenstein war die Auslegung der Frontstruktur auf den sogenannten Off-set-Unfall, bei dem nur ein Teilbereich der vorderen Knautschzone belastet wird. Dieser moderne Aufprallschutz basiert auf einem mehrstufigen Konzept, das je nach Unfallschwere ganz oder teilweise in Aktion tritt.

Moderne Autos verfügen über mehrere voneinander unabhängige Aufprallebenen. Die Kräfte können deshalb großflächig verteilt und an der Fahrgastzelle vorbeigeführt werden. Dazu kommt die Fertigung eines Großteils der Rohkarosserie aus hochfesten Stahllegierungen.

Die Autos selbst werden heute im Interesse der Sicherheit immer „eigenmächtiger“: Elektronische Stabilitätsprogramme sorgen für verbessertes Fahrverhalten. Mit Assistenzsystemen, die den Fahrer rechtzeitig vor Gefahren warnen oder in weiterer Folge sogar aktiv in den Fahrbetrieb des Autos eingreifen, wird heute der nächste Schritt in der Verbesserung der Sicherheit im Pkw getan. Vielleicht ist irgendwann auch Béla Barényis Vision erreicht: Unfallfrei Autofahren.

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